Heiraten im Einkaufscenter
Die großen Einkaufszentren machen die etablierten Einkaufslagen kaputt. Das war bisher eine fast schicksalhafte Gleichung. Doch nach langjährigen Erfahrungen in Städten und Kommunen scheint sich diese Überzeugung nicht mehr zu bestätigen. Beispiele dafür sind in Braunschweig, Duisburg, Leipzig und Hamburg zu finden.
Braunschweig
Von Susanne Schrammar
Wer das prachtvolle Portal mit Säulenportikus, reich verzierten Statuen und Quadriga auf dem Dach durchschreitet, kann in der Eingangshalle des rekonstruierten Braunschweiger Welfenschlosses edlen Schmuck bestaunen. Er kann sich aber auch einen Coffee to go holen, eine Jeans kaufen oder einen Handyvertrag abschließen. 150 Einkaufsläden, Cafes und Restaurants befinden sich in den sogenannten Schloss Arkaden. Doch direkt nach dem historisch anmutenden Portal im klassizistischen Stil ist eigentlich Schluss mit Schloss. Nur die Front wurde der ehemaligen Residenz der Braunschweiger Herzöge nachempfunden. Der Rest des fast 45.000 Quadratmeter großen Gebäudes besteht aus Stahl, Glas und Beton und sieht aus wie viele andere Shoppingcenter. Für den Betreiber der Schloss Arkaden, dem Hamburger Unternehmen ECE, ist es dennoch ein europaweit einmaliges Projekt, sagt Centermanager Jan Tangerding.
"Dass wir bisher noch nie ein altes Schloss wieder aufgebaut haben, nach vorhandenen Plänen, nach alten Bildern, Zeichnungen, die es gab. Und natürlich auch das Bestreben da war, die ganzen Schlossteile, die man hier noch in Braunschweig in den verschiedensten Ecken gelagert hatte oder teilweise auch in Schrebergärten wohl vergraben waren – die erst mal wieder aufzufinden und dann in die ganze Konstruktion mit einzubauen."
Auch wenn ein vollständiger Wiederaufbau des Schlosses finanziell nicht machbar war, so hatte die Stadt Braunschweig doch zumindest auf eine Teilrekonstruktion bestanden, als die ECE im Rathaus anklopfte und darum bat, mitten in der Innenstadt, auf dem Platz, wo die Welfenresidenz mehr als 200 Jahre gestanden hatte, ein Einkaufsparadies errichten zu dürfen. Zahllose Pläne der Stadtverwaltung, das Schloss selbst wieder aufzubauen oder den Platz neu zu gestalten, waren in der Vergangenheit gescheitert, so Baurat Wolfgang Zwafelink. Da kam das Angebot der Projektentwickler, 200 Millionen Euro zu investieren, gerade recht.
"Das Schloss ist nun mal ein wesentliches Symbol gewesen auch für die Innenstadtsituation hier in Braunschweig. Wir haben da die Chance gesehen, durch die Verbindung Schlossrekonstruktion weitgehend authentisch/ einer modernen Architektur – diese Kombination gibt diesem Ort eine eigene Prägung."
Zumal es nicht allein beim Shoppingcenter bleiben sollte im wiederaufgebauten Schloss. Insgesamt 13.000 Quadratmeter des Bauwerkes wurden von der Stadt für kulturelle Zwecke angemietet. So ist, wie schon in den 20er-Jahren, im Südflügel des Gebäudes zum Beispiel die Stadtbibliothek untergebracht. Auch das Stadtarchiv, die Kulturverwaltung und das Kulturinstitut haben hinter der Sandsteinfassade eine neue Heimat gefunden. Im nächsten Jahr wird im Nordflügel das Schlossmuseum eröffnet. Kultur und Konsum unter einem Schlossdach – für die Stadt eine gute Kombination, sagt Stadtbaurat Zwafelink.
"Ein Kompromiss, bei dem das öffentliche Interesse eindeutig der Gewinner ist. Dass auch der private Aspekt seinen Gewinn hieraus zieht, ist unbestritten, aber die Win-win-Situation ist ja sehr beliebt und führt auch dazu, dass Synergien gehoben werden, die sonst eben nicht möglich sind."
Dennoch – viele Braunschweiger haben sich lange schwer getan mit dem Gedanken, in ihrem Schloss shoppen zu gehen. Die Freunde des Schlossparks e.V. beispielsweise lehnten eine Rekonstruktion des Schlosses ab. Sie wollten, dass der bis 2004 an dieser Stelle vorhandene Park erhalten blieb. Mehrere Klagen scheiterten jedoch. Noch heute treffen sich die Schlossparkfreunde regelmäßig. Ihr Protest ist zwar leiser geworden, glücklich sind sie mit dem Ergebnis dennoch nicht. Sprecher Michael Kaps.
"Die zentrale Nutzung ist die kommerzielle Nutzung. Weil der Haupteingang, der Portikus, eben direkt ins Kaufhaus führt. Und da ist eben auch ein Kritikpunkt: Meiner Meinung nach ist die Kultur jetzt nicht besser untergebracht."
Vor der Eröffnung haben Kritiker zudem ein Sterben von Einzelhandelsgeschäften in der Innenstadt befürchtet. Dies ist bis auf wenige Ausnahmen nicht eingetreten. Vermutlich deshalb, weil die Stadt die Neugestaltung des Schlossplatzes dazu genutzt hat, die davor verlaufende Straße ebenfalls umzugestalten. Der früher stark befahrene Bohlwerk, der in die Braunschweiger Altstadt führt, hat heute Boulevardcharakter. Täglich kaufen rund 40.000 Menschen in den Schloss-Arkaden ein. Der endgültige Durchbruch, glaubt Centermanager Jan Tangerding, kam als die Quadriga mit Wagenlenkerin "Brunonia" auf das Dach gesetzt wurde.
"Ich war positiv überrascht über die vielen Besucher, die sich hier wirklich auf dem Schlossplatz getummelt haben, sich alle Details angeguckt haben, wie dann die doch sehr schweren Einzelteile hochgehievt wurden mit den Kränen, alles montiert wurde, dass man gesagt hat: Ja, jetzt ist es wirklich wieder wie früher – war schon interessant."
