Heike Buchter: "Ölbeben"

Wie Wirtschaftsmächte die globale Energiewende verhindern

09:57 Minuten
Qualmende Schornsteine von Kohlekraftwerken in der chinesischen Provinz Shandong
China hat 2018 allein 429 Gigawatt an neuen Kohlekraftwerken in Betrieb genommen, sagt die Wirtschaftsjournalistin Heike Buchter. © picture alliance/dpa/Imaginechina/Da Qing
Heike Buchter im Gespräch mit Christian Rabhansl |
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Trump sei wie ein Geschenk Gottes für die US-Fossilbranche, sagt Heike Buchter. Die Wirtschaftsjournalistin beschreibt im Buch "Ölbeben", wie schlecht es um die Energiewende in den USA, China und Deutschland bestellt ist – und blickt in die Glaskugel.
Christian Rabhansl: Das Pariser Klimaschutzabkommen ist kaum noch einzuhalten, auch von Deutschland nicht. Die Energiewende stolpert ziemlich lustlos vor sich hin, weil – und das werfen ja nicht nur Fridays for Future der Bundesregierung vor – den ambitionierten Absichtserklärungen keine konsequenten Taten folgen.
Dabei geht das auch anders. Das beweist in diesen Tagen ausgerechnet Donald Trump. Der hat auch eine Energiewende versprochen und er setzt sie ziemlich konsequent um. Nur ist das eine Energiewende so gar nicht im Sinne des Klimaschutzes.
"Ölbeben – Wie die USA unsere Existenz gefährden" heißt das neue Buch von Heike Buchter. Die Wirtschaftsjournalistin schreibt aus den USA für deutsche Medien und sie frickelt sich gerne ein in die komplizierten Verstrickungen von Politik und Industrie. Ich habe sie in New York erreicht.
Sie haben diese These, Frau Buchter, dass Präsident Trump selbst ein sehr konsequente Energiewende vollzieht, nur eben mit Vollgas zurück ins fossile Brennstoffzeitalter. Können Sie das mit einem Beispiel erklären, was Sie damit meinen?
Heike Buchter: Ja, ganz klar. Wenn Donald Trump eine kohärente Idee hat für seine Regierungszeit, dann ist es die Energiedominanz, so nennt er das auch selbst. Dahinter steckt die Idee, dass man mit viel billigem Öl und Gas, das man in den USA gewinnt, mehr oder weniger energieunabhängig werden kann als Land, als USA – und gleichzeitig eben auch andere Freunde, Verbündete, Feinde mit dieser neuen Energiemacht zu mehr oder minder Untergebenen machen kann.

Trump – ein Geschenk Gottes für die Fossilbranche

Rabhansl: Das ist quasi die politische Dimension, es geht aber in Buch auch stark um die wirtschaftliche Dimension. Sie schreiben an einer Stelle, wenn die Ölkonzerne auf einen wirtschaftsfreundlichen Präsidenten gehofft hatten, dann hat Trump ihre Erwartungen noch übertroffen – am Beispiel der Fossilbranche. Was hat die dem zu verdanken?
Buchter: Für die fossile Brennstoffindustrie, also Öl, Gas, Kohle, ist Trump ein Geschenk Gottes, wenn man so will. Sie nutzen seine Amtszeit ganz konsequent, um ihn dazu zu bringen – und da muss man nicht so wahnsinnig viel drücken –, Regulierungen zum Beispiel runterzufahren.
Das geht sogar so weit, dass im Bereich Methangas, was kontrolliert werden sollte, da gab es eine Vorschrift aus den Zeiten noch von Präsident Obama, die will Trump in derartiger Form abbauen lassen, dass sogar Exxon, der große Ölkonzern, na ja, vielleicht doch nicht ganz so weit zurückfahren, weil die nämlich inzwischen investiert hatten, um eben diese Kontrollen durchführen zu können.
Und wir haben natürlich auch gesehen, dass der Präsident, kaum war er im Amt, so gut wie alles genehmigt, was es an Fördermöglichkeiten gibt, er hat Umweltschutzgebiete, die unter Obama eingeführt wurden, wieder aufgelöst und hat sie quasi freigegeben für Öl und Gas, auch für diese umstrittenen Methoden wie Fracking. Und das nutzt die Industrie jetzt, um sich buchstäblich einzugraben.
Rabhansl: Sie haben gerade schon Methangas genannt, Sie haben Fracking genannt. Das ist schon der Unterschied dieses neuen Ölbooms zu vergangenen Jahrzehnten, da waren eigentlich die klassischen Ölländer immer im Nahen Osten mit riesigen Ölfeldern, die sich leicht haben erschließen lassen. Sie beschreiben das an einer Stelle so, man musste quasi einen Strohhalm reinstecken und dann sprudelte das einfach. Jetzt in den USA aber diese spezielle Form des Frackings. Was ist da im Kern der Unterschied?
Buchter: Fracking gibt es als Methode eigentlich schon sehr, sehr lange. Die ersten Experimente waren gleich nach der Entdeckung von Petroleum, man wollte dadurch diese Quellen anregen, etwas mehr zu produzieren. Es gab allerdings ein Problem mit Schiefer, man wusste, dass im Schiefer Gas und Öl gefangen sind in dem Stein, man wusste aber nicht, wie man es rauskriegen sollte.
Und George Mitchell, der Vater des modernen Fracking, hat es dann mit viel, viel Geld und vielen, vielen Jahren … Er war kurz vor der Pleite, als es ihm dann gelang, tatsächlich das Geheimrezept zu finden, mit dem man Schiefer erschließen kann, um daraus das enthaltene Gas und Erdöl rauszupressen. Das geschieht mit Hochdruck, mit Sand und mit Chemie.

