Heiliges und Handwerk

Von Thomas Kroll |
Heiliges und Handwerk - geht das zusammen? Lässt sich gar der unverfügbare Gott verfügbar machen mit Hilfe spiritueller Techniken? Anders gefragt: Gibt es spirituelle tools, handliche Werkzeuge, vielleicht auch Gebrauchs- und Bastelanweisungen, damit spirituelles Leben gelingt? Viele Fragen. Antworten bieten Fulbert Steffensky und Pierre Stutz.
Fulbert Steffensky: "Wir müssen die großen Worte, auch das große Wort Spiritualität, herunterholen aus seinem hohen Himmel und der Sache zu einer alltäglichen Möglichkeit verhelfen. Eine Mutter und ein Vater, die fünf Kinder zu versorgen haben, müssen damit etwas anfangen können. Es soll ... kein Delikatessbegriff für religiös Sonderbegabte werden."

Fulbert Steffensky. Der ehemalige Katholik und langjährige Benediktinermönch kennt sich aus mit heiligen Personen und Orten, mit heiligen Zeiten und Techniken.

Steffensky: "Jede neue Religion, die Bestand haben will, muss den Schritt von der inneren zur äußeren Religiosität tun. Der Geist muss einen Ort finden, wenn er langfristig bleiben will. Er muss eine Zeit finden."

Der Geist muss Leib werden. Sonst gleicht er einer Partitur, die nie als Musik erklingt. Ein Beispiel:

Steffensky: "Was ein heiliger Tag ist, lernt man durch die Heiligung des Tages. Den Sonntag heiligen, hat man früher gesagt. Ein schönes Bild. Die Zeit nicht in öder Gleichgültigkeit hinnehmen, sondern ihr Würde verleihen, den Sonntag heiligen, indem man sie begeht – die Zeit."

Wie aber gelingt Spiritualität im Alltag? Wie erhält man sich auch dann Zeiten der Zweck- und Profitlosigkeit?
Steffensky bietet einige praktische Hinweise. Er nennt sie "Gehhilfen für das schwache Herz".

Steffensky: "Erstens: Entschließe dich zu einem bescheidenen Vorhaben für deine religiöse Selbstgestaltung. ... Zweitens: Gib eine feste Zeit für deine Übung. Drittens: Mache deine Gestimmtheit nicht zum Maßstab dessen, was du tust, und brich deine Regel nicht, weil es Dir nicht nach deiner Übung zumute ist."

Regelmäßigkeit und Rhythmus, so Steffensky, befreien vom Diktat der Stimmungen und von der Last der Spontaneität. Er verdeutlicht dies am Umgang mit den Losungen. Das sind alttestamtentliche Sprüche zur Besinnung an jedem Tag:

Steffensky: "Ich lese die Losung, weil es Zeit ist. Vielleicht bin ich nur mit halbem Herzen dabei. Was übrigens keine Halbherzigkeit bedeutet. Was man regelmäßig tut, tut man meistens mit dem halbem Herzen. Und das halbe Herz ist viel. Man darf sich auch bei seinen Frömmigkeitsversuchen nicht unter Ganzheitsdiktate stellen."

Dasselbe gilt etwa für die tägliche Bibellektüre, für das Beten und die Meditation. All das ist in Steffenskys Augen Handwerk. Und jedes Handwerk erfordert Regeln. Daher rät Steffensky weiter:

Steffensky: "Sei nicht auf Erfüllung aus, fünftens, sondern sei dankbar für geglückte Halbheit. Es kommt nicht darauf an, dass uns der heilige Josef erscheint, sondern dass wir pünktlich sind. ... Lass dich nicht von den Geschäften abhalten, eine nächste Regel, bei deiner Übung. Sie ist eine köstliche Nutzlosigkeit. ... Und ein letztes Heiteres: Birg deinen Versuch in den großen Trost, den Paulus im achten Kapitel des Römerbriefes gibt. Der Geist hilft unserer Schwachheit auf."

Pierre Stutz: "Unsere Seele braucht auch Training. Wir brauchen einen Übungsweg, es braucht auch die beharrliche Geduld, dran zu bleiben, es braucht auch Struktur, den Mut eben, da in einen guten Rhythmus wieder hinein zu kommen."

Pierre Stutz. Der katholische Theologe und Autor vieler Bücher zum Thema Spiritualität, betont gegen jegliche Werkgerechtigkeit:

Stutz: "Gott kommt unseren Ritualen mit seiner Gnade zuvor."

Fulbert Steffensky gibt spirituellen Handwerkern noch eine Warnung und Trost mit auf den Weg:

Steffensky: "Dies sind keine Regeln für eine ungeheure spirituelle Ekstase. Es sind Regeln für einen gekonnten Umgang mit der täglichen Langeweile auch im religiösen Leben. Ich glaube, dass ... regelmäßig versuchte Frömmigkeit auch etwas mit Langeweile zu tun hat."