Leipzig
Von Alexandra Gerlach
Noch ist am Nordrand der Leipziger Kernstadt nur wenig zu sehen von dem, was kommen soll. Am Brühl, einer traditionsreichen Einkaufsstraße in der Messestadt, dort wo bis vor wenigen Monaten noch drei massige, hohe Plattenbauten standen, türmen sich jetzt Sandberge. Vom bevorstehenden Baubeginn des neuen Einkaufszentrums ist nichts zu sehen. Viele Passanten und auch Geschäftsleute haben von dem Projekt der "Höfe am Brühl" noch nichts gehört. Andere finden es überflüssig:
Passantin: "Weil wir genügend Einkaufsmöglichkeiten hier haben, jede Menge und einer macht dem anderen nur irrsinnigerweise Konkurrenz, wir haben die Stadt voll, wir haben den schönen Bahnhof."
Dieser liegt in der Tat fast vis-a-vis nur wenige hundert Meter entfernt auf der anderen Seite des Stadtrings und beherbergt ein gut besuchtes Einkaufszentrum. Leipzig habe sich in der Innenstadt in den vergangenen Jahren gut entwickelt, sagt Stefan Heinig, der Leiter der Stadtentwicklungsplanung im Rathaus:
"Man muss hier sehen, dass die Leipziger Innenstadt in den letzten 20 Jahren eine enorme Entwicklung hinter sich hat, ursprünglich war die Verkaufsfläche bei etwa 50.000 zur Wendezeit. Leipzig hat heute etwa 800.000 m2 Verkaufsfläche, davon befinden sich 170.000 in der Innenstadt von Leipzig."
Der Einzelhandel habe sich neben zwei großen Kaufhäusern sehr gut etabliert, sagt auch Gunter Engelmann-Merkel vom Handelsverband Sachsen e.V. Dennoch sieht der Verband, der allein in der Leipziger Innenstadt für rund 300 seiner Mitglieder spricht, das neue Projekt der "Höfe am Brühl" skeptisch:
Der Geschäftsführer Gunter Engelmann-Merkel:
"Wir haben in der Diskussion um die Höfe am Brühl die Position vertreten, dass die Innenstadt jetzt eigentlich in einer Phase angelangt ist, wo es einer Konsolidierung bedarf und dass ein zu großes Projekt eher abträglich als zuträglich ist."
Einem Gutachten der Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung zufolge haben sich die Verkaufsflächen in der Leipziger Einkaufsinnenstadt seit 1997 um rund 81 Prozent vergrößert. Zugleich stieg auch die Passantenfrequenz nahezu genauso steil an. Dieses Rechenexempel bringt auch die Stadt ins Spiel, wenn es um die Frage geht, ob die wirtschaftliche Struktur in der Innenstadt einen weiteren Anstieg der Verkaufsflächen um 27.500 m2 verträgt. Der Leiter der Stadtentwicklungsplanung, Stefan Heinig sieht das Projekt auch als Antwort auf die Fehlplanungen der 90er-Jahre, die den Konsumenten auf die Grüne Wiese lockten:
"Es ist einerseits eine große Konkurrenz, auf der anderen Seite geht es uns ja gerade darum, diese Situation, die Anfang der 90er-Jahre geschaffen wurden, auch schrittweise zugunsten wieder einer Einkaufsinnenstadt zu verändern. … das heißt, wirklich auch die Innenstadt zu stärken gegenüber den Zentren."
Ein wichtiger Bestandteil dieser Offensive ist der Bau von Wohnungen in den neuen "Höfen am Brühl". Zur nachhaltigen Belebung der Innenstadt soll der Investor, der Essener Immobilienkonzern Mfi, knapp 20 Prozent der Geschossfläche des Planungsgebietes für Wohnungen reservieren. Geplant sind 66 Wohneinheiten:
"Wohnungsmangel in Leipzig herrscht nicht, aber wir sind natürlich sehr bestrebt, dass die Innenstadt in den Abendstunden nicht leer ist, sondern dass wirklich eine Mischung von Nutzung, von unterschiedlichen Nutzungen vorhanden ist, Einkaufen, Arbeiten, Freizeit aber auch Wohnen."
Der Handelsverband Sachsen zweifelt derzeit noch daran, dass diese Rechnung aufgeht. Gunter Engelmann-Merkel:
"Ja, wir begrüßen natürlich Wohnungen in der Innenstadt sehr stark, aber ein paar Wohnungen können natürlich nicht viele 1000 Quadratmeter Verkaufsfläche rechtfertigen."
Dem Verband geht es dabei weniger um den Standort, als um die Maßstäbe. Er befürchtet eine Kannibalisierung des eingesessenen Handels zugunsten des neuen Einkaufstempels. Schon allein angesichts sinkender Bevölkerungszahlen und der andauernden Wirtschaftskrise ist der Geschäftsführer skeptisch:
"Die Kaufkraft ist durchaus nicht in dem Maß gewachsen wie wir uns das vorgestellt haben, wir haben hier längst noch nicht das Niveau der alten Bundesländer teils im Gegenteil, wir haben also zwischenzeitlich Rückgänge zu verzeichnen gehabt, und vor dem Hintergrund muss man eine solche Ansiedlung betrachten."
Und der Handel selbst? Nur ohne Mikrophon will sich der eine oder andere äußern. Der Tenor: So wie es jetzt am Brühl aussieht, kann es nicht bleiben. Andere versprechen sich von einem attraktiveren Warenspektrum in der Innenstadt auch eine Magnetwirkung für neue Kunden.
Im Herbst soll das 200-Millionen-Projekt den Baustart erleben, nachdem der Investor erst kürzlich den Absprung seines Finanziers verkraften musste.
