Heimat für jüdische Studien
An vielen Orten in Deutschland haben sich in den vergangenen Jahren neue jüdische Zentren entwickelt, so auch in Berlin, wo Ende Mai das Zentrum für Jüdische Studien Berlin-Brandenburg eröffnet wurde. Getragen wird es von zwei jüdischen Einrichtungen und den großen Universitäten der Region.
"Jüdische Studien heute gelten als eine akademische Erfolgsgeschichte. In Deutschland wie in den weiteren deutschsprachigen Ländern erfährt das Studium der jüdischen Lebenswelten beträchtlichen Zuspruch."
Erklärte Bundesbildungsministerin Annette Schavan kürzlich anlässlich der Eröffnung des Zentrums für Jüdische Studien Berlin-Brandenburg. Das Zentrum soll unter anderem die Lehrangebote der beteiligten akademischen Institutionen zur jüdischen Religion, Geschichte und Kultur bündeln. Ermöglicht wurde das Projekt durch eine großzügige Finanzspritze des Bundesbildungsministeriums in Höhe von knapp 7 Millionen Euro für zunächst fünf Jahre.
Mit diesem Geld wird unter anderem eine Professur für Jüdische Theologie an der Universität Potsdam eingerichtet. Davon profitiert auch das Abraham-Geiger-Kolleg, das seit über zehn Jahren neben der Rabbiner-Ausbildung auch jüdische Studien an der Universität Potsdam anbietet, bisher allerdings nur in bescheidenem Umfang. Der Rektor des Kollegs, Rabbiner Walter Homolka:
"Für uns persönlich ergibt sich durch die Erweiterung des Lehrangebotes an der Universität Potsdam die Möglichkeit, auch die Kernfächer abzudecken, die für jüdische Theologie erforderlich sind, konkret: Die Professur für biblische Exegese ist eine Professur, die das Abraham-Geiger-Kolleg für die Rabbiner-Ausbildung dringend braucht."
Damit ist ein wichtiger Schritt zu einer jüdisch-theologischen Fakultät getan, die das Abraham-Geiger-Kolleg schon seit Jahren fordert; lange Zeit vergeblich, so dass das Kolleg zwischenzeitlich bereits über eine Abwanderung nach Thüringen oder Bayern nachdachte.
Nunmehr sollen aber spätestens ab 2013 insgesamt sechs Professoren in Potsdam an der dann ersten jüdischen Fakultät Deutschlands lehren. Studierende sollen ein Fächerangebot bekommen, wie es für die christlichen und islamischen Theologien an anderen Hochschulen bereits besteht. Die Universität Potsdam unterstütze die geplante Aufwertung nachdrücklich, so der Rektor Oliver Günther:
"Die Religionswissenschaften haben ja schon seit Längerem eine akademische Heimat an der Universität Potsdam. Die Idee wäre schon eine eigenständige wissenschaftliche Einrichtung, vergleichbar mit einer Fakultät, gegebenenfalls auch mit dem Namen Fakultät, die eigenständiges Promotions- und Habilitationsrecht hat."
Die Veranstaltungen der jüdisch-theologischen Fakultät werden dann auch im Vorlesungsverzeichnis des Zentrums für Jüdische Studien abgedruckt. Denn das Zentrum sieht es als seine Aufgabe an, alle Lehrangebote zu jüdischer Religion, Geschichte und Kultur im Berlin-Potsdamer Raum zu koordinieren und übersichtlich zu präsentieren. Vornehmliche Aufgabe aber ist es, eigene Forschungsprojekte durchzuführen. Die Kulturwissenschaftlerin Christina von Braun, Koordinatorin des Zentrums:
"Der erste Schwerpunkt ist jüdische Geschichte, jüdisches Leben in Preußen und im aktuellen Berlin, das heißt die ganze Geschichte seit 1800, seit der jüdischen Aufklärung, natürlich einschließend die Shoah. Der zweite Schwerpunkt ist der Trialog zwischen den drei monotheistischen Religionen Judentum, Christentum und Islam. Der dritte Schwerpunkt ist Memorialkultur, das heißt wie funktioniert Gedächtnis, in welcher Weis kann man an so etwas wie die Shoah erinnern, im Museum oder auch in Texten, in Filmen zum Besipiel."
