Heiner Geißler zu Grün-Schwarz

"Ein Bündnis für die Zukunft"

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Der CDU-Politiker Heiner Geißler © picture alliance / dpa / Horst Galuschka
Heiner Geißler im Gespräch mit Liane von Billerbeck |
Im Ländle bahnt sich eine grün-schwarze Koalition an. Für den CDU-Politiker Heiner Geißler, selbst Schwabe, ist dieses Bündnis längst auch auf Bundesebene vorstellbar. In Baden-Württemberg habe der Widerstand der CDU gegen die Energiewende dies bislang verhindert.
Heiner Geißler, CDU-Politiker und Schwabe, begrüßt eine mögliche Grün-Schwarze Koalition in Baden-Württemberg.
"Ich vertrete ja schon seit 25 Jahren die Auffassung, dass es nicht sehr intelligent ist, wenn die CDU sich nur auf einen Koalitionspartner festlegt, nämlich die Liberalen. Wenn die eines Tages nicht mehr zur Verfügung stehen, dann steht man natürlich ziemlich dumm da – während die Sozialdemokraten mit allen eine Koalition abgeschlossen haben", sagte Geißler im Deutschlandradio Kultur.

Trittin war dagegen

Er sehe in der sich anbahnenden Koalition in Baden-Württemberg "ein Bündnis für die Zukunft". Auch auf Bundesebene wäre eine solche Koalition schon 2013 möglich gewesen, doch "Jürgen Trittin, der sonst ein vernünftiger Mensch ist, hat es verhindert. Sonst hätten wir heute keine große Koalition."
Lange Zeit sei das große Problem der baden-württembergischen CDU gewesen, "dass die Schwierigkeiten gemacht haben mit der Energiewende." Die Partei habe viel zu lange gebraucht, den von der Bundesregierung ausgerufenen Abschied von der Kernenergie mitzutragen. Dies sei "im Ländle" der erste Bruch des Vertrauens der Bevölkerung gegenüber der CDU gewesen. Diese sei bis zuletzt nicht mehr "auf der Höhe der Zeit" gewesen.

Liane von Billerbeck: Baden-Württemberg steuert auf die bundesweit erste grün-schwarze Landesregierung zu. Im Mai schon könnte es sie geben unter Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Heute beim ersten Treffen sollen die Koalitionsvorhandlungen vorbereitet werden. Weil wir aber ein bisschen das Gefühl hatten, dass es in der Südwest-CDU ein paar mehr Vorbehalte gegen grün-schwarz gibt, wollen wir mit einem sehr erfahrenen Politiker der Union sprechen, mit Heiner Geißler, einst Bundesminister und Generalsekretär der CDU bis 2002 im Bundestag, jahrelang stellvertretender Vorsitzender der Unionsbundestagsfraktion und außerdem Schlichter zahlreicher Tarifkonflikte. Zuletzt war er auch Schlichter beim Projekt "Stuttgart 21", und, was in diesem Zusammenhang wahrscheinlich fast genauso wichtig ist, er ist Schwabe.
Herr Geißler, guten Morgen!
Heiner Geißler: Guten Morgen, Frau von Billerbeck!
Billerbeck: Sind die Grünen mittlerweile die bessere CDU?
Geißler: Das kann man sicher so nicht sagen, vor allem gilt es nicht für alle Landesverbände, zum Beispiel nicht für die Grünen in Reinland-Pfalz, aber ...
Billerbeck: Wir reden ja über die in Baden-Württemberg.