Duisburg
Von Claudia Hennen
Es herrscht eine ausgelassene Stimmung beim Stadtfest in Duisburg. Nur wenige hundert Meter entfernt, am westlichen Ende der Fußgängerzone, in der Münzstraße, ist es dagegen ruhig. Obschon sich hier eine Handy-, Kleider- oder Taschenladen an den anderen reiht. "Trading Down" nennen Fachleute das Phänomen – einst renommierte Fachgeschäfte werden durch Ramschläden verdrängt. "Hörakkustik Geers" ist eines der wenigen noch ansässigen Traditionsgeschäfte. Besitzer Axel Voss hat allerdings schon oft überlegt, den Standort zu wechseln:
"Die Entwicklung der Straße ist ungewiss, schon seit langem. Man weiß nicht, was passiert mit dem alten Boecker-Haus, wann wird das endlich abgerissen, und eine Verödung und Leerstände sind auch da, und wenn C&A auch noch weg geht, dann geht auch ein Publikumsmagnet – und so wissen wir gar nicht, was in den nächsten Jahren auf uns zukommt …"
Gegenüber dem Hörakkustik-Geschäft steht ein mehrstöckiges Gebäude bis auf das Erdgeschoß leer – das Boecker-Haus. Es soll abgerissen werden und an seiner Stelle das sogenannte "Stadtfenster" entstehen. Auf 11.000 Quadratmeter sollen die Stadtbibliothek, die Volkshochschule und ein NS-Dokumentationszentrum Platz finden, ein kleiner Teil der Fläche - 800 Quadratmeter - ist für gewerbliche Nutzung vorgesehen. Schräg gegenüber wird außerdem die Königsgalerie, ein leer stehendes Einkaufscenter mit 14.000 Quadratmetern Verkaufsfläche, saniert. Der Projektentwickler beider Gebäude – der Konzern "Multi Development" – hofft auf eine umsatzstarke Verbindung zwischen Kultur und Gewerbe. Geschäftsführer Axel Funke:
"Ich glaube, dass wir davon wegkommen müssen, Städte monothematisch zu begreifen. Nach dem Krieg haben wir angefangen zu trennen – Industriebereich, Handelsbereich, usw. Ich glaube, wir müssen Urbanität heute als Abwechslung verstehen. Ein Innenstadtbesuch hat nicht nur unbedingt was mit Bedarfsdeckung zu tun, sondern auch mit Erlebnis, mit Freizeit."
Duisburg verzeichnet eine Arbeitslosenquote weit über dem Landesdurchschnitt und einen dramatischen Bevölkerungsschwund. Die damit verbundene geringe Kaufkraft schreckte Investoren bislang ab. Nicht so "Multi Development". Im vergangenen Herbst eröffnete der internationale Konzern in Duisburg bereits das "Forum" - mit seinen 57.000 Quadratmetern Fläche eines der größten innerstädtischen Einkaufszentren Deutschlands. Konkurrenz werden sich die Einkaufscenter gegenseitig nicht machen, sagt Axel Funke:
"Ich glaube, dass Duisburg erst dann sein Potenzial ausschöpft, wenn es ein ganzheitliches Angebot präsentiert – insofern wird das Forum von der Königsgalerie und von einem attraktiven Kulturgebäude profitieren. Man wird sicherlich die Sortimente ein Stück weit aufeinander abstimmen. So dass wir hier ein Angebot auch von hochwertigeren Waren präsentieren können, die derzeit in der Stadt fehlen."
Dass dieses Konzept aufgeht, glaubt Ralf Jäger, Stellvertretende Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion in Nordrhein-Westfalen, nicht. Ihn stört zum Beispiel:
"Das NS-Dokumentationszentrum wird eine kleinere Fläche bekommen. Ich kann nicht nachvollziehen, warum ein solches NS-Dokumentationszentrum unbedingt in eine Einkaufsstraße untergebracht werden muss."
Zusammen mit der FDP hat Ralf Jäger im Duisburger Stadtrat gegen das Projekt gestimmt. Er befürchtet, dass das Stadtfenster zu hohe Mieten fordern werde, und damit die Qualität der Kulturangebote leide:
"Dieser Einzelhandel trägt sich nicht durch die Besucher der VHS und der Bibliothek, er muss selbst Käufer akquirieren und dass in einer Konkurrenzsituation, was wirtschaftlich kaum gelingen wird. Die Investoren werden damit gelockt, dass die Stadt Flächen anmietet, nur so ist die Wirtschaftlichkeit dieser Projekte machbar. Letztendlich zahlt so was der Steuerzahler mit viel Geld."
Oberbürgermeister Adolf Sauerland von der CDU kann die Bedenken nicht nachvollziehen. Sowohl die VHS als auch die Bibliothek seien dringend renovierungsbedürftig. Eine Sanierung der Gebäude aber sei wesentlich teurer als der Neubau, argumentiert er. Der Verödung des historischen Zentrums will er entgegenwirken – und beruft sich dabei auf den Masterplan, den der Londoner Stararchitekt Norman Foster vor zwei Jahren für Duisburg entwickelt hat:
"Das Stadtfenster ist für uns eine Gelegenheit, den Übergang so hinzukriegen, dass wir in Zukunft in der Münzstraße wieder Verkehr haben, Publikum, Frequenzen die wir brauchen. Damit würden wir den kürzesten Weg von der Innenstadt zum Innenhafen ausbauen."
Etwa 35 bis 40 Millionen Euro soll das "Stadtfenster" kosten. Noch immer steht der Investor nicht fest. Im Gespräch ist "Multi Development", der das Projekt entwickelt hat. Drei Investoren – Sparkasse, die Stadtwerke und das Wohnungsbauunternehmen Gebag sind bereits abgesprungen. Für die Duisburger scheint keine Eile geboten. Die meisten sind mit dem verbesserten Angebot bereits jetzt sehr zufrieden:
"Ich find’s gut mit dem Forum, dass da jetzt auch elektronische Artikel angeboten werden, dafür bin ich früher nach Düsseldorf gefahren."
"Also ich komme ursprünglich aus Kiel, wo große Malls außerhalb der Stadt entstanden sind und die Innenstadt ausstirbt, hier ist noch das richtige Misch-Masch."
Hamburg
Von Verena Herb
Es wird gehämmert und gesägt – im Einkaufszentrum Hamburger Straße. Es soll das – so preisen es die Betreiber zumindest an – längste Shoppingcenter der Welt werden. 650 Meter auf zwei Ebenen – eine Meile Mall, sozusagen. Dabei gibt es das Center schon seit den 70er-Jahren – und ist mittlerweile in die Jahre gekommen. So dass aus einem Umbau eine komplette Umstrukturierung wird, sagt Dirk Otto, der Zentrumsmanager.