Mit seinen Forschungsschwerpunkten betritt das Berliner Zentrum ein wissenschaftliches Terrain, auf dem die Heidelberger Hochschule für Jüdische Studien seit mehr als drei Jahrzehnten tätig ist. Der Heidelberger Prorektor Johannes Heil fragt sich daher, ob man tatsächlich zwei große Institutionen auf dem Gebiet der jüdischen Studien in Deutschland brauche. Und noch sei das inhaltliche Profil des Berliner Zentrums vage.
"Mit seiner Ausrichtung will es über die Region und den Raum des Akademischen hinausgreifen und wirken, ohne dass unbedingt in allen Einzelheiten heute schon erkennbar wäre, wie es sich auf das schon bestehende Umfeld an anderen Standorten beziehen will."
Für Berlin spricht allerdings, dass die Hauptstadt die größte Vielfalt jüdischen Lebens in Deutschland bietet und bereits jetzt zahlreiche Wissenschaftler aus den USA, Israel und Osteuropa hierherkommen, um zu jüdischen Themen zu forschen. Für Walter Homolka ist die Errichtung des Zentrums für Jüdische Studien ein positives Signal.
"Es wird dazu führen, dass die jüdischen Studien, die sich ja nach der Shoah weitgehend im Ausland abspielen, dass da auch Deutschland wieder zu einem interessanten Ort wird."
Neben den wissenschaftlichen Aspekten hat die Eröffnung auch eine symbolische Bedeutung, denn das Zentrum sieht sich in der Tradition jüdischer Gelehrsamkeit, wie sie im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts von der Berliner Hochschule für die Wissenschaft des Judentums betrieben wurde, bis sie der Nationalsozialismus auslöschte. Dieser Abgrund lässt sich durch eine Neugründung nicht überbrücken, aber die große Erbschaft deutsch-jüdischer Kultur und Geschichte will das Berliner Zentrum zumindest in Ansätzen neu beleben.
Erklärte Bundesbildungsministerin Annette Schavan kürzlich anlässlich der Eröffnung des Zentrums für Jüdische Studien Berlin-Brandenburg. Das Zentrum soll unter anderem die Lehrangebote der beteiligten akademischen Institutionen zur jüdischen Religion, Geschichte und Kultur bündeln. Ermöglicht wurde das Projekt durch eine großzügige Finanzspritze des Bundesbildungsministeriums in Höhe von knapp 7 Millionen Euro für zunächst fünf Jahre.
Mit diesem Geld wird unter anderem eine Professur für Jüdische Theologie an der Universität Potsdam eingerichtet. Davon profitiert auch das Abraham-Geiger-Kolleg, das seit über zehn Jahren neben der Rabbiner-Ausbildung auch jüdische Studien an der Universität Potsdam anbietet, bisher allerdings nur in bescheidenem Umfang. Der Rektor des Kollegs, Rabbiner Walter Homolka:
"Für uns persönlich ergibt sich durch die Erweiterung des Lehrangebotes an der Universität Potsdam die Möglichkeit, auch die Kernfächer abzudecken, die für jüdische Theologie erforderlich sind, konkret: Die Professur für biblische Exegese ist eine Professur, die das Abraham-Geiger-Kolleg für die Rabbiner-Ausbildung dringend braucht."
Damit ist ein wichtiger Schritt zu einer jüdisch-theologischen Fakultät getan, die das Abraham-Geiger-Kolleg schon seit Jahren fordert; lange Zeit vergeblich, so dass das Kolleg zwischenzeitlich bereits über eine Abwanderung nach Thüringen oder Bayern nachdachte.
