In der Reihe "Das große Innehalten" kommen eine Woche lang namhafte Experten und Expertinnen zu Wort, die anhand von sieben Lebensbereichen beleuchten, was die Pandemie mit uns gemacht hat. Wer werden wir sein, wenn sie vorbei ist? Es geht um die Themen Freundschaft, Vertrauen, Wohnen, Heimat, Wissenschaft, Zeitempfinden und Mode.
Trautes Heim – Glück allein
13:39 Minuten
In unserer Reihe „Das große Innehalten“ beleuchten wir, wie die Coronapandemie in diesem Jahr unser Leben verändert hat. Im fünften Teil sprechen wir mit der Germanistin Susanne Scharnowski über das Thema Heimat.
"Beim ersten Lockdown wurde tatsächlich viel von Heimat gesprochen, also davon, dass wir jetzt, wo wir eben nicht mehr reisen können oder sollen, Zeit und Muße haben, unsere Heimat zu entdecken, vielleicht auch die Schönheiten vor der Haustür", sagt Susanne Scharnowski. Von der Germanistin stammt das Buch "Heimat. Geschichte eines Missverständnisses".
Für 80 bis 90 Prozent der Deutschen sei der Begriff Heimat ausschließlich positiv besetzt, sagt die Wissenschaftlerin: "Da denken sie an Gerichte aus der Kindheit, bestimmte Landschaften oder Dialekte."
"Hygge" statt Heimat
Nun, beim zweiten Lockdown, sei vor allem von "Hygge" die Rede, erklärt Scharnowski. "Hygge" ist dänisch und bedeutet Gemütlichkeit. Man bleibt also eher drinnen und schottet sich nach dem Motto "Trautes Heim – Glück allein" ab. "Da bin ich geschützt und da habe ich auch noch Gestaltungsmacht. Draußen entzieht sich viel meiner Kontrolle. Ich habe viele Regeln, die ich beachten muss. Aber zu Hause bin ich auch frei."
Heimat sei weit mehr als das eigene Zuhause, erläutert Scharnowski. So habe Ende der 1920er-Jahre der Pädagogikprofessor Eduard Spranger für diesen Begriff das Bild der konzentrischen Kreise geprägt: "Das fängt an mit meinem ganz privaten Raum, dehnt sich aber immer weiter aus. Dazu gehört tatsächlich auch das Erleben eines Gemeinwesens – und potenziell auch die ganze Welt." Also eine durchaus kosmopolitische Vorstellung, sagt Scharnowski.
Doch aktuell erlebten wir ein Zusammenschrumpfen des öffentlichen Raumes, sagt die Germanistin. "Für mich persönlich ist es tatsächlich ein gewaltiger Heimatverlust".
(ckr)