Ein Stück Italien an den Toren Potsdams
Die Heilandskirche im Potsdamer Ortsteil Sacrow fällt ins Auge durch ihren italienisch anmutenden Glockenturm - und sie hat eine bewegte Geschichte. Zu DDR-Zeiten verlief die Grenze quer über das Gelände, die Kirche verfiel. Doch dann wurde sie aufwendig restauriert.
"Es ist auch so, dass deswegen ganz viele Brautpaare herkommen. Dass ganz viele Touristen herkommen, sei es zu Fuß, sei es mit dem Fahrrad. Sie ist richtig umlagert im Sommer von Paddlern. Die legen hier an – was ja nicht verboten ist. Und die liegen dann rechts und links auf der Wiese, und ja, man hält sich eigentlich gerne in der Nähe der Kirche auf."
Das sakrale Highlight, dessen Anziehung die Küsterin Renate Mollenhauer beschreibt, hat viele Namen: "Heilandskirche", "Sacrower Kirche", "Das Schiff" oder elegisch: "Kirche des allerheiligsten Erlösers im Heiligen Hafen."
Schaut man vom gegenüberliegenden Havelufer auf die Heilandskirche, dann wirkt sie wie ein vom Ufer ins Wasser hineinragendes Schiff. Norbert Greger, der schon als Kind hier den Gottesdienst besuchte, kennt eine Legende um dieses Kirchenschiff.
"In der Legende wird beschrieben, dass die Kirche ein Ruhepunkt war und dass die Ostseite, die Apsis, der bedeutende Teil der Kirche, eine Schutzzone war für die Fischer, die Ruhe vor dem Sturm gesucht haben. Diese Legende hat ein Stückchen Wahrheit. Denn wenn Sie hier wirklich Sturm haben, dann haben Sie hier hinter der Apsis einen Hundertmeterstreifen, wo das Wasser so aufschäumt, dass Sie mit dem Segelboot nicht durchkommen. Das heißt, an dieser Legende ist was Wahres dran."
Der Kampf ums Seelenheil der Sacrower
Das slawische Dörfchen "Za krov", zu deutsch: "hinterm Busch", liegt an der östlichen Havelseite, unweit der Pfaueninsel. Kirchen gab es in Sacrow etliche, die erste aus Feldsteinen im Dreißigjährigen Krieg, darauf dann Fachwerkkirchen. Der Kampf ums Seelenheil der Sacrower war ein mühseliger, wie der Pastor Johann Andres Moritz 1790 notierte.
"...Sakrow liegt eine Meile ab....und ich muss es alle 14 Tage bereisen. Gott! Du weißt es, wie ich dann bis Abend fahren und reden muß, wie sauer es mir ist..."
Als 1840 König Friedrich-Wilhelm IV. das Gut Sacrow für 60.000 Taler erwarb, gab er den Bau der Heilandskirche in Auftrag. Sein Hofarchitekt, Ludwig Persius, ein Schinkelschüler, machte sich an die Arbeit. Was nach drei Jahren Bauzeit entstand und heute aufwendig restauriert wieder zu sehen ist, beschreibt Norbert Greger. Ihm ist viel von der Wiederherstellung der Heilandskirche zu verdanken. 1999 bekam er daher als Anerkennung für seine Arbeit das Bundesverdienstkreuz verliehen.
"Höhepunkt ist und bleibt in der Kirche das Fresko im Altarbereich, das 1845 gemalt wurde. Zweiter Höhepunkt sind, würde ich sagen, die aufgestellten Apostelfiguren im oberen Kirchenbereich, aus Lindenholz geschnitzt. Ein weiteres Highlight der Kirche ist die Decke mit dem Sternenhimmel. Typisch für die Schinkelschüler. Auch sehr schön wiederhergestellt ist der farbige Fußboden. Und eigenwillig ist die Bestuhlung der Kirche, dieses Kastengestühl, vier selbstständige Kästen, der Gang ergibt ein Kreuz. Und ein weiterer Höhepunkt der Kirche ist die Orgel auf der Westempore, die originalgetreu wiederhergestellt wurde."
Folgt man Norbert Greger hoch zur Orgel und schaut dort zur Decke, sieht man unvermutet etwas Bekanntes: nämlich den Schinkelschen Sternenhimmel aus Mozarts "Zauberflöte".
