Sprecher: Gilles Chevalier
Ton: Hermann Leppich
Regie: Stefanie Lazai
Redaktion: Susanne Arlt
Kulturgeschichte des Humors in Deutschland
30:00 Minuten
Im Nachkriegsdeutschland gab es wenig zu lachen. Gerade deswegen war Humor so wichtig. Im Kalten Krieg wurde dann nach Ost und West ordentlich ausgeteilt. Und heute wird – bisweilen ziemlich humorlos – darüber diskutiert, wie weit Satire gehen darf.
1945: Der Krieg ist aus. Schluss mit lustig war vorher schon. Jetzt will man neu anfangen und auch mal wieder lachen. Zu den überlebenden Humorschaffenden ohne Nazi-Vergangenheit zählt Werner Finck. Ihm hatten seine Witze gegen den Nationalsozialismus KZ und Einsatz an der Ostfront eingebracht. Nach dem Krieg verarbeitet er diese Erfahrungen: humorvoll. Was bleibt dem alten Narren schon übrig? Seine Programme tragen Titel wie "Der brave Soldat schweigt" oder "Sein Kampf", Untertitel "Bewältigte Befangenheit".
"Ich habe eine richtige Angst gehabt. Ich dachte: Um Gottes Willen, wie wird das enden? Ich meine, wenn ich natürlich das damals schon gewusst hätte, was man also heute weiß, also dass das alles nur Mitläufer waren…"
Und dann ist da die nächste Generation: "Überlege Dir mal, wenn das die Soldaten hören. Eben kommen sie von der HKL, von der Hauptkampflinie zurück, haben Tee gefasst, Verpflegung gefasst, ihren Schnaps, ihre Zigaretten, kommen ins Zelt oder in den Saal und hören den Witz: Herr Hauptmann, ich habe zehn Gefangene gemacht! – Ja, bringen Sie sie doch her! – Geht nicht, die halten mich fest! Kannst Dir vorstellen: Fünf Minuten haben die getobt über den Witz! Ehrlich! Und draußen haben sie ihn erlebt und haben ihn gar nicht wahrgenommen in dem Sinne."
Und dann ist da die nächste Generation: "Überlege Dir mal, wenn das die Soldaten hören. Eben kommen sie von der HKL, von der Hauptkampflinie zurück, haben Tee gefasst, Verpflegung gefasst, ihren Schnaps, ihre Zigaretten, kommen ins Zelt oder in den Saal und hören den Witz: Herr Hauptmann, ich habe zehn Gefangene gemacht! – Ja, bringen Sie sie doch her! – Geht nicht, die halten mich fest! Kannst Dir vorstellen: Fünf Minuten haben die getobt über den Witz! Ehrlich! Und draußen haben sie ihn erlebt und haben ihn gar nicht wahrgenommen in dem Sinne."
Wolfgang Neuss lernt quasi im Schützengraben das Handwerk des Komikers. Das erste Kabarettprogramm, an dem er teilnimmt, trägt den bezeichnenden Titel "Lachkalorien". So ganz frei ist aber auch der neue Humor nicht. Neuss erzählt einen Witz über die Briten. Die Besatzer drohen mit einem Jahr Gefängnis. Sein Kollege Rolf Ulrich vom Berliner Kabarett "Die Stachelschweine" erlebt Ähnliches.
"Ich hatte zum Beispiel einen Song geschrieben. Der amerikanische Stadtkommandant, der hatte eine Freundin und die war im RIAS tätig. Das war die Stimme Berlins und die lispelte. Und da habe ich geschrieben: Ich bin die Stimme Berlins, ich lisple zwar, mal müder, mal flotter, doch alle Berliner könn‘ froh nur sein, det ich als Stimme Berlins nich‘ och noch stotter. Und da hat der mir also einen ganz bösen Brief geschrieben und hat gedroht, das Kabarett zu verbieten in seinem Sektor. Das sei eine Verunglimpfung, das könnte man nicht machen."
BRD und DDR als Zielscheiben für Spott
1949 entstehen die beiden deutschen Staaten, und damit wird der jeweils andere zum Ziel der Komik beziehungsweise des Spotts. In Berlin löcken die Insulaner und die Stachelschweine wider den Stachel des real existierenden Sozialismus.
"Wir sind kapitalistisch geknechtet. Darum ham wir Mayonnaise, Räucheraal und Schweizer Käse. Wir sind unfrei, versklavt und entrechtet. Darum ham wir Schmalz und Schinken und könn‘ Eiercognac trinken."
"Nu Karlchen, wie gefällt es Dir denn in unserer VEB-Werkstatt Kalter Hammer?" – "Na, prima, prima." – "Nu, weißt, wenn Du mal Ingenieur werden willst, denn musste Dich och freiwillig zu unserem Waffendienst melden, weeste des?" – "Muss ich des?" – "Nu klar! Wer nicht mit der Waffe in der Hand unseren Arbeiter- und Bauernstaat verteidigen will, für den ham wer in unserer VEB-Werkstatt keen Platz." – "Kenn isch noch sechs Stunden und dreizehn Minuten Bedenkzeit kriegen?" – "Fängst da Deine nächste Schicht an?" – "Nee, aber da geht der nächste Zug nach Westberlin."