Faszination für die Pioniere des Frackings

Rabhansl: Das gilt als besonders umweltschädlich und dreckig. Warum?
Buchter: Sie brauchen natürlich auch entsprechend viel Energie. Als ich beim Fracking war in North Dakota, da läuft die ganze Zeit der Generator. Sie brauchen schon mal wahnsinnig viel Energie, um dieses Öl überhaupt erschließen zu können, Sie brauchen unglaublich viele Lkws mit Wasser, Sie brauchen Lkws mit Sand, der dahingekarrt werden muss. Und dann müssen Sie mit Hochdruck durch die Schichten, die grundwasserführend sind, in die tieferen Schichten vordringen. Und ja, müssen wir nicht drüber reden, was da zwischendurch alles noch so passieren kann.
Rabhansl: Ich lese in Ihrem Buch auch immer so ein bisschen Bewunderung und Faszination für diese Pioniere des Frackings. Sie schreiben, da gibt es drei wichtige Faktoren: Innovation, Kapital und eine unerschütterliche Hoffnung. Wenn wir jetzt mal den großen Sprung zurück nach Deutschland machen – ich habe es vorhin gesagt mit der stolpernden Energiewende –, wenn diese Leute die deutsche Energiewende machen würden, wie sähe es dann aus?
Buchter: Das ist eigentlich das, was mir im Laufe meiner Recherche klargeworden ist. Ja, das ist richtig, ich habe eine gewisse Sympathie für die Jungs, vielleicht auch, weil ich sie getroffen habe – nicht nur einmal –, sondern ich habe mich immer wieder bemüht, zu erfahren, wie denken die, was hat sie befähigt über eine ganz lange Durststrecke dabeizubleiben.
Heike Buchter vor verschwommenem Hintergrund.
Die Autorin und Journalistin Heike Buchter lebt in den USA.© New York Germanpress
Zum Beispiel George Mitchell, der hat sich mehr oder minder in die Pleite gebohrt, und jeder hat ihm gesagt, hör auf damit, das bringt doch nichts, du wirfst gutes Geld schlechtem hinterher. Und trotzdem … Und es gibt so viele von den Frackern, wenn man sich das anguckt, die haben gesagt, ich glaube daran, ich glaube, dass das machbar ist, ich glaube, dass wir das machen können, die haben das Geld aufgetrieben. Und das waren die Kleinen, das waren nicht die Großen, nicht Chevron, nicht Exxon, nicht BP oder Shell, die steigen jetzt heute in Fracking ein, aber damals, als das noch mehr oder minder unerprobt war, ob das überhaupt je gelingen würde, sind die Jungs rausgezogen und haben das gemacht.
Und dieser Spirit, der fehlt mir in Deutschland. Ich habe das Gefühl, das ist so, ja, das müssen wir machen, das wäre gut, wenn wir das machen, wünschenswert, whatever. Aber dieser Spirit, dieser Can-do-Spirit, den es in den USA gibt, der jetzt leider auf aus meiner Sicht falsche Wege führt, hin zu mehr fossilen Brennstoffen. Aber wenn man das quasi in Deutschland auslösen könnte, diese Dynamik, dass man sagt, wir müssen das schaffen, wir können das schaffen, wir bleiben dran. Und wenn es viel Geld kostet, dann pumpen wir da halt viel Geld rein, aber dann sehen wir auch irgendwann ein Ergebnis.

