"Die Gastfreundschaft ist den Lampedusani nicht auszutreiben"
Eigentlich wollte Heidrun Friese auf Lampedusa die Besiedlungsgeschichte erforschen. Doch dann kamen die ersten Flüchtlinge über das Meer, und seitdem hat die Sozialwissenschaftlerin ein neues Thema.
Zur richtigen Zeit am richtigen Ort: Dieses Glück hatte die Sozialwissenschaftlerin Heidrun Friese. Sie war Anfang der 90er-Jahre auf Lampedusa und wollte eigentlich nur die Besiedlungsgeschichte der kleinen italienischen Mittelmeerinsel erforschen. Aber dann kamen die ersten Flüchtlinge aus Afrika auf Lampedusa an, sie wurden wie Gäste aufgenommen.
Und obwohl es nach der tunesischen Revolution 2011 immer mehr wurden, sei den Lampedusani ihre ursprüngliche Gastfreundschaft nicht auszutreiben, sagt Heidrun Friese. "Die haben dann Telefonkarten spendiert, und in den Bars gab's umsonst den Kaffee. Die Leute wurden rumgekarrt. Es war wieder ein Teil dieses Fischerethos, man hilft dem Anderen – aber durchaus mit Ambivalenzen."
Allerdings habe sie nie ein Wort gegen die Flüchtlinge gehört. "Wenn man sich beschwert hat, dann über die Regierung, die es nicht geschafft hat, dann die Ankommenden rechtzeitig von der Insel zu schaffen, sodass manchmal tatsächlich mehr junge Tunesier auf der Insel waren als Einwohner." Ein weiterer Aspekt dieser Ambivalenz sei, dass Lampedusa finanziell von der Anwesenheit der Flüchtlinge profitiere. "Mit der Etablierung dieses offiziellen Lagers sind natürlich auch Arbeitsplätze entstanden."