Heimliche Nachrichtenübermittlung

"Father is dead" telegrafierte im Ersten Weltkrieg eine Familie ihrem Sohn, der in den Niederlanden als US-Soldat stationiert war. Der misstrauische Zensor ließ die Nachricht jedoch nur mit verändertem Wortlaut passieren: "Father is deceased". Prompt ging ein Telegramm zurück: "Is father dead or deceased?" – "Ist Vater tot oder gestorben?"
In der heimlichen Nachrichtenübermittlung liegt die Tücke im Detail, zeigt Klaus Schmeh an zahlreichen Beispielen in seinem Buch "Versteckte Botschaften". Der Autor gibt erstmals einen Überblick über die Geschichte des Datenschmuggels und macht deutlich: Steganografie begegnet uns auf Schritt und Tritt – ohne, dass wir sie bemerken.

Das Online-Magazin Telepolis widmet sich seit über zehn Jahren dem Netzleben: von Politik über wissenschaftliche Innovationen bis zu Entwicklungen in digitaler Kultur reicht das Spektrum der Themen. Doch immer wieder will das Magazin über den Rand des Bildschirms hinaussehen und greift in seiner Offline-Reihe "Telepolis-Bücher" Phänomene auf, die nicht direkt auf das Internet bezogen sind. Dazu gehört auch die Geschichte der Steganografie, zu Deutsch: des "Datenschmuggels". Ein Thema, das zwar viel Raum zum Spekulieren und für mystische Verklärungen lässt, jedoch bislang nicht überblicksartig aufbereitet worden ist. Mit dem Informatiker Klaus Schmeh, Jahrgang 1970, hat der kleine Heidelberger d.punkt-Verlag genau den Richtigen für solch ein Geschichtsbuch gefunden.

Die Kunst der verborgenen Speicherung und Übermittlung von Informationen gab es bereits bei den Alten Griechen. Steganografische Techniken wurden erstmals von Herodot dokumentiert. Er berichtet, wie einem Sklaven eine geheime Botschaft auf das kahle Haupt tätowiert wurde. Erst als die Haare nachgewachsen waren, konnte er sich auf den Weg machen, die Nachricht zu überbringen. Seit diesen – nachgewiesenen – Anfängen durchziehen die Versuche, Daten von A nach B zu schmuggeln, die gesamte Menschheitsgeschichte. Schmeh führt den Leser im ersten Teil seines Buches durch die ganze Vielfalt der Erfindungen, mit denen Informationen für den Weitertransport unsichtbar gemacht werden können. Er erzählt von Versuchen, Daten physisch zu verstecken: auf Mikrofilmen im Schuhabsatz, in der Anreihung von Maschen eines Wollpullovers, in Toten Briefkästen, mittels Geheimtinte oder ganz einfach auf einem Spickzettel für die Klassenarbeit. Genauso populär bis heute: Das Verstecken von Nachrichten in Bildern sowie gesprochenen und geschriebenen Texten, etwa als Codewörter in Briefen und Telegrammen.

Als stärkster Motor für steganografische Erfindungen entpuppen sich Kriege, in denen der heimliche Austausch von Informationen über Sieg und Niederlage entscheiden kann. Aber auch wenn es darum geht, sich persönliche Vorteile zu verschaffen – etwa beim Kartenspielen oder bei vermeintlichen Magiern wie Uri Geller – ist das unbemerkte Übermitteln von Daten gefragt.

Den zweiten Teil seiner Steganografie-Geschichte hat Schmeh ebenso prall gefüllt mit Beispielen aus der Datenschmuggel-Praxis. Noch einmal zieht Schmeh den Bogen von den Alten Griechen bis ins heute und wirft dabei auch einen Blick auf den computerbasierten Nachrichtenschmuggel. Hier werden Informationen in digitalen Daten und Bildern versteckt – zum Beispiel um unerlaubtes Kopieren zu verhindern. Amüsant ist der Schlussteil des Buches, in dem es um Para-Stenografie geht und den damit verbundenen Hype um den vermeintlichen Nostradamos- und Da Vinci-Code, die Schmeh als Legende entlarven möchte.

Klaus Schmeh legt in seinem Buch – wie er selbst schreibt – auf eine systematische Aufbereitung der Entwicklung der Steganografie keinen Wert. Vielmehr geht es ihm um Spannung und gute Lesbarkeit. So besteht denn das Interessante an dieser Steganografie-Geschichte tatsächlich in der Vielfalt und der Buntheit der Fälle, die der Autor – aufwendig recherchiert – zu Tage gefördert hat. Wer das Buch liest, darf sich nicht nur gut unterhalten fühlen, sondern erwirbt mit Sicherheit gute Voraussetzungen, um in einem Fernsehquiz ganz abseitige Fragen beantworten zu können. Etwa diese: Ist Vater tot oder gestorben …?

Rezensiert von Vera Linß

Klaus Schmeh: Versteckte Botschaften. Die faszinierende Geschichte der Steganografie
Heise Verlag, Hannover 2009
234 Seiten, 18 Euro