"Das ist eine Rahmendecke mit einer Tuchbespannung. Die Tuchbespannung
ist absichtlich gewählt, weil sich im Sommer die Kirche im Wasser widerspiegelt. Und interessant ist der Sternenhimmel. Sie haben einen gelben und einen weißen Stern. Warum? Der weiße Stern geht auf Schinkel zurück, und der gelbe Stern auf Persius. Hier hat der Persius seinem Meisterlehrer ein Denkmal gesetzt."
"Ein Ort der Verwüstung"
Der Gartenkünstler Peter Josef Lenné schuf den Schlosspark, der das Kirchengebäude mit einbezieht. In der freien Sichtachse steht sie seitdem da, mit Blick zur Pfaueninsel, Glienicke und Babelsberg, diese italienisch anmutende Basilika, 9 Meter hoch, 18 Meter lang, mit einem umlaufenden überdachten Arkadengang und dem Campanile, dem 20 Meter hohen Glockenturm mit der über 600 Jahre alten Bronzeglocke.
Doch in den 1960er-Jahren war mit der Erhabenheit des sakralen Bauwerks erst einmal Schluss.
"Die Fährstraße da vorn, da war Schluss, da ging die Mauer rüber, und man konnte ja nicht mal, wenn man dran langgelaufen ist, drüberschauen, sondern hier war dann dieser Grenzstreifen, dieser Postenweg, der ja bis Ortsausgang Richtung Potsdam am Wasser lang ging, und man hat eigentlich gar nichts gesehen. Es war alles zugewachsen, den Park haben Sie weder gesehen, vom Schloss was gesehen, es war nur Gestrüpp, es waren nur große Bäume."
Die DDR-Grenzsperranlagen verliefen über das Kirchengelände. Der Campanile war, mit Betonplatten versehen, ein Bestandteil der Grenze fortan. Am Heiligen Abend 1961 wurde hier der letzte Gottesdienst mit Pfarrer Joachim Strauss gehalten. Am 24.12.1989 schließt sich der Kreis: der 77-jährige Pfarrer Joachim Strauss predigt erneut in der Heilandskirche. Doch von der einstigen Pracht des Kirchenschiffes ist da nichts mehr übrig.
Mollenhauer: "Es war ein hohler Raum ohne Farbe, ohne jegliche Sitzmöglichkeiten. Die Massen haben hier drin gestanden, aber es war eigentlich ein Ort der Verwüstung."
Greger: "Sie müssen sich vorstellen, dass der gesamte Putz abgeschlagen war, die Bänke waren herausgerissen, es gab nur noch eine Bank, die hier an der Seite stand, der Taufstein war beschädigt, das Lesepult war zerstört."
Der doppelte Sternenhimmel spiegelt sich wieder im Havelwasser
Doch auch von den von Peter Joseph Lenné gestalteten Gartenflächen waren acht Hektar im Zuge der Grenzbefestigung völlig zerstört und der Park unter Errichtung von Garagen, Hundezwingern und dem Nachbau einer typischen Grenzübergangsstelle für die Ausbildung der Zollhunde zweckentfremdet worden. Die Wiederherstellung des Areals gelang 1994. Im gleichen Jahr beginnt die aufwendige Restauration der Heilandskirche. Der Restaurator Ulrich Schneider erinnert sich.
"Wir hatten teilweise auch dadurch, dass die Paneele fehlten, freiliegendes Mauerwerk ohne Verputzung im unteren Bereich. Und die Deckenbespannung mit dem Sternenhimmel, die gab es nicht mehr, die war schon zu einem früheren Zeitpunkt beseitigt worden, und die Apostelfiguren waren ausgelagert. Von den Wänden blätterten die Farbreste verschiedener Fassungen. Und zum Glück war das Wandbild, was ja zu den wertvollsten Ausstattungen hier gehört, in restaurierbarem guten Zustand, weil es sich um ein echtes Fresco handelt. Die Restaurierungsarbeiten begannen 1993 im Innenraum und zogen sich bis 1996 hin."
Jetzt ist alles nahezu wieder so wie zu Persius Zeiten. Auch der doppelte Sternenhimmel spiegelt sich an Sommertagen wieder im Havelwasser, und die Sacrower Basilika - "...des allerheiligsten Erlösers im heiligen Hafen" - liegt wieder auf dem Wasser als Schiff, das sowohl Segler und Angler, und vielleicht auch Seelen schützt.