Heinrich Heine pur

Rezensiert von Adelheid Wedel · 17.02.2006
Das "Buch der Lieder" wurde von Heinrich Heine selbst zusammengestellt. Als Werbemittel für seine bis 1827 entstandenen Gedichte aber fand es zunächst nur wenig Käufer, erst später wurde es ein Riesenerfolg. Nun liegt der Band als Hörbuch vor, gelesen von Rufus Beck und Hanns Zischle bietet es 61 Minuten Heine pur.
"Ich will meine Seele tauchen in den Kelch der Lilie hinein. Die Lilie soll klingend hauchen ein Lied von der Liebsten mein."

"Ich will meine Seele tauchen", diesen Titel wählte der Patmos-Verlag für sein Heine-Hörbuch; er ist ganz den romantischen Zügen in Heines Lyrik verpflichtet. Aber was ihn für uns heute gerade so vergnüglich und erfreulich macht, sind besonders die ironischen, die spöttischen Brüche in seinen Versen.

"Das Fräulein stand am Meere und seufzte lang und bang. Es rührte sie so sehre der Sonnenuntergang. Mein Fräulein seien sie munter. Das ist ein altes Stück: Hier vorne geht sie unter und kehrt von hinten zurück."

Da ist der Dichter ganz heutig, ganz modern. Wir können Heines Witz verstehen. Zu seiner Zeit stieß er damit zumeist wenig auf Gegenliebe. Sogar sein Hamburger Verleger Campe ermahnte ihn, andere Töne anzuschlagen. Er schrieb ihm:

"Wenn Sie Uhlands Gedichte betrachten und das Renommee, worin er sich befindet, religiös und mittelalterlich, so ist klar, warum er so viele Leser findet."

Heine achtete, wie wir alle wissen, glücklicherweise nicht auf diesen Rat, mit allen seinen Folgen. Es waren schließlich seine zeitkritischen Reflexionen, die dazu führten, dass Heines hellwachen Gedichte in den deutschen Landen verboten wurden.

Zwei Schauspieler wurden vom Verlag für die Lesung des "Buches der Lieder" und der "Neuen Gedichte" ausgesucht, zwei gestandene und erfahrene Schauspieler, die - wie man so schön sagt - bekannt sind von Film und Fernsehen: Rufus Beck und Hanns Zischler.

Schade dass es der Verlag versäumte, die Interpreten im Booklet hinter die von ihnen deklamierten Gedichte zu schreiben, zumal sie sich weder in der Interpretation noch in der Stimmlage wesentlich voneinander unterscheiden. So ist man als Hörer aufs Rätselraten angewiesen und fragt sich: Wer liest was? Sie machen das beide sehr professionell, der klaren Gedankenführung Heines angemessen und den Stimmungen der Verse folgend. Dabei verkommen die sehnsuchtsvollen Töne nie zum Kitsch, sie werden ernst genommen, auch wenn sie der Dichter selbst oft verständnisvoll belächelt.

"Es säuselt der Wind in den Blättern. Es spricht der Eichenbaum: Was willst du törichter Reiter mit deinem törichten Traum"

Von Deutschland hat Heine zeitlebens geträumt, er hat dem Land trotz aller ihm angetanen Verletzungen seine Treue bewahrt. Und von der Liebe träumte er, er beschreibt sie, kokettiert mit ihr und macht die sehr irdischen Erfahrungen zum literarischen Thema
"Ich wollte bei dir weilen und an deiner Seite ruhen. Du musstest von mir eilen, du hattest viel zu tun. Ich sagte, dass meine Seele dir gänzlich ergeben sei. Du lachtest aus voller Kehle und machtest nen Knicks dabei. Du hast noch mehr gesteigert mir meinen Liebesverdruss und hast mir sogar verweigert am Ende den Abschiedskuss. Glaub nicht, dass ich mich erschieße, wie schlimm auch die Sachen stehn. Das alles, meine Süße, ist mir schon einmal geschehen."

Das Hörbuch konzentriert sich auf die Sammlung "Buch der Lieder", ergänzt durch "Neue Gedichte". Das "Buch der Lieder" hat Heine selbst zusammengestellt als eine Art frühen Werbeeffekt für die bis 1827 entstandenen Gedichte. Zunächst wurde es von den Lesern nur zögerlich aufgenommen. Es verkaufte sich gerade 2000 Mal in zehn Jahren. Später wurde es ein Riesenerfolg.

Beim Anhören, zumal so glänzend dargeboten wie in dieser Hörbuchausgabe, fasziniert immer wieder die melodiöse Sprache, die nach Vertonung geradezu schreit. Heine gehört zu den am meisten vertonten Dichtern; etwa 8000 Lieder entstanden nach seinen Versen, komponiert unter anderem von Schubert, Schumann, Liszt, Brahms und Richard Wagner.

Und es ist schön, dass das Hörbuch auch diese Seite mit bedenkt und zwischen den Gedichten sparsam und unaufdringlich Melodien mitliefert. Manche sind in ihrer Einfachheit so genial, dass sie als Volkslieder Eingang in den Kanon deutscher Lieder fanden. So muss es einem um Heines Gedichte nicht bang sein, auch 150 Jahre nach seinem Tod bewegen sie die Seelen der Menschen, denn die beschriebenen Empfindungen, den Jubel und die Trauer, die Aufbruchsstimmung wie die Melancholie durchleben wir heute wie damals.


Heinrich Heine: Ich will meine Seele tauchen
Patmos-Verlag, Düsseldorf
Preis: 14, 95 Euro