Eine bessere Welt zimmern
Auch die linksalternative Szene heimwerkelt gern - allerdings mit politischem Anspruch. Die Dinge selbst in die Hand nehmen, nicht auf den Staat warten: Andreas Baum hat ehemalige Instand-Besetzer getroffen.
"Die Öfen waren kaputt, die Treppengeländer waren geklaut, die Klos waren vollgeschissen oder kaputt oder nicht mehr vorhanden. Wie es halt so aussieht in einem leerstehenden Haus, in das jeder reingehen kann zwei Jahre lang."
Helmut von Arentsschild, der heute die Werkstätten eines Berliner Theaters leitet, war 1980, als das Haus in der Potsdamer Straße 130 von ihm und seinen Mitstreitern besetzt wurde, gelernter Tischler. Er konnte vom ersten Tag an anpacken. Auf Flugblättern wurden die Nachbarn eingeladen, mitzuarbeiten. Die Instandbesetzer schotteten sich nicht ab, zu renovieren - und darüber zu reden - war Teil ihrer politischen Praxis.
Zitat: "Wir werden Zimmer für Zimmer instand setzen und freuen uns über jede Hilfe: Material, Werkzeug, selber anpacken, sogar Geld nehmen wir. Polizeibeamte sind selbstverständlich von dieser Einladung ausgeschlossen."
"Wir waren der Meinung: Wir können das besser"
"Wir waren schon irgendwie der Meinung damals, wir könnten das besser, die Häuser modernisieren, als die anderen. Obwohl das natürlich Quatsch war. Das war schon ein bisschen Hybris, weil die anderen konnten das natürlich auch. Die hatten bloß andere Vorgaben."
Nämlich luxuriösen Wohnraum zu schaffen, den sich niemand in der Nachbarschaft würde leisten können. Die meisten Investoren hatten nicht die Absicht, überhaupt zu renovieren: Sie spekulierten auf den Abriss der Häuser. Weshalb die Hausbesetzer, die sich konsequent gegen die Kahlschlagarchitektur stellten, bald respektiert wurden - bis weit in bürgerliche und wertkonservative Milieus hinein. Helmut von Arentsschild:
"Es wurde anerkannt, dass man sich große Mühe gab, diese Häuser zu erhalten. Aber auf der anderen Seite lief das ja parallel zu einem politischen Aufstand, Krawall und Steine schmeißen. Wir galten schon als Krawallheinis. Es gab einzelne, die anerkannt haben, dass man hier und da was gestrichen hat. Davon sah man aber auch von außen nicht so viel."
Selbständiges Handwerken als Teil des Diskurses
Auch wenn nicht alle Aktivisten von damals die Parallelen der Instandbesetzerbewegung zur Heimwerkerkultur sehen wollen, so ist die Mannheimer Historikerin Reinhild Kreis doch der Meinung, dass sie zur ihrer Akzeptanz viel beigetragen haben. Das selbständige Handwerken war Teil des politischen Diskurses, sagt sie.
"Es ist ganz, ganz, ganz schwer, gegen jemanden zu argumentieren, der eine konstruktive Aufbauleistung erbringt. Ich warte nicht darauf, dass mir jemand anderes hilft, ich zeige mal, wie man es besser machen kann, das ist etwas, was in der Gesellschaft sehr viele Sympathien erregt hat, insbesondere auf dem Gebiet er Wohnungspolitik, wo ja die Wohnungsnot für viele Menschen einen Bezugspunkt zum eigenen Leben gebildet hat."
Denn wenn es ums Handwerk ging, sprachen Instandbesetzer und liberale Öffentlichkeit die gleiche Sprache. Und die Besetzer grenzten sich ab gegen die Ideologielastigkeit der Achtundsechziger: Sie redeten über Sanitäranlagen, Hausschwamm, Sanierungskosten und bauliche Alternativen - und wurden verstanden.