"Wir sind kapitalistisch geknechtet. Darum ham wir Mayonnaise, Räucheraal und Schweizer Käse. Wir sind unfrei, versklavt und entrechtet. Darum ham wir Schmalz und Schinken und könn‘ Eiercognac trinken."
"Nu Karlchen, wie gefällt es Dir denn in unserer VEB-Werkstatt Kalter Hammer?" – "Na, prima, prima." – "Nu, weißt, wenn Du mal Ingenieur werden willst, denn musste Dich och freiwillig zu unserem Waffendienst melden, weeste des?" – "Muss ich des?" – "Nu klar! Wer nicht mit der Waffe in der Hand unseren Arbeiter- und Bauernstaat verteidigen will, für den ham wer in unserer VEB-Werkstatt keen Platz." – "Kenn isch noch sechs Stunden und dreizehn Minuten Bedenkzeit kriegen?" – "Fängst da Deine nächste Schicht an?" – "Nee, aber da geht der nächste Zug nach Westberlin."
In der DDR gibt es 1949 so gut wie keine satirische Szene mehr. Lizenzen für Kabarett-Neugründungen werden nicht vergeben – aus ideologischen Gründen, meint der Historiker Eckart Schörle: "Komik beruht ja viel auf Widersprüchen, natürlich auch auf gesellschaftlichen Widersprüchen, und in der reinen Lehre der DDR konnte man sagen, im Sozialismus, sind viele gesellschaftliche Widersprüche aufgehoben, also hat im Prinzip auch diese Komik keinen Platz mehr."
Humor als "scharfe Waffe im Klassenkampf"
1953 lassen die wachsenden Zahlen von DDR-Flüchtlingen in den Westen und der Volksaufstand die DDR-Führung zu der Überzeugung gelangen, dass es nützlich sein könnte, Foren einer begrenzten und kontrollierbaren Kritik zuzulassen.
Im selben Jahr werden in Ost-Berlin das Kabarett "Distel" und ein Jahr später in Leipzig die "Pfeffermühle" gegründet. In ihren Programmen dürfen sogar Missstände angesprochen werden.
"Und wenn de jern Bananen kaust und mal nen schicken Aal, denn kommt et vor, die jibt et nicht, na, det passiert schon mal. Doch det ist nur een sojenannter kleener enger Pass – zu Weihnachten und erstem Mai is allet da en masse."
"Kabarett funktioniert ja aus meiner Sicht nicht, wenn es zu systemkonform operiert. Es muss ja ein gewisses Maß an Kritik aufweisen, sonst gehen die Leute nicht rein. Dann funktioniert es auch mit der Ventilfunktion nicht." Und damit – so die Kulturwissenschaftlerin Sylvia Klötzer – befindet sich das Kabarett der DDR von Anfang an in einer verzwickten Lage: "Das war die Gratwanderung, einerseits erwünscht, andererseits kontrolliert und immer misstrauisch beäugt."
"Verzeihn‘ Sie gütigst, det ich hier den Westen nich besang, sonst würde meine Meckerarie sicher viel zu lang. Ich ging durch unseren Sektor nur und krichte schon nen Schock, denn schließlich sitzt det Hemde mit viel näher als der Rock."
"Es gab in der DDR eine Definition von Satire, die da besagte: Wir sind eine scharfe Waffe im Klassenkampf und nehmen lachend Abschied von den Fehlern der Vergangenheit", erklärt der DDR-Humorschaffende Peter Ensikat 2012 im Gespräch mit Dieter Hildebrandt die offizielle Lesart.
"Und wenn de jern Bananen kaust und mal nen schicken Aal, denn kommt et vor, die jibt et nicht, na, det passiert schon mal. Doch det ist nur een sojenannter kleener enger Pass – zu Weihnachten und erstem Mai is allet da en masse."
"Kabarett funktioniert ja aus meiner Sicht nicht, wenn es zu systemkonform operiert. Es muss ja ein gewisses Maß an Kritik aufweisen, sonst gehen die Leute nicht rein. Dann funktioniert es auch mit der Ventilfunktion nicht." Und damit – so die Kulturwissenschaftlerin Sylvia Klötzer – befindet sich das Kabarett der DDR von Anfang an in einer verzwickten Lage: "Das war die Gratwanderung, einerseits erwünscht, andererseits kontrolliert und immer misstrauisch beäugt."
"Verzeihn‘ Sie gütigst, det ich hier den Westen nich besang, sonst würde meine Meckerarie sicher viel zu lang. Ich ging durch unseren Sektor nur und krichte schon nen Schock, denn schließlich sitzt det Hemde mit viel näher als der Rock."