"Ein bisschen kann man jetzt schon in der Ladenstraße erkennen: Wir haben hier für diese lange Mall mit 650 Metern ein Konzept entwickelt zum Thema Hamburg. Das heißt hier gibt es verschiedene Themenwelten. Wir befinden uns später im Bereich Hafen."
An den Wänden erkennt man sogenannte Pattern – sprich großformatige Fotografien: Ein Stück Speicherstadt mit charakteristischem Rotklinker an ansonsten faden Betonwänden. Charakteristisch für die Hansestadt auch: Der Kiez. Ein Stück Reeperbahn wird´s ebenfalls geben:
"Da stehen jetzt nicht die Damen, sondern wir machen das nur architektonisch. Mit viel Neonlicht, ein bisschen loungiger Charakter."
Insgesamt vier Hamburger Themenwelten sollen die Einwohner zum Einkaufen hierher locken. Komplett fertiggestellt wird das wahrscheinlich längste Shoppingcenter der Welt im Herbst nächsten Jahres. Doch der Verkauf geht weiter: Vereinzelte Geschäfte werben für ihre Produkte, doch der größte Teil steht leer. Ein trauriges Bild. Doch in zweiJahren heißt es dann: 160 Geschäfte, 2600 Parkplätze und ein Essenseldorado – Food Court auf Neudeutsch – mit 370 Sitzplätzen.
Im Einkaufszentrum an der Hamburger Straße wird jedoch nicht nur geshoppt – sondern auch Politik gemacht. Denn oberhalb der überdachten Einkaufsstraßen sind die Büros von drei Senatoren und ihren Behördenmitarbeitern: Sowohl die Schulbehörde, als auch die Wissenschafts- und die Sozialbehörde haben dort ihren Sitz. Die Eingänge zu den Ministerien und Ämtern liegen zwischen Haushaltswaren- und Kleidungsgeschäften. Dieses Konzept geht zurück bis in die 70er-Jahre, wo das Einkaufszentrum gebaut wurde: Denn es bot damals genügend Platz, um dort die Ämter unterzubringen. Und: Es liegt in der Mitte mehrerer Stadtteile mit entsprechendem Einzugsgebiet, außerdem nah an der Innenstadt und dem Rathaus – und die Anbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist gut. Bürgerämter integriert in die Shopping-Erlebniswelt – eine Synergie, die funktioniert, sagt Dirk Otto. Mit dem Komplettumbau wird es auch eine Kita im Zentrum geben: Für die Kinder der Behördenmitarbeiter und Angestellten des Handels:
"Es ist einmal sicherlich ein Wunsch der Behörde gewesen, ganz klar. Das Angebot ist da, ganz klar. Wir haben auch einen Interessenten gehabt, der das machen wollte. Das muss auch professionell gemacht werden. Und für uns ist das auf der anderen Seite auch interessant, das auch für den Kunden anzubieten."
Denn auch die Besucher können ihre Kinder stundenweise betreuen lassen. Nicht nur im Bällchenbad spielend, sondern es gebe ein richtiges pädagogisches Konzept. Das Einkaufszentrum in der Hamburger Straße gehört der ECE Projektmanagement GmbH. "Wir sind Shopping" steht mit großen weißen Lettern auf dem Titel der Unternehmenszeitschrift:
"Wir machen eigentlich nur das, was in deutschen Städten schon seit Jahrhunderten gut funktioniert. Nämlich dass es einen zentralen Platz gibt, wo man sich trifft, wo man einkauft. Aber wo man auch bummelt, verweilt. Und wo man immer wieder interessante Dinge erfahren will ..."
Zum Beispiel ob die Jacke, die man ins Auge gefasst hat, nun endlich reduziert ist ... Das meint Stefan Kugel, der Geschäftsführer Centermanagement der ECE aber wahrlich nicht, wenn er die Philosophie seines Unternehmens präsentiert. Zweieinhalb Millionen Menschen kaufen täglich in den 120 ECE-Einkaufszentren europaweit ein – seit 40 Jahren ist der EKZ-Experte in dem Markt aktiv. Und so kennt Kugel die Argumente der Gegner:
"Die Vorwürfe sind natürlich, dass ein Einkaufszentrum zunächst einmal in Konkurrenz steht zu dem etablierten Einzelhandel. Wir sehen das allerdings so, dass wir einen gewissen Mittelpunkt bilden, damit sicherlich auch das Abwandern von Kunden zum Beispiel in die Hamburger Innenstadt dagegen halten können ..."
Und das machen die Einkaufscenter-Betreiber mit immer neuen Ideen. Erlebniseinkauf nennen sie das.
"Früher sagte man immer, ein Warenhaus ist ein Magnet für die Innenstadt. Das sind heute die Shoppingcenter. Und wenn man dann natürlich immer versucht, aktuell zu bleiben, was den Branchenmix angeht, wie auch solche Angebote wie die Kindertagesstätte zu machen, dann ist das sicherlich kein aussterbendes Modell, sondern eher ein Modell, was Innenstädte stärkt."
Im Nordwesten der Hansestadt, knapp zehn Kilometer von der Hamburger Straße entfernt steht das EKZ Alstertal – mitten im Zentrum des Stadtteils Poppenbüttel. Drum herum erinnert alles mehr an eine Kleinstadt – Einfamilienhäuser, weißer Gartenzaun, Kombi vor der Tür – kein seltenes Bild auf dem Weg hin zum Shoppingparadies.
"Das ist eine andere Klientel, die da angesprochen wird."
Sagt Dirk Otto – denn Luxusmarken wie Strenesse oder Etienne Aigner würden in Barmbek wohl keinen allzu großen Zulauf haben, ist sich der Centermanager sicher. Anders im Alstertal – wo aber ebenfalls alle typischen EKZ-Geschäfte zu finden sind. Analysen sagen den Profis, wo was wie funktioniert – erklärt ECE Geschäftsführer Stefan Kugel:
"Wir machen Kundenbefragungen, regelmäßig. In allen unseren Einkaufszentren, also Meinungsforschung. Und dann kommt natürlich aus der Erfahrung von 40 Jahren Shoppingcenterbetrieb hat man dann auch ein Gefühl ..."
dafür, was eben wie wo funktioniert. Der Trend geht weiter Richtung Erlebniseinkauf mit Bürgerservice - sprich Behörden oder Kitas oder Vereine in den Shoppingcentern. Und was die Zentren auch noch bieten:
"Wir haben 360 Tage ein prima Klima."