"Als ich mir angeschaut habe, was machen die Leute eigentlich in diesen Häusern, welche Aufgaben führen die aus, welche Materialien brauchen sie, welches technische Know How brauchen die, ergeben sich daraus viele Parallelen. Grundsätzlich sind es ähnliche Tätigkeiten."
In den 80ern boomt der Selbsthilfegedanke
Reinhild Kreis weist nach, dass die Instandbesetzer Kinder ihrer Zeit waren und keinesfalls so quer zum Mainstream lagen, wie bis heute viele glauben: In den Achtzigerjahren boomte der Selbsthilfegedanke, in der Medizin, in der Erziehung, in der sexuellen Emanzipation und eben auch in der Stadtplanung. Die Instandbesetzer waren besonders sichtbar - einzigartig waren sie nicht. So sieht das auch der Berliner Stadtsoziologe Armin Kuhn.
"Do it yourself ist ja in der Punk-Bewegung, Musik-Szene, Wagenplatz, auch in der Hausbesetzungsbewegung, die Dinge anzupacken, raus aus der Konsumgesellschaft, sich selbst ermächtigen, das ist ja der Kern der politisch gedachten DIY-Kultur."
Nicht auf den Staat zu warten, nicht auf Autoritäten zu setzen, selbst anzufangen, zu zeigen, wie es geht: diese ursprünglich durch den Anarchismus inspirierte Haltung breitete sich aus – weit über die Instandbesetzer hinaus.
"Diese Alternativkultur, in der dieser DIY, Do-it-yourself-Gedanke so präsent war, auch die Punk-Kultur, sind ja Subkulturen, die quer liegen zu politischen Bewegungen und auf verschiedene politische Bewegungen Einfluss gehabt haben. Es ist ja auch das gesamte Spektrum von Umwelt-Bewegungen, Anti-AKW-Bewegungen, Friedensbewegungen, das war ja immer ein Teil davon: Einerseits sich zu politisieren, Protest zu organisieren. Aber eben auch das andere Leben vorwegzunehmen."
Umdenken in der Stadtplanung
So hat die Instandbesetzerbewegung bereits in den Achtzigern zu einem Umdenken in der Stadtplanung geführt. Sie hat Innenstädte verwandelt, lebenswert und attraktiv gemacht - und sie hat Biographien verändert.
"Laurisch, hallo?"
Bernd Laurisch - nur telefonisch erreichbar - ist heute Architekt in Darmstadt. 1979 besetzte er ein Haus in der Kreuzberger Cuvrystraße. Später vermittelte er zwischen Senat und Besetzern - und plante die Sanierung der Häuser in seinem eigenen Architekturbüro. Trotz aller Gentrifizierung, sagt er, ist der Einfluss der Bewegung in Vierteln wie Kreuzberg bis heute sehr deutlich.
"Wir hatten vor kurzem um die Ecke den Fall eines Gemüsehändlers, der da per Mieterhöhung rausgetrieben werden sollte, wo der ganze Stadtteil jetzt nach so langer Zeit aufgestanden ist, wo wir alten Hausbesetzer dabei waren, aber auch die 20-jährigen englischen Studenten und da war eigentlich ein breites Bündnis zu spüren gegen diese Sanierung und die ist in anderen Stadtteilen, in anderen Städten, nicht zu spüren."
Handwerkliche Fertigkeiten, politisch hochwirksam
Und dass handwerkliche Fertigkeiten politisch hochwirksam sein können, zeigt eine Anekdote, die Laurisch von damals erzählt: Als die Besetzer der Oranienstraße 44 ihr Haus für ein paar Stunden verlassen hatten, um mit der Wohnungsbaugesellschaft Verträge abzuschließen, versuchte die Berliner Polizei in der Zwischenzeit, das Haus zu räumen und abzusperren.
"Das ist nur deshalb nicht gelungen, weil die Hausbesetzer am Abend vorher die Hausnummern vertauscht haben und dadurch war die Polizei im falschen Haus."