Heimkino

Serien-Stoff aus Flandern

Eine Fernbedienung wird am 09.01.2012 in Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen) in Richtung eines Fernsehers gehalten.
Jörg Taszman stellt zwei sehenswerte Serien aus Belgien vor. © picture alliance / dpa / Caroline Seidel
Von Jörg Taszman |
Gute Serien müssen nicht immer aus den USA kommen. Jörg Taszman empfiehlt in unserer "Heimkino"-Rubrik zwei Produktionen aus Belgien - die Krimiserie "Code 37" und die bitterböse Miniserie "Clan".
"Code 37" steht in Belgien für Sexualdelikte. Die Sitte der Stadt Gent wird von der unkonventionellen, weiblichen Chefin Hanna Maes geleitet. Mit ihren männlichen Kollegen Charles, Kevin und Bob hat sie sich schon in der ersten Staffel zusammengerauft. Dabei ist Bob ein übler Macho, Charles sehr old school und der junge Kevin eigentlich noch ein Grünschnabel. In den einzelnen Folgen setzen die Macher von "Code 37" inhaltlich auf komplexe Handlungsstränge und visuell auf eine erfrischende Bildsprache. Es geht um harte Themen wie Vergewaltigung, Prostitution, Pädophilie und Gewalt in der Familie, aber die Täter werden bei weitem nicht so klischeehaft skizziert wie in herkömmlicher TV Krimikost, wo man sie meist schon an ihrem Äußeren erkennt. Außerdem sorgen der mitunter derbe Humor zwischen den Kollegen und interessante Nebenstränge für Unterhaltung und zusätzliche Spannung. Gleich in der ersten Folge der zweiten Staffel wird Hanna Maes suspendiert.
Inhaltlich ist man in "Code 37" viel näher an der Realität als in vielen deutschen Tatorten oder Polizeirufen. Nicht in jeder Folge geschehen gleich Morde. Die Zwiespältigkeit zwischen Lust, Erotik, Sexualität und Verbrechen wird mit diversen Zwischentönen thematisiert. In der zweiten Staffel nimmt die Nebenhandlung um die Beziehung zwischen Hanna Maes und ihrem Vater - einem einflussreichen Staatsanwalt - einen größeren Raum ein.
Hauptdarstellerin Veerle Baetens konnte man kürzlich auch in der ZDF-Serie "Das Team" als Ermittlerin sehen. In "Code 37" spielt sie jedoch eine wesentlich charismatischere Figur. Veerle Baetens verkörpert Hanna Maes als eine moderne, junge Single-Frau voller Macken und Kanten. Deutsche Kinozuschauer erinnern sich bestimmt auch an ihre emotionale und herausragende Darstellung einer Country Sängerin in "The Broken Circle". Und so sind es auch die überzeugenden Darsteller, die diese überdurchschnittlich gute Krimiserie bereichern.
"Clan" spielt genüsslich mit Versatzstücken des schwarzen Humors
Bekannte Gesichter aus dem flämischen Kino sieht man auch in der bitterbösen, schwarzen Familienserie "Clan". In einem verlassenen Kaff haben sich die fünf ganz unterschiedlichen Goethals-Schwestern zur Beerdigung ihres Schwagers und Ehemanns Jean Claude getroffen. Der Pfarrer lobt den Verstorbenen in den höchsten Tönen. Das löst bei einer der Schwestern schon mal einen Lachkrampf aus.
Der Verblichene Jean Claude war nämlich ein Ekel. Mit anonymen Anrufen terrorisierte er nicht nur die Nachbarschaft , sondern vor allem seine Schwägerinnen. Geschickt wird "Clan" auf zwei Ebenen erzählt. Im Heute nach dem Tod von Jean Claude und in langen Rückblenden, die von diversen fiesen Machenschaften des verhassten Mannes erzählen. Besonders berüchtigt war sein böses Mundwerk auf Familienfeiern. Zu Weihnachten erniedrigt er verbal die jüngste Goethals-Schwester Rebekka, die laufend die Liebhaber wechselt und Eva, die älteste, die keine Kinder bekommen kann.
"Clan" spielt genüsslich und amüsant mit Versatzstücken des schwarzen Humors und mit Urinstinkten bei Familienstreitigkeiten. Wer wünscht den lieben Verwandten nicht mitunter mal die Pest an den Hals? Wer würde nicht auch einmal den Zufall bemühen, um ein besonders verhasstes Familienmitglied auszuschalten? "Clan" treibt diese allzu menschlichen Instinkte und Rachegefühle schön auf die Spitze. Dabei wirkt die Miniserie wie eine raffinierte Soap Opera, ist jedoch bei weitem nicht so realitätsfern wie beispielsweise "Desperate Housewives". So müssen die vier Schwestern, die am Tod von Jean Claude alles andere als unschuldig waren, vor allem die beiden Brüder einer Versicherungsfirma fürchten.
Auch wenn beide belgischen Serien wirklich zur besseren TV Unterhaltung gehören, regiert bei der Ausstattung der DVDs und Blu Rays eher deutsche Sparsamkeit. Auf Extras wird wie so oft ganz verzichtet. Bei "Code 37" gibt es nur die deutsche Synchronfassung und "Clan" spendiert man immerhin noch zusätzlich eine flämische Tonspur der Originalfassung. Deutsche Untertitel - noch nicht einmal für Hörgeschädigte - sucht man vergeblich.
Dafür sind beide Titel immerhin optisch ideal auf DVD und Blu Ray verewigt. Und man muss bei aller Kritik an der technischen Umsetzung doch die deutschen Anbieter loben, die beide Serien, die so schön rau, aber herzlich sind, nun auf der Silberscheibe verewigt haben.