Und auf kleinstem Raum das größte Angebot.
Von Susanne Schrammar
Wer das prachtvolle Portal mit Säulenportikus, reich verzierten Statuen und Quadriga auf dem Dach durchschreitet, kann in der Eingangshalle des rekonstruierten Braunschweiger Welfenschlosses edlen Schmuck bestaunen. Er kann sich aber auch einen Coffee to go holen, eine Jeans kaufen oder einen Handyvertrag abschließen. 150 Einkaufsläden, Cafes und Restaurants befinden sich in den sogenannten Schloss Arkaden. Doch direkt nach dem historisch anmutenden Portal im klassizistischen Stil ist eigentlich Schluss mit Schloss. Nur die Front wurde der ehemaligen Residenz der Braunschweiger Herzöge nachempfunden. Der Rest des fast 45.000 Quadratmeter großen Gebäudes besteht aus Stahl, Glas und Beton und sieht aus wie viele andere Shoppingcenter. Für den Betreiber der Schloss Arkaden, dem Hamburger Unternehmen ECE, ist es dennoch ein europaweit einmaliges Projekt, sagt Centermanager Jan Tangerding.
"Dass wir bisher noch nie ein altes Schloss wieder aufgebaut haben, nach vorhandenen Plänen, nach alten Bildern, Zeichnungen, die es gab. Und natürlich auch das Bestreben da war, die ganzen Schlossteile, die man hier noch in Braunschweig in den verschiedensten Ecken gelagert hatte oder teilweise auch in Schrebergärten wohl vergraben waren – die erst mal wieder aufzufinden und dann in die ganze Konstruktion mit einzubauen."
Auch wenn ein vollständiger Wiederaufbau des Schlosses finanziell nicht machbar war, so hatte die Stadt Braunschweig doch zumindest auf eine Teilrekonstruktion bestanden, als die ECE im Rathaus anklopfte und darum bat, mitten in der Innenstadt, auf dem Platz, wo die Welfenresidenz mehr als 200 Jahre gestanden hatte, ein Einkaufsparadies errichten zu dürfen. Zahllose Pläne der Stadtverwaltung, das Schloss selbst wieder aufzubauen oder den Platz neu zu gestalten, waren in der Vergangenheit gescheitert, so Baurat Wolfgang Zwafelink. Da kam das Angebot der Projektentwickler, 200 Millionen Euro zu investieren, gerade recht.
"Das Schloss ist nun mal ein wesentliches Symbol gewesen auch für die Innenstadtsituation hier in Braunschweig. Wir haben da die Chance gesehen, durch die Verbindung Schlossrekonstruktion weitgehend authentisch/ einer modernen Architektur – diese Kombination gibt diesem Ort eine eigene Prägung."
Zumal es nicht allein beim Shoppingcenter bleiben sollte im wiederaufgebauten Schloss. Insgesamt 13.000 Quadratmeter des Bauwerkes wurden von der Stadt für kulturelle Zwecke angemietet. So ist, wie schon in den 20er-Jahren, im Südflügel des Gebäudes zum Beispiel die Stadtbibliothek untergebracht. Auch das Stadtarchiv, die Kulturverwaltung und das Kulturinstitut haben hinter der Sandsteinfassade eine neue Heimat gefunden. Im nächsten Jahr wird im Nordflügel das Schlossmuseum eröffnet. Kultur und Konsum unter einem Schlossdach – für die Stadt eine gute Kombination, sagt Stadtbaurat Zwafelink.
"Ein Kompromiss, bei dem das öffentliche Interesse eindeutig der Gewinner ist. Dass auch der private Aspekt seinen Gewinn hieraus zieht, ist unbestritten, aber die Win-win-Situation ist ja sehr beliebt und führt auch dazu, dass Synergien gehoben werden, die sonst eben nicht möglich sind."
Dennoch – viele Braunschweiger haben sich lange schwer getan mit dem Gedanken, in ihrem Schloss shoppen zu gehen. Die Freunde des Schlossparks e.V. beispielsweise lehnten eine Rekonstruktion des Schlosses ab. Sie wollten, dass der bis 2004 an dieser Stelle vorhandene Park erhalten blieb. Mehrere Klagen scheiterten jedoch. Noch heute treffen sich die Schlossparkfreunde regelmäßig. Ihr Protest ist zwar leiser geworden, glücklich sind sie mit dem Ergebnis dennoch nicht. Sprecher Michael Kaps.
"Die zentrale Nutzung ist die kommerzielle Nutzung. Weil der Haupteingang, der Portikus, eben direkt ins Kaufhaus führt. Und da ist eben auch ein Kritikpunkt: Meiner Meinung nach ist die Kultur jetzt nicht besser untergebracht."
Vor der Eröffnung haben Kritiker zudem ein Sterben von Einzelhandelsgeschäften in der Innenstadt befürchtet. Dies ist bis auf wenige Ausnahmen nicht eingetreten. Vermutlich deshalb, weil die Stadt die Neugestaltung des Schlossplatzes dazu genutzt hat, die davor verlaufende Straße ebenfalls umzugestalten. Der früher stark befahrene Bohlwerk, der in die Braunschweiger Altstadt führt, hat heute Boulevardcharakter. Täglich kaufen rund 40.000 Menschen in den Schloss-Arkaden ein. Der endgültige Durchbruch, glaubt Centermanager Jan Tangerding, kam als die Quadriga mit Wagenlenkerin "Brunonia" auf das Dach gesetzt wurde.
"Ich war positiv überrascht über die vielen Besucher, die sich hier wirklich auf dem Schlossplatz getummelt haben, sich alle Details angeguckt haben, wie dann die doch sehr schweren Einzelteile hochgehievt wurden mit den Kränen, alles montiert wurde, dass man gesagt hat: Ja, jetzt ist es wirklich wieder wie früher – war schon interessant."
