DVD "Ein Hells Angel unter Brüdern"
Indi Film Produktion / Farbfilm Verleih / Lighthouse Home Entertainment
EAN 4250128414197
Der nette Hells Angel von nebenan
Der Regisseur Marcel Wehn hat mit "Ein Hells Angel unter Brüdern" einen Film über den Fotografen und Präsidenten des Stuttgarter Angels-Ablegers, Lutz Schelhorn, gedreht. Kein Film über die Hells Angels, sondern eher das Porträt eines Angels.
Lutz Schelhorn: "Für die Öffentlichkeit sind Rocker Kriminelle. Punkt."
Ein Hells Angel unter Brüdern: Der Film fängt an mit der eindrucksvollen Rocker-Beerdigung von Lutz Schelhorns Bruder: Motorradunfall, kein Mordanschlag ... Solche Dinge passen nicht in das Leben von Lutz Schelhorn - und auch nicht von seinen grad mal 23 Brüdern vom Hells Angels Charter Stuttgart, dessen Präsident Lutz Schelhorn ist. Außerdem ist der ehemalige Lkw-Fahrer inzwischen Fotograf, hat eine Kunstaktion am Stuttgarter Judendeportations-Bahnhof gemacht und, mit seiner Tochter zusammen, einen Fotoband rausgebracht, der das immer schlechter werdende Image der Angels in der Öffentlichkeit geraderücken soll. Dabei war das auch früher schon nicht gut.
Tochter Schelhorn: "Naja, mein Vater erzählt immer eine Geschichte, da hat er mich mit dem Motorrad zur Schule gebracht, da war ich in der zweiten Klasse glaube ich, und da hat uns die Polizei abgefangen direkt vor der Schule - und alle standen noch draußen ..."
Mission als Angels-Präsident
Der Film "Ein Hells Angel unter Brüdern" handelt von diesem Lutz Schelhorn, Baujahr 59, von seinem Leben - und seiner Mission als Angels-Präsident.
Schelhorn: "Der Club ist für mich auch Familie - wie früher ne Großfamilie, wo man alles zusammen geplant hat, zusammen gemacht hat, wo man sich drauf verlassen konnte auf den andern - solche Sachen."
Die Schelhorns und ihre Biker-Freunde sind harmoniebedürftige Menschen - und misstrauisch. Über fünf Jahre hinweg hat Regisseur Marcel Wehn sie immer wieder bei ihren Ausfahrten begleitet - nach Berlin, Bonn, Hamburg, Hof und zum Biker-Dorfkneipenwirt. Und es war nicht immer gemütlich, das spürt man auch als Zuschauer.
Romantik, für die Maffay Goldene Schallplatten kriegt
Aber in die Städte, die in den Medien stehen, weil dort von Rockern Kapitalverbrechen begangen werden und Bandidos und Hells Angels sich gegenseitig umbringen, seit einige Angels-Charter zur Organisierten Kriminalität übergewechselt sind - da sind sie nicht hingefahren. Denn auch wenn die Gewalt der "Brüder" gelegentlich in ihre Welt hineinlappt: Tatsächlich, so sagen Kenner der Szene, leben die meisten deutschen Hells Angels so wie Schelhorn: Das ist die Romantik, für die Peter Maffay Goldene Schallplatten kriegt.
Schelhorn: "Früher war es der Wunsch nach Freiheit - also so ein bisschen ausbrechen aus dieser Gesellschaft und Rebellion. Freisein war auf dem Ofen sitzen können, wann ich wollte, und dahin gurken wo ich wollte, und auch bleiben so wie ich wollte – und ohne Helm damals noch, ne ..."
Heute sind die Gesetzesverstöße bei vielen Hells Angels andere als, ohne Helm zu fahren.
"Freiheit, Abenteuer oder Marlboro-Man, das sind alles Wünsche! Dieser Rocker mit wehenden Haaren, Peter Fonda, das ist ein wahnsinnig schönes Bild. Aber es entspricht der Wirklichkeit, denke ich, nur sehr unzureichend."
Heute sind die Gesetzesverstöße bei vielen Hells Angels andere als, ohne Helm zu fahren.
"Freiheit, Abenteuer oder Marlboro-Man, das sind alles Wünsche! Dieser Rocker mit wehenden Haaren, Peter Fonda, das ist ein wahnsinnig schönes Bild. Aber es entspricht der Wirklichkeit, denke ich, nur sehr unzureichend."
Zerrbild vom bösen kriminellen Angel
Das sagt der ehemalige Kommissar Willi Pietsch, der bis voriges Jahr in Stuttgart für Subkulturen zuständig war: für Punks, für die Technoszene - und eben auch für die Hells Angels. Er äußert sehr skeptische Einschätzungen in diesem Film. Der "Stern"-Reporter Kuno Kruse hingegen nimmt auseinander, wie sehr - nach seiner eigenen Erfahrung - deutsche Behörden und Medien auf ihrem Zerrbild vom bösen kriminellen Angel beharren.
Dabei hat Lutz Schelhorn selbst mal ein Jahr in Untersuchungshaft gesessen hat - Bildung einer kriminellen Vereinigung, Förderung der Prostitution, Zuhälterei, Vergewaltigung: Nach einem 15-monatigen Prozess wurde er freigesprochen.
Mutter Schelhorn: "Da hat er mir das erklärt: Mutti, da ist nichts dabei, ich habe nichts verbrochen. Und da wusste ich Bescheid."
Freiheit, Loyalität, Ehre
Den Regisseur Wehn interessiert nicht die Aktenlage von damals, ihn interessiert die Struktur eines anachronistischen, archaischen und von der Gesellschaft ausgegrenzten Vereins, der sich auch selbst hermetisch verschließt und dabei strikt ziemlich altmodische Werte verfolgt: Freiheit, Loyalität, Ehre - auch um den Preis, dass es wehtut.
Junger Angel: "Klar, guck mal an, wenn zwei Alphatiere aufeinandertreffen: Klar musst du auf alles gefasst sein. Das ist ja hier kein Fischerverein."
Hippies mit Motorrädern
Und so ist "Unter Brüdern" eben kein Film über die Hells Angels geworden, sondern eher das Porträt eines Angels und seiner manchmal etwas irritierenden Ansichten und Probleme: Die Ballade von Lutz Schelhorn, einem etwas traurigen Mann am unübersichtlichen Rande des Scherbenhaufens seiner Jugendträume: Die kann man in zwei Minuten Super8-Schnipseln am Schluss sehen - von den wilden, verrückten Anfängen ... dem Übermut ... dem Freiheitsdrang ... wie Hippies mit Motorrädern!
Schelhorn: "Wir versuchen das halt immer noch so frei wie möglich miteinander zu leben im Club. Aber im Augenblick ist die Freiheit halt futsch."
Tochter: "Also, tschüss! - Tschüss ..."