"Heilig ist mir meine künstlerische Freiheit"

Von Gerd Brendel |
Ralf König zeichnet seit 30 Jahren schwules Leben. Bekannt wurde er spätestens durch die Comic-Vorlage zum Kino-Hit "Der bewegte Mann". Heilig ist für ihn vor allem die Freiheit, die hierzulande immer als selbstverständlich gesehen wird.
Ach, dieses "Heilig" immer. Was ist mir heilig, was ist mir heilig?

Die Frage nach dem Heilig, was mir heilig war als Kind, religiös war mir sicherlich nichts heilig, das war mir Indianerspiel, meine Ritterburg, Disneyfilme. So was hab ich geliebt, ich musste jedes Jahr den neuen Disneyfilm sehen.

Aber heilig waren mir sicherlich nicht die zwölf Apostel und der Erlöser.

Was ist mir heilig?

Ich find' das gleich immer so kitschig, aber ich kann sagen: Heilig ist mir meine künstlerische Freiheit.

Ich habe ein Buch gemacht, das heißt "Dschinn dschinn". Eine Geschichte, in drei Worten erzählt, wie ein Dschinn, so'n Flaschengeist, aus dem alten Orient aus Bagdad in die Jetztzeit gerät, so ein Fundamentalist, so'n Taliban und der gerät in eine WG, wo eine Frau und ein schwuler Mann zusammen wohnen. Und das bedeutet natürlich viel Stress und für mich sehr viele komische Situationen.

Und während ich das gezeichnet habe, passierte das mit dem Karikaturenstreit und da war plötzlich fast schon so 'ne absurde Hysterie und Sensibilität, was Karikatur und Religionskritik angeht und Freunde saßen auf meinem Sofa ganz betroffen und meinten, ich solle aufpassen und mein Verlag meinte, wenn ich den Sultan in meiner Geschichte "Beherrscher der Gläubigen" nenne, das könnte vielleicht jemanden beleidigen. Und da hab ich zum ersten Mal gemerkt: Oh ich mach da 'ne Geschichte, die könnte den einen oder anderen aufregen oder brisant sein.

Also ich freu mich sehr, dass ich in einem Land lebe, indem ich das, was mir im Kopf rumgeht, zeichnen kann. Dass mir niemand das Messer in den Rücken stößt, weil ich seine Religion beleidige.

Abraham, opfer mir Deinen Sohn! Aber meinen Sohn? Ich opfer Dir meine Töchter und ein Huhn! Feilsche nicht, schlachte mir Deinen Sohn, oder ich krieg schlechte Laune.

Wenn's um heilig geht, natürlich die Freiheit, die ja hier auch immer so selbstverständlich gesehen wird, was sie aber nicht ist, wenn man über die Grenzen guckt, die Freiheit, ein schwuler Mann zu sein und ein schwules Leben zu führen, was immer das ist. Mit schwulen Freunden und schwuler Kultur. Ich lebe hier in Köln in einer Stadt, da gibt es das und wenn ich mit meinem Freund Arm in Arm durch die Stadt laufe, dann dreht sich keiner mehr um.

Ja, was ist mir noch heilig? Also Sex, würd' ich mal sagen. Ich bin jetzt 52. So langsam bin ich da auch gelassener, weiß noch nicht, ob ich das gut finde. Im Moment eher nicht.

Natürlich hat das alles mal ein Ende, und das zu schlucken fällt mir gerade sehr schwer. Also ich bin gerade schwer in der Midlife-Krise und finde es schwierig, von einigen Dingen los zu lassen.

Die Verzweiflung des Lebens hab ich vielleicht zusammengepackt, ich hoffe da, auf dem Hintercover von meinem Buch "Superparadise", da sagt meine Figur Paul: "Ich will jung sein. Ich will gesund sein. Ich will ficken und das bis in alle Ewigkeit, ist das etwa zu viel verlangt?"

Über Ralf König:
Ralf König zeichnet seit 30 Jahren schwules Leben. Sein Langzeit-Paar Konrad und Paul erleben seit Jahren das Auf und Ab homosexuellen Alltags von Prügeleien bis Standesamt. Der heterosexuellen Mehrheit ist Ralf König spätestens seit dem Film "Der bewegte Mann" bekannt, der nach seinen Comics entstand. In den letzten Jahren hat sich Ralf König den großen Themen der Menschheit gewidmet. Er hat antike Stoffe nacherzählt und die Bibel vom alten Testament bis zu den Paulusbriefen. In seinem letzten Comic-Roman erzählt er die Kölner Legende vom Martyrium der heiligen Ursula und ihren 10.000 Jungfrauen auf seine Art mit tanzenden Homos statt wilden Hunnen vor den Toren Kölns.

Serie im Überblick:
"Was mir heilig ist" - Prominente geben Antwort