Leipzig
Von Alexandra Gerlach
Noch ist am Nordrand der Leipziger Kernstadt nur wenig zu sehen von dem, was kommen soll. Am Brühl, einer traditionsreichen Einkaufsstraße in der Messestadt, dort wo bis vor wenigen Monaten noch drei massige, hohe Plattenbauten standen, türmen sich jetzt Sandberge. Vom bevorstehenden Baubeginn des neuen Einkaufszentrums ist nichts zu sehen. Viele Passanten und auch Geschäftsleute haben von dem Projekt der "Höfe am Brühl" noch nichts gehört. Andere finden es überflüssig:
Passantin: "Weil wir genügend Einkaufsmöglichkeiten hier haben, jede Menge und einer macht dem anderen nur irrsinnigerweise Konkurrenz, wir haben die Stadt voll, wir haben den schönen Bahnhof."
Dieser liegt in der Tat fast vis-a-vis nur wenige hundert Meter entfernt auf der anderen Seite des Stadtrings und beherbergt ein gut besuchtes Einkaufszentrum. Leipzig habe sich in der Innenstadt in den vergangenen Jahren gut entwickelt, sagt Stefan Heinig, der Leiter der Stadtentwicklungsplanung im Rathaus:
"Man muss hier sehen, dass die Leipziger Innenstadt in den letzten 20 Jahren eine enorme Entwicklung hinter sich hat, ursprünglich war die Verkaufsfläche bei etwa 50.000 zur Wendezeit. Leipzig hat heute etwa 800.000 m2 Verkaufsfläche, davon befinden sich 170.000 in der Innenstadt von Leipzig."
Der Einzelhandel habe sich neben zwei großen Kaufhäusern sehr gut etabliert, sagt auch Gunter Engelmann-Merkel vom Handelsverband Sachsen e.V. Dennoch sieht der Verband, der allein in der Leipziger Innenstadt für rund 300 seiner Mitglieder spricht, das neue Projekt der "Höfe am Brühl" skeptisch:
Der Geschäftsführer Gunter Engelmann-Merkel:
"Wir haben in der Diskussion um die Höfe am Brühl die Position vertreten, dass die Innenstadt jetzt eigentlich in einer Phase angelangt ist, wo es einer Konsolidierung bedarf und dass ein zu großes Projekt eher abträglich als zuträglich ist."
Einem Gutachten der Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung zufolge haben sich die Verkaufsflächen in der Leipziger Einkaufsinnenstadt seit 1997 um rund 81 Prozent vergrößert. Zugleich stieg auch die Passantenfrequenz nahezu genauso steil an. Dieses Rechenexempel bringt auch die Stadt ins Spiel, wenn es um die Frage geht, ob die wirtschaftliche Struktur in der Innenstadt einen weiteren Anstieg der Verkaufsflächen um 27.500 m2 verträgt. Der Leiter der Stadtentwicklungsplanung, Stefan Heinig sieht das Projekt auch als Antwort auf die Fehlplanungen der 90er-Jahre, die den Konsumenten auf die Grüne Wiese lockten:
"Es ist einerseits eine große Konkurrenz, auf der anderen Seite geht es uns ja gerade darum, diese Situation, die Anfang der 90er-Jahre geschaffen wurden, auch schrittweise zugunsten wieder einer Einkaufsinnenstadt zu verändern. … das heißt, wirklich auch die Innenstadt zu stärken gegenüber den Zentren."
Ein wichtiger Bestandteil dieser Offensive ist der Bau von Wohnungen in den neuen "Höfen am Brühl". Zur nachhaltigen Belebung der Innenstadt soll der Investor, der Essener Immobilienkonzern Mfi, knapp 20 Prozent der Geschossfläche des Planungsgebietes für Wohnungen reservieren. Geplant sind 66 Wohneinheiten:
"Wohnungsmangel in Leipzig herrscht nicht, aber wir sind natürlich sehr bestrebt, dass die Innenstadt in den Abendstunden nicht leer ist, sondern dass wirklich eine Mischung von Nutzung, von unterschiedlichen Nutzungen vorhanden ist, Einkaufen, Arbeiten, Freizeit aber auch Wohnen."
Der Handelsverband Sachsen zweifelt derzeit noch daran, dass diese Rechnung aufgeht. Gunter Engelmann-Merkel:
"Ja, wir begrüßen natürlich Wohnungen in der Innenstadt sehr stark, aber ein paar Wohnungen können natürlich nicht viele 1000 Quadratmeter Verkaufsfläche rechtfertigen."
Dem Verband geht es dabei weniger um den Standort, als um die Maßstäbe. Er befürchtet eine Kannibalisierung des eingesessenen Handels zugunsten des neuen Einkaufstempels. Schon allein angesichts sinkender Bevölkerungszahlen und der andauernden Wirtschaftskrise ist der Geschäftsführer skeptisch:
"Die Kaufkraft ist durchaus nicht in dem Maß gewachsen wie wir uns das vorgestellt haben, wir haben hier längst noch nicht das Niveau der alten Bundesländer teils im Gegenteil, wir haben also zwischenzeitlich Rückgänge zu verzeichnen gehabt, und vor dem Hintergrund muss man eine solche Ansiedlung betrachten."
Und der Handel selbst? Nur ohne Mikrophon will sich der eine oder andere äußern. Der Tenor: So wie es jetzt am Brühl aussieht, kann es nicht bleiben. Andere versprechen sich von einem attraktiveren Warenspektrum in der Innenstadt auch eine Magnetwirkung für neue Kunden.
Im Herbst soll das 200-Millionen-Projekt den Baustart erleben, nachdem der Investor erst kürzlich den Absprung seines Finanziers verkraften musste.