Nicht auf einen Koalitionspartner festlegen

Geißler: Wir reden über die in Baden-Württemberg, und die wollten schon lange. Also die ersten Kontakte für eine damals schwarz-grüne Koalition entstanden schon 1992. Der Oettinger wollte das, der Erwin Teufel, sogar der Wolfgang Schäuble, ist dann von der CDU, also von einem Teil der CDU, verhindert worden. Ich vertrete schon seit 25 Jahren die Auffassung, dass es nicht sehr intelligent ist, wenn die CDU sich auf einen Koalitionspartner festlegt, nämlich die Liberalen. Wenn die dann eines Tages nicht mehr zur Verfügung stehen, dann steht man natürlich ziemlich dumm da, während die Sozialdemokraten mit allen eine Koalition abgeschlossen haben. Außerdem haben sie die Inhalte auch seit der Gründung der Grünen auf beiden Seiten verändert und angenähert. Daran muss man sich jetzt erinnern.
Billerbeck: Das heißt, die einstigen ideologischen Gräben sind zugeschüttet, oder waren die in Baden-Württemberg ohnehin etwas flacher?
Geißler: Sie waren in Baden-Württemberg in bestimmten Punkten etwas komplizierter.
Billerbeck: In welchen?

"CDU war in Baden-Württemberg nicht mehr auf der Höhe der Zeit"

Geißler: Die Annäherung erfolgte in der Frage der Atomenergie. Da gibt es eigentlich die Einigkeit in der Ausländerpolitik, die NATO-Mitgliedschaft Europa. Das waren so Hemmnisse, so Hindernisse. In Baden-Württemberg ging das Elend der CDU damit los, dass die Schwierigkeiten gemacht mit der Energiewende. Die haben damals sogar den Rücktritt des damaligen Bundesumweltministers Röttgen verlangt, Ministerpräsident Mappus, weil der gesagt hat, wir müssen aus der Kernenergie raus. Dann kam die Energiewende, von Angela Merkel in Gang gesetzt. Dann hat die CDU in Baden-Württemberg viel zu lange gebraucht, um das mitzumachen, und als sie es dann endlich getan hat, dann war eben dieses Ja-Sagen zur Energiewende in Baden-Württemberg, im Ländle, nicht mehr glaubwürdig. Das war so der erste Bruch des Vertrauens der Bevölkerung gegenüber dieser großen alten Partei. So ist es dann weitergegangen. Auch in der ganzen Flüchtlingspolitik im letzten Landtagswahlkampf. Die CDU war in Baden-Württemberg einfach nicht mehr auf der Höhe der Zeit.
Billerbeck: Das heißt, sie hätte besser dem Satz von Wolf Biermann folgen sollen, nur wer sich ändert, bleibt sich treu?

Ein Modell für die Zukunft

Geißler: Ja, das ist immer so. Weil sie behauptet, Angela Merkel habe in der CDU einen Linksruck vorgenommen, also das ist nun das Dümmste, was ich je gehört habe. Das ist kein Fehler, wenn eine Partei auf die vorhandene Realität, auf die Situation richtig reagiert. In der Flüchtlingspolitik hat die CDU nicht nur zu Recht ethische und moralische Positionen bezogen, sondern auch praktische Vorschläge gemacht. Den einzigen praktikablen Vorschlag, nämlich die Lösung über Europa, hat die CDU, hat Angela Merkel, die nun auch mit einigem Erfolg bis heute vertreten – da hat auch die CDU in Baden-Württemberg lange rumgemacht, auch während des Wahlkampfes, wollten viele nicht haben, nicht wahr, dass die CDU dafür sorgt, dass der politische Gegner uns die CDU gegen die eigene Kanzlerin ausspielen kann. Das hat Wählerstimmen weggenommen, mehr Enthaltungen gebracht. Ich sehe in diesem Bündnis jetzt, vor allem mit dem Ministerpräsidenten und auch anderen Grünen in Baden-Württemberg, auch ein Modell für die Zukunft.
Billerbeck: Also auch ein Modell für den Bund, grün-schwarz im Bund ab 2017?
Geißler: Das wäre schon das letzte Mal möglich gewesen. Jürgen Trittin, der sonst ein vernünftiger Mensch ist, hat das verhindert. Deshalb haben wir heute keine große Koalition, was aber ein Segen ist, darauf will ich ausdrücklich hinweisen: Die Große Koalition in Berlin ist für unser Land gut, sehr gut sogar.
Billerbeck: Der langjährige CDU-Politiker Heiner Geißler über Grün-Schwarz in Baden-Württemberg und die Aussichten für die Zukunft im Bund. Herr Geißler, ich danke Ihnen!
Geißler: Ich danke Ihnen auch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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