Nunmehr sollen aber spätestens ab 2013 insgesamt sechs Professoren in Potsdam an der dann ersten jüdischen Fakultät Deutschlands lehren. Studierende sollen ein Fächerangebot bekommen, wie es für die christlichen und islamischen Theologien an anderen Hochschulen bereits besteht. Die Universität Potsdam unterstütze die geplante Aufwertung nachdrücklich, so der Rektor Oliver Günther:
"Die Religionswissenschaften haben ja schon seit Längerem eine akademische Heimat an der Universität Potsdam. Die Idee wäre schon eine eigenständige wissenschaftliche Einrichtung, vergleichbar mit einer Fakultät, gegebenenfalls auch mit dem Namen Fakultät, die eigenständiges Promotions- und Habilitationsrecht hat."
Die Veranstaltungen der jüdisch-theologischen Fakultät werden dann auch im Vorlesungsverzeichnis des Zentrums für Jüdische Studien abgedruckt. Denn das Zentrum sieht es als seine Aufgabe an, alle Lehrangebote zu jüdischer Religion, Geschichte und Kultur im Berlin-Potsdamer Raum zu koordinieren und übersichtlich zu präsentieren. Vornehmliche Aufgabe aber ist es, eigene Forschungsprojekte durchzuführen. Die Kulturwissenschaftlerin Christina von Braun, Koordinatorin des Zentrums:
"Der erste Schwerpunkt ist jüdische Geschichte, jüdisches Leben in Preußen und im aktuellen Berlin, das heißt die ganze Geschichte seit 1800, seit der jüdischen Aufklärung, natürlich einschließend die Shoah. Der zweite Schwerpunkt ist der Trialog zwischen den drei monotheistischen Religionen Judentum, Christentum und Islam. Der dritte Schwerpunkt ist Memorialkultur, das heißt wie funktioniert Gedächtnis, in welcher Weis kann man an so etwas wie die Shoah erinnern, im Museum oder auch in Texten, in Filmen zum Besipiel."
Mit seinen Forschungsschwerpunkten betritt das Berliner Zentrum ein wissenschaftliches Terrain, auf dem die Heidelberger Hochschule für Jüdische Studien seit mehr als drei Jahrzehnten tätig ist. Der Heidelberger Prorektor Johannes Heil fragt sich daher, ob man tatsächlich zwei große Institutionen auf dem Gebiet der jüdischen Studien in Deutschland brauche. Und noch sei das inhaltliche Profil des Berliner Zentrums vage.
"Mit seiner Ausrichtung will es über die Region und den Raum des Akademischen hinausgreifen und wirken, ohne dass unbedingt in allen Einzelheiten heute schon erkennbar wäre, wie es sich auf das schon bestehende Umfeld an anderen Standorten beziehen will."
Für Berlin spricht allerdings, dass die Hauptstadt die größte Vielfalt jüdischen Lebens in Deutschland bietet und bereits jetzt zahlreiche Wissenschaftler aus den USA, Israel und Osteuropa hierherkommen, um zu jüdischen Themen zu forschen. Für Walter Homolka ist die Errichtung des Zentrums für Jüdische Studien ein positives Signal.
"Es wird dazu führen, dass die jüdischen Studien, die sich ja nach der Shoah weitgehend im Ausland abspielen, dass da auch Deutschland wieder zu einem interessanten Ort wird."
Neben den wissenschaftlichen Aspekten hat die Eröffnung auch eine symbolische Bedeutung, denn das Zentrum sieht sich in der Tradition jüdischer Gelehrsamkeit, wie sie im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts von der Berliner Hochschule für die Wissenschaft des Judentums betrieben wurde, bis sie der Nationalsozialismus auslöschte. Dieser Abgrund lässt sich durch eine Neugründung nicht überbrücken, aber die große Erbschaft deutsch-jüdischer Kultur und Geschichte will das Berliner Zentrum zumindest in Ansätzen neu beleben.