Heinz Strunk

    Geschichten aus der Vorhölle

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    Der Schriftsteller Heinz Strunk nach seiner Lesung in Leipzig © Deutschlandradio Kultur / Sven Crefeld
    Von Sven Crefeld |
    Bei der Buchmesse präsentiert Heinz Strunk sein Stimmen-Panoptikum aus der Hamburger Kneipe "Der goldene Handschuh". Viel getrunken wird zuvor auch in den Büchern von Clemens Meyer, Claudius Nießen und Jaroslav Rudis.
    Eins muss man bei "Leipzig liest" vorab wissen: Frühes Erscheinen sichert einen guten Platz im Lesesaal. Oder überhaupt einen Platz. Wer am Mittwoch nur pünktlich in der ehrwürdigen Alten Handelsbörse eintraf, hatte keine Chance darauf, die Lokalmatadoren Clemens Meyer und Claudius Nießen leibhaftig zu sehen. Im Foyer bildete sich das aus Ostzeiten wohlbekannte sozialistische Wartekollektiv: diszipliniert, geduldig, sehnsüchtig.
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    Plätze waren leider aus: Schlange stehen bei der Lesung von Clemens Meyer und Claudius Nießen© Deutschlandradio Kultur / Sven Crefeld
    Umso besser, dass der Vortrag von "Irre Filme, die man besser liest" per Lautsprecher nach draußen übertragen wurde. "Leipzig lauscht" eben. Ohnehin kamen ja später noch Jaroslav Rudis und Heinz Strunk an die Reihe. Sicherlich würden ein paar Leute Platz machen zur 2. und 3. Runde. Meyer & Nießen haben sich im Laufe der Jahre eine große Menge von alten B-Movies auf VHS-Kassette reingezogen, dabei viel Alkohol, Chips und Döner vertilgt - ihre Bildungserlebnisse teilen die "zwei Himmelhunde" in einem amüsanten Buch von A bis Z.

    "Klauen, klauen und schwupps, ist das Buch fertig"

    Meyer, der in schönstem sächsischen Zungenschlag nebenbei auch immer wieder Wissenswertes über seine Heimat Leipzig-Ost einflocht, erzählte zum Beispiel die monströse Geschichte eine fleischfressenden "Travel Pussy", einer aufblasbaren Liebespuppe für den einsamen Reisenden abends im Hotel. Schöner Trash.
    Der hierzulande bestens bekannte Tscheche Jaroslav Rudis plauderte anschließend - das Wartekollektiv war glücklich in die Lücken gestoßen - über seine liebsten Hobbys Sauna, Biertrinken, Zugfahren und Leuten zuhören, um daraus abgedrehte Geschichten zu machen. "Klauen, klauen und schwupps, ist das Buch fertig."
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    Der tschechische Autor Jaroslav Rudis in der Alten Handelsbörse von Leipzig© Deutschlandradio Kultur / Sven Crefeld
    Sein Roman "Nationalstraße" spielt im Plattenbauviertel am Nordrand von Prag: eine lustige und zugleich ungemütliche Kneipengeschichte las Rudis, es ging um Männerstolz, Muskelprotze und traurige Verlierer. Am Ende wurde noch geklärt, was ein "böhmischer Vierkampf" ist, warum Tschechen Humor als ihre stärkste Waffe betrachten und dass Kafkas "Schloss" eigentlich auch ein Kneipenroman ist, obwohl Kafka wenig Bier trank.

    Heinz Strunk präsentierte ein tolles Figuren-Panoptikum

    Teil drei der Wohnzimmer-Lesung - man musste nur zum Bierholen aufstehen und bekam drei Stunden Literatur - war der formidable Heinz Strunk. Der nicht so heißt, aber seinen "Metzgernamen" jetzt nicht mehr ändern will, das Branding sei nun einmal gesetzt. Mit 500.000 verkauften Exemplaren habe man noch lange nicht ausgesorgt, sagte Strunk. Andererseits komme es für ihn nicht in Frage, einen Vampirroman zu schreiben, er wolle sein Lebenswerk nicht zerstören. Das könnte mit dem Roman "Der goldene Handschuh" seinen vorläufigen Höhepunkt finden.
    Strunk präsentierte ein tolles Figuren-Panoptikum aus dieser Hamburger "Vollalkikneipe", einer Art Vorhölle der Gescheiterten und Abgestürzten, mit Dialekten und Stottern und altem Liedgut. Der Mann ist ein Formulierungskünstler, ein Wortklauber, ein Ohrenmensch. Mit Stil, Herzensbildung und Empfindsamkeit beantwortete er alle Fragen zur Machart seiner Frauenmörder-Geschichte, um dann gegen halb zehn (er ist natürlich eine Diva) zu befinden: "Für die Leute hier ist alles Wesentliche gesagt." Darauf einen Fanta-Korn, das Spezialgetränk aus dem "Handschuh", im Verhältnis 1 zu 1.
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