Wackere Helden reiten immer weiter
Totgeglaubte leben länger: Die Zeit der großen epischen Western und ihrer Helden ist zwar vorbei, doch Protagonisten auf dem Pferd faszinieren auch in Neo-Western. Sie reiten also immer wieder. Hartwig Tegeler hat die Schauspieler im Sattel genauer betrachtet.
"Mister, über mich können Sie sagen, was Sie wollen, aber ich muss Sie bitten, nicht so abfällig über mein Pferd zu sprechen."
Damit das klar ist.
Und jetzt durchs Filmbild galoppieren.
Sicher ein Klischee, aber wenn das so sehr noch verbunden ist mit unseren Traumbildern, dann liegt es auf der Hand, dass Robert Duvall am Anfang seines Neo-Western "Wild Horses" aus der texanischen Weite im Galopp auf uns zureitet. Duvall selbst, Mitte 80, soweit zu erkennen, kein Stuntman. Was für ein Ritt. Was für ein Pferd, was für ein Reiter!
Robert Duvall, vor einigen Jahren neben seiner Arbeit als Schauspieler und Regisseur einer der bekanntesten Springreiter in den USA, hat in vielen Film eindrucksvolle Vorstellungen als lakonischer, verschmitzter, geerdeter Westerner zu Pferde gegeben. In Walter Hills "Geronimo", in Kevin Costners "Open Range". Oder in der Miniserie "Lonesome Dove - Weg in die Wildnis" von 1989 an der Seite von Tommy Lee Jones. Tommy Lee Jones, gebürtiger Texaner, ebenfalls begnadeter Reiter und wie seine Figur des Texas Rangers in "Lonesome Dove" eine wahrer Lakoniker, wenn es um die Definition des Genres geht.
Tommy Lee Jones: "Über die Jahre habe ich den Eindruck bekommen, Western sind Filme mit Pferden und großen Hüten. Pferdeopfer eben. Wobei die großen Hüte für den Film wertvolles Handwerkszeug sind. In der Regel nämlich ist beim wilden Ritt im weiten Land, aufgenommen in der Totalen oder Halbtotalen, das Gesicht des Stars durch die Hutkrempe verdeckt. Das kaschiert den Umschnitt vom Star auf den Stuntman. Bei der Büffeljagd in 'Der mit dem Wolf tanzt", eine der unfassbarsten, inzwischen klassischen Reitszenen der Filmgeschichte, war das allerdings nicht nötig. Kevin Costner ritt - ohne Hut - die ganze Sequenz selbst, obwohl er gerade vorher vom Pferd gefallen war."
Warnung vor Kindern und Tieren am Set
Alfred Hitchcocks Warnung vor Kindern und Tieren am Set lässt sich auch beziehen auf reitende Schauspieler. Den Vierbeiner unten in Kombination mit dem Zweibeiner oben zu kontrollieren, ist für den Regisseur eine Kunst für sich. Ausnahmen bestätigen dabei die Regel: Kevin Costner, Robert Redford, Orlando Bloom, Matt Damon, Cate Blanchett, wie gesagt Robert Duvall, Tommy Lee Jones und natürlich Viggo Mortensen, der Cowboy in "Hidalgo" und König Aragorn im "Herrn der Ringe". Im Bonusmaterial von "Der Herr der Ringe" geht es auch um die Reitszenen in Peter Jacksons Tolkien-Verfilmung. Wie ein guter Text, den ein Schauspieler immer wieder üben muss, damit er nicht wie ein Text wirkt, so bedeutet auch das überzeugende Reiten vor der Kamera vorher üben, üben, üben.
Pferdetrainer Peter Jackson: "Viggo, erzählt der Pferdetrainer, kam immer vor Arbeitsbeginn ans Set. Fing sein Pferd ein, putzte, sattelte es und ritt dann aus. - Er wollte die Bindung zwischen seiner Figur Aragorn und dessen Pferd so darstellen, fügt Regisseur Peter Jackson hinzu, dass man sie als Zuschauer spüren konnte."
Das grundsätzliche Problem bei Pferden ist, dass man sie nicht belügen kann. Ergo, sagt Geoff Murphy, Second-Unit-Regisseur vom "Herrn der Ringe":
"Sobald ein Schauspieler aufsitzt, wissen die Pferde schon, wie viel er als Reiter taugt. Sobald der Schauspieler 'Hü' sagt, um das Pferd anzutreiben, weiß das Pferd schon, ob es ihm ernst ist oder nicht. Und machen bei Nicht-Reitern, was sie wollen."
Nun kommen natürlich auch die filmischen Reiter-Ikonen ins Alter. Robert Duvall ist Mitte 80, Tommy Lee Jones in seinen Siebzigern und auch Viggo Mortensen steuert auf die 60 zu. Robert Duvall hat dafür in seinem Film "Wild Horses" ein schönes Bild gefunden:
Der alte Rancher, den er selbst spielt, kommt in die Reithalle, wo sein Sohn das Pferd des Vaters schon gesattelt hat und eine Aufstiegshilfe bereit steht, damit der Vater rauf kommt.
Wirkt wie verschmolzen mit dem Pferd
Ja, hier oben fühle er sich immer noch am wohlsten, sagt er. Wobei nicht vergessen werden darf, dass Bei all dem geht es im Film nie um das technisch "gute Reiten", sondern um das Gefühl, dass einer verschmolzen wirkt mit dem Pferd.
"Wunsch Indianer zu werden" heißt eine Prosa-Skizze von Franz Kafka.
Zitat: "Wenn man doch ein Indianer wäre, gleich bereit, und auf dem rennenden Pferde, schief in der Luft, immer wieder kurz erzitterte über dem zitternden Boden, bis man die Sporen ließ, denn es gab keine Sporen, bis man die Zügel wegwarf, denn es gab keine Zügel, und kaum das Land vor sich als glattgemähte Heide sah, schon ohne Pferdehals und Pferdekopf."
Also dieser Text vom Anfang des 20. Jahrhunderts schon das Film-Bild in "Der schwarze Hengst" beschreibt, vielleicht besser erfühlt, wenn der Junge, ohne Sattel, ohne Zaumzeug, auf dem Araberhengst durch den Sand galoppiert.