China baut immer noch Kohlekraftwerke

Rabhansl: Stattdessen: Die kurze Zeit der deutschen Weltführerschaft in Sachen Solarindustrie ist lange vorbei, die Windkraft wandert auch massiv nach China ab, stattdessen klappt das nicht so richtig. Sie machen in Ihrem Buch einen Dreiklang: Schwerpunkt auf die USA, dann eben Deutschland und China. Macht China eigentlich von allen dreien die fortschrittlichste oder zukunftsgewandteste Energiepolitik?
Buchter: China steht unter einem enormen Druck, das muss man natürlich sehen, das sieht man jetzt auch in Hongkong. China steht unter einem Druck, diese Regierungsform, dieser staatlich gelenkte Kapitalismus, wenn man so will, unter der Führung der Kommunistischen Partei, das soll erhalten werden. Und die Energiepolitik ist ein wahnsinnig wichtiger Teil davon, das wird sehr viel vergessen.
Und China ist sehr pragmatisch, im Gegensatz zu allen anderen, China sagt sich, okay, wir machen ganz viel in Erneuerbaren, weil wenn wir da gewinnen, dann sind wir da Marktführer und können das neue Energiezeitalter mitbestimmen, maßgeblich führen. Aber gleichzeitig ist China sehr interessiert an Fracking, die haben angefangen in der Arktis, da bohren die jetzt auch, die wollen unter dem Eismeer Energie erschließen.
Und gleichzeitig bauen sie wie die Weltmeister immer noch Kohlekraftwerke, das muss man sich auch geben. Das wird immer wieder bestritten, dass dem so ist, weil China ja im Gegensatz zu den USA im Pariser Klimaabkommen weiterhin Mitglied ist und weitermacht – angeblich. Aber gleichzeitig haben sie 2018 allein 429 Gigawatt an neuen Kohlekraftwerken in Betrieb genommen.

USA fahren in die falsche Richtung, Deutschland dümpelt vor sich hin

Rabhansl: Dann wäre also China auch kein Vorbild. Am Schluss Ihres Buches wagen Sie auch einen leicht ironischen Ausblick in die Zukunft, das Jahr 2050. Wie sieht denn da die Welt aus, wenn es so gar kein Vorbild gibt?
Buchter: Ja, also für mich war die Schwierigkeit: Als ich mein Buch fast fertig hatte, überkam mich eine leichte Depression. In den USA fahren wir voll in die falsche Richtung, in Deutschland dümpeln wir so vor uns hin und hoffen, dass irgendwie durch viele, viele faule Kompromisse dann am Ende doch noch irgendwas rauskommt. Und in China ist man so, dass man sagt, okay, volles Rohr, egal, was es ist.
Und dann hatte ich mir gedacht, so kann ich den Leser auch nicht entlassen und habe überlegt, jetzt mache ich einen Sprung nach vorne. 2050, wo ja sehr viele von diesen Abkommen eben auch hingucken und sagen, bis dahin muss das und das passieren. Und aus meiner Sicht, in China dürfte es sozial zu großen Spannungen kommen eben auch durch diese wahnsinnige Umweltbelastung, die diese Energiepolitik mit sich bringt.

Deutsche Landschaften im Jahr 2050

In Deutschland war meine vage Hoffnung, dass wir es doch vielleicht noch packen und unser ganzes Land dann ein bisschen verspargelt aussieht, damit muss man sich, glaube ich, abfinden, wenn wir mehr Windkraft haben wollen. Dass es aber auch in Deutschland immer noch nachhaltig Widerstand dagegen geben wird, das glaube ich ganz sicher, denn die Leute wollen ein Deutschland haben, das es in der Form – egal, wie es läuft – nicht mehr geben wird.
Und in den USA habe ich, ja, da bin ich inzwischen etwas unsicher, ich denke inzwischen an eine zweite Amtszeit von Donald Trump. Dann wird es hier noch ein bisschen länger weitergehen mit dem Fracking. Aber da hatte ich mir vorgestellt, dass in Texas künftig große Solarparks eingerichtet werden und nur noch alte Rentner davon reden, dass man hier mal gefrackt hat.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

Heike Buchter: "Ölbeben – Wie die USA unsere Existenz gefährden"
Campus Verlag, Frankfurt 2019
304 Seiten, 24,99 Euro

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