Duisburg
Von Claudia Hennen
Es herrscht eine ausgelassene Stimmung beim Stadtfest in Duisburg. Nur wenige hundert Meter entfernt, am westlichen Ende der Fußgängerzone, in der Münzstraße, ist es dagegen ruhig. Obschon sich hier eine Handy-, Kleider- oder Taschenladen an den anderen reiht. "Trading Down" nennen Fachleute das Phänomen – einst renommierte Fachgeschäfte werden durch Ramschläden verdrängt. "Hörakkustik Geers" ist eines der wenigen noch ansässigen Traditionsgeschäfte. Besitzer Axel Voss hat allerdings schon oft überlegt, den Standort zu wechseln:
"Die Entwicklung der Straße ist ungewiss, schon seit langem. Man weiß nicht, was passiert mit dem alten Boecker-Haus, wann wird das endlich abgerissen, und eine Verödung und Leerstände sind auch da, und wenn C&A auch noch weg geht, dann geht auch ein Publikumsmagnet – und so wissen wir gar nicht, was in den nächsten Jahren auf uns zukommt …"
Gegenüber dem Hörakkustik-Geschäft steht ein mehrstöckiges Gebäude bis auf das Erdgeschoß leer – das Boecker-Haus. Es soll abgerissen werden und an seiner Stelle das sogenannte "Stadtfenster" entstehen. Auf 11.000 Quadratmeter sollen die Stadtbibliothek, die Volkshochschule und ein NS-Dokumentationszentrum Platz finden, ein kleiner Teil der Fläche - 800 Quadratmeter - ist für gewerbliche Nutzung vorgesehen. Schräg gegenüber wird außerdem die Königsgalerie, ein leer stehendes Einkaufscenter mit 14.000 Quadratmetern Verkaufsfläche, saniert. Der Projektentwickler beider Gebäude – der Konzern "Multi Development" – hofft auf eine umsatzstarke Verbindung zwischen Kultur und Gewerbe. Geschäftsführer Axel Funke:
"Ich glaube, dass wir davon wegkommen müssen, Städte monothematisch zu begreifen. Nach dem Krieg haben wir angefangen zu trennen – Industriebereich, Handelsbereich, usw. Ich glaube, wir müssen Urbanität heute als Abwechslung verstehen. Ein Innenstadtbesuch hat nicht nur unbedingt was mit Bedarfsdeckung zu tun, sondern auch mit Erlebnis, mit Freizeit."
Duisburg verzeichnet eine Arbeitslosenquote weit über dem Landesdurchschnitt und einen dramatischen Bevölkerungsschwund. Die damit verbundene geringe Kaufkraft schreckte Investoren bislang ab. Nicht so "Multi Development". Im vergangenen Herbst eröffnete der internationale Konzern in Duisburg bereits das "Forum" - mit seinen 57.000 Quadratmetern Fläche eines der größten innerstädtischen Einkaufszentren Deutschlands. Konkurrenz werden sich die Einkaufscenter gegenseitig nicht machen, sagt Axel Funke:
"Ich glaube, dass Duisburg erst dann sein Potenzial ausschöpft, wenn es ein ganzheitliches Angebot präsentiert – insofern wird das Forum von der Königsgalerie und von einem attraktiven Kulturgebäude profitieren. Man wird sicherlich die Sortimente ein Stück weit aufeinander abstimmen. So dass wir hier ein Angebot auch von hochwertigeren Waren präsentieren können, die derzeit in der Stadt fehlen."
Dass dieses Konzept aufgeht, glaubt Ralf Jäger, Stellvertretende Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion in Nordrhein-Westfalen, nicht. Ihn stört zum Beispiel:
"Das NS-Dokumentationszentrum wird eine kleinere Fläche bekommen. Ich kann nicht nachvollziehen, warum ein solches NS-Dokumentationszentrum unbedingt in eine Einkaufsstraße untergebracht werden muss."
Zusammen mit der FDP hat Ralf Jäger im Duisburger Stadtrat gegen das Projekt gestimmt. Er befürchtet, dass das Stadtfenster zu hohe Mieten fordern werde, und damit die Qualität der Kulturangebote leide:
"Dieser Einzelhandel trägt sich nicht durch die Besucher der VHS und der Bibliothek, er muss selbst Käufer akquirieren und dass in einer Konkurrenzsituation, was wirtschaftlich kaum gelingen wird. Die Investoren werden damit gelockt, dass die Stadt Flächen anmietet, nur so ist die Wirtschaftlichkeit dieser Projekte machbar. Letztendlich zahlt so was der Steuerzahler mit viel Geld."
Oberbürgermeister Adolf Sauerland von der CDU kann die Bedenken nicht nachvollziehen. Sowohl die VHS als auch die Bibliothek seien dringend renovierungsbedürftig. Eine Sanierung der Gebäude aber sei wesentlich teurer als der Neubau, argumentiert er. Der Verödung des historischen Zentrums will er entgegenwirken – und beruft sich dabei auf den Masterplan, den der Londoner Stararchitekt Norman Foster vor zwei Jahren für Duisburg entwickelt hat:
"Das Stadtfenster ist für uns eine Gelegenheit, den Übergang so hinzukriegen, dass wir in Zukunft in der Münzstraße wieder Verkehr haben, Publikum, Frequenzen die wir brauchen. Damit würden wir den kürzesten Weg von der Innenstadt zum Innenhafen ausbauen."
Etwa 35 bis 40 Millionen Euro soll das "Stadtfenster" kosten. Noch immer steht der Investor nicht fest. Im Gespräch ist "Multi Development", der das Projekt entwickelt hat. Drei Investoren – Sparkasse, die Stadtwerke und das Wohnungsbauunternehmen Gebag sind bereits abgesprungen. Für die Duisburger scheint keine Eile geboten. Die meisten sind mit dem verbesserten Angebot bereits jetzt sehr zufrieden:
"Ich find’s gut mit dem Forum, dass da jetzt auch elektronische Artikel angeboten werden, dafür bin ich früher nach Düsseldorf gefahren."
"Also ich komme ursprünglich aus Kiel, wo große Malls außerhalb der Stadt entstanden sind und die Innenstadt ausstirbt, hier ist noch das richtige Misch-Masch."
Hamburg
Von Verena Herb
Es wird gehämmert und gesägt – im Einkaufszentrum Hamburger Straße. Es soll das – so preisen es die Betreiber zumindest an – längste Shoppingcenter der Welt werden. 650 Meter auf zwei Ebenen – eine Meile Mall, sozusagen. Dabei gibt es das Center schon seit den 70er-Jahren – und ist mittlerweile in die Jahre gekommen. So dass aus einem Umbau eine komplette Umstrukturierung wird, sagt Dirk Otto, der Zentrumsmanager.
"Ein bisschen kann man jetzt schon in der Ladenstraße erkennen: Wir haben hier für diese lange Mall mit 650 Metern ein Konzept entwickelt zum Thema Hamburg. Das heißt hier gibt es verschiedene Themenwelten. Wir befinden uns später im Bereich Hafen."
An den Wänden erkennt man sogenannte Pattern – sprich großformatige Fotografien: Ein Stück Speicherstadt mit charakteristischem Rotklinker an ansonsten faden Betonwänden. Charakteristisch für die Hansestadt auch: Der Kiez. Ein Stück Reeperbahn wird´s ebenfalls geben:
"Da stehen jetzt nicht die Damen, sondern wir machen das nur architektonisch. Mit viel Neonlicht, ein bisschen loungiger Charakter."
Insgesamt vier Hamburger Themenwelten sollen die Einwohner zum Einkaufen hierher locken. Komplett fertiggestellt wird das wahrscheinlich längste Shoppingcenter der Welt im Herbst nächsten Jahres. Doch der Verkauf geht weiter: Vereinzelte Geschäfte werben für ihre Produkte, doch der größte Teil steht leer. Ein trauriges Bild. Doch in zweiJahren heißt es dann: 160 Geschäfte, 2600 Parkplätze und ein Essenseldorado – Food Court auf Neudeutsch – mit 370 Sitzplätzen.
Im Einkaufszentrum an der Hamburger Straße wird jedoch nicht nur geshoppt – sondern auch Politik gemacht. Denn oberhalb der überdachten Einkaufsstraßen sind die Büros von drei Senatoren und ihren Behördenmitarbeitern: Sowohl die Schulbehörde, als auch die Wissenschafts- und die Sozialbehörde haben dort ihren Sitz. Die Eingänge zu den Ministerien und Ämtern liegen zwischen Haushaltswaren- und Kleidungsgeschäften. Dieses Konzept geht zurück bis in die 70er-Jahre, wo das Einkaufszentrum gebaut wurde: Denn es bot damals genügend Platz, um dort die Ämter unterzubringen. Und: Es liegt in der Mitte mehrerer Stadtteile mit entsprechendem Einzugsgebiet, außerdem nah an der Innenstadt und dem Rathaus – und die Anbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist gut. Bürgerämter integriert in die Shopping-Erlebniswelt – eine Synergie, die funktioniert, sagt Dirk Otto. Mit dem Komplettumbau wird es auch eine Kita im Zentrum geben: Für die Kinder der Behördenmitarbeiter und Angestellten des Handels:
"Es ist einmal sicherlich ein Wunsch der Behörde gewesen, ganz klar. Das Angebot ist da, ganz klar. Wir haben auch einen Interessenten gehabt, der das machen wollte. Das muss auch professionell gemacht werden. Und für uns ist das auf der anderen Seite auch interessant, das auch für den Kunden anzubieten."
Denn auch die Besucher können ihre Kinder stundenweise betreuen lassen. Nicht nur im Bällchenbad spielend, sondern es gebe ein richtiges pädagogisches Konzept. Das Einkaufszentrum in der Hamburger Straße gehört der ECE Projektmanagement GmbH. "Wir sind Shopping" steht mit großen weißen Lettern auf dem Titel der Unternehmenszeitschrift:
"Wir machen eigentlich nur das, was in deutschen Städten schon seit Jahrhunderten gut funktioniert. Nämlich dass es einen zentralen Platz gibt, wo man sich trifft, wo man einkauft. Aber wo man auch bummelt, verweilt. Und wo man immer wieder interessante Dinge erfahren will ..."
Zum Beispiel ob die Jacke, die man ins Auge gefasst hat, nun endlich reduziert ist ... Das meint Stefan Kugel, der Geschäftsführer Centermanagement der ECE aber wahrlich nicht, wenn er die Philosophie seines Unternehmens präsentiert. Zweieinhalb Millionen Menschen kaufen täglich in den 120 ECE-Einkaufszentren europaweit ein – seit 40 Jahren ist der EKZ-Experte in dem Markt aktiv. Und so kennt Kugel die Argumente der Gegner:
"Die Vorwürfe sind natürlich, dass ein Einkaufszentrum zunächst einmal in Konkurrenz steht zu dem etablierten Einzelhandel. Wir sehen das allerdings so, dass wir einen gewissen Mittelpunkt bilden, damit sicherlich auch das Abwandern von Kunden zum Beispiel in die Hamburger Innenstadt dagegen halten können ..."
Und das machen die Einkaufscenter-Betreiber mit immer neuen Ideen. Erlebniseinkauf nennen sie das.
"Früher sagte man immer, ein Warenhaus ist ein Magnet für die Innenstadt. Das sind heute die Shoppingcenter. Und wenn man dann natürlich immer versucht, aktuell zu bleiben, was den Branchenmix angeht, wie auch solche Angebote wie die Kindertagesstätte zu machen, dann ist das sicherlich kein aussterbendes Modell, sondern eher ein Modell, was Innenstädte stärkt."
Im Nordwesten der Hansestadt, knapp zehn Kilometer von der Hamburger Straße entfernt steht das EKZ Alstertal – mitten im Zentrum des Stadtteils Poppenbüttel. Drum herum erinnert alles mehr an eine Kleinstadt – Einfamilienhäuser, weißer Gartenzaun, Kombi vor der Tür – kein seltenes Bild auf dem Weg hin zum Shoppingparadies.
"Das ist eine andere Klientel, die da angesprochen wird."
Sagt Dirk Otto – denn Luxusmarken wie Strenesse oder Etienne Aigner würden in Barmbek wohl keinen allzu großen Zulauf haben, ist sich der Centermanager sicher. Anders im Alstertal – wo aber ebenfalls alle typischen EKZ-Geschäfte zu finden sind. Analysen sagen den Profis, wo was wie funktioniert – erklärt ECE Geschäftsführer Stefan Kugel:
"Wir machen Kundenbefragungen, regelmäßig. In allen unseren Einkaufszentren, also Meinungsforschung. Und dann kommt natürlich aus der Erfahrung von 40 Jahren Shoppingcenterbetrieb hat man dann auch ein Gefühl ..."
dafür, was eben wie wo funktioniert. Der Trend geht weiter Richtung Erlebniseinkauf mit Bürgerservice - sprich Behörden oder Kitas oder Vereine in den Shoppingcentern. Und was die Zentren auch noch bieten:
"Wir haben 360 Tage ein prima Klima."
Und auf kleinstem Raum das größte Angebot.