"Es gab in der DDR eine Definition von Satire, die da besagte: Wir sind eine scharfe Waffe im Klassenkampf und nehmen lachend Abschied von den Fehlern der Vergangenheit", erklärt der DDR-Humorschaffende Peter Ensikat 2012 im Gespräch mit Dieter Hildebrandt die offizielle Lesart.
Die "Geheimsprache" in der DDR
"Uns hat damals einfach vereint, dass wir radikal im Denken sein wollen und Tabus, die es gab, einfach nicht als Tabu anerkennen. Früher einte uns fast subversiv mit dem Publikum eine subversive Verschwörung", meint Wolfgang Schaller, der in den 1970er-Jahren gemeinsam mit Ensikat legendäre Kabarettprogramme für die Dresdner "Herkuleskeule" schreibt.
In der DDR wird Humor quasi zu einer Art Geheimsprache. Zwar spricht auch Dieter Hildebrandt viele Sätze nur halb und lässt das Publikum sie zu Ende denken. In der DDR aber werden Humorproduktion und ihre Rezeption zu einer Kunstform, die ein hohes Maß an Übung und Aufmerksamkeit fordert.
In der DDR wird Humor quasi zu einer Art Geheimsprache. Zwar spricht auch Dieter Hildebrandt viele Sätze nur halb und lässt das Publikum sie zu Ende denken. In der DDR aber werden Humorproduktion und ihre Rezeption zu einer Kunstform, die ein hohes Maß an Übung und Aufmerksamkeit fordert.
2012 sagt Hildebrandt im Gespräch mit Peter Ensikat: "Ich wurde gefragt nach dem Gastspiel in Leipzig, was das Publikum in Leipzig unterscheidet von dem in München beispielsweise. Und da ist mir das aufgefallen, dass das Publikum dort immer vorne sitzt auf dem Stuhl." – "Auf der Stuhlkante!" – "Und das Publikum bei uns…" Hildebrandt lehnt sich zurück. "…immer so sitzt." – "Inzwischen sitzen wir alle so."
Sendestörung im Fernsehen
Die DDR-Kabaretts sind Staatsbühnen und unterliegen daher der Kontrolle der Bezirksfunktionäre. Programme müssen vor der Aufführung absegnet werden. Im Westen gibt es diese Vorzensur nicht. Es kam aber immer mal wieder vor, dass Fernsehübertragungen von Kabarettsendungen abgesetzt wurden, wenn das Programm politisch zu heikel war.
Ein frühes Beispiel: 1955 tritt Wolfgang Neuss in Westberlin bei einem bunten Abend für Bundestagsabgeordnete auf. CDU-Mann Ernst Lemmer spricht die prophetische Einleitung: "Das freie politische Kabarett hört da auf, wo auch die Demokratie ihr Ende gefunden hat."
Worauf Neuss seine spitzen, aber letztlich harmlosen Pointen abfeuert:
Worauf Neuss seine spitzen, aber letztlich harmlosen Pointen abfeuert:
"So, ick werde jetzt gleich ein bisschen schneller sprechen – also, det mach ick immer, ich versuche denn, beim Sprechen zu denken. Falls einer der Herren das nicht kennen sollte, also entschuldigen sie bitte…"
"Mensch, da steht nun so ein Vopo an der Zonengrenze, elf Jahre lang. Und wat sieht er, wenn er sich umkieckt rings um Berlin? Türme, Türme, Türme. Und was denkt er? Na bitte."
"Mensch, da steht nun so ein Vopo an der Zonengrenze, elf Jahre lang. Und wat sieht er, wenn er sich umkieckt rings um Berlin? Türme, Türme, Türme. Und was denkt er? Na bitte."
Auf bundesdeutschen TV-Geräten zu sehen ist währenddessen allerdings der Schriftzug "Technische Störung". Ein ARD-Intendant hatte im vorauseilenden Gehorsam gehandelt. Aus Angst vor politischen Witzen.
Unpolitischer Witz und Wirtschaftswunder
Das Gros der Bürger beider Staaten amüsiert sich derweil aber mit unpolitischer Komik. In Westdeutschland ist mit dieser Art des Humors vor allem eine Person verbunden: Heinz Erhardt.
"Oh wär’ ich der Kästner Erich! Auch wär’ ich gern Christian Morgenstern. Und hätt’ ich nur einen Satz – vom Ringelnatz. Doch nichts davon. Zu aller Not – hab ich auch nichts von Eugen Roth. Drum bleib ich, wenn es mir auch schwer ward, nur der Heinz Erhardt."
"Oh wär’ ich der Kästner Erich! Auch wär’ ich gern Christian Morgenstern. Und hätt’ ich nur einen Satz – vom Ringelnatz. Doch nichts davon. Zu aller Not – hab ich auch nichts von Eugen Roth. Drum bleib ich, wenn es mir auch schwer ward, nur der Heinz Erhardt."
Sprachlich ist Heinz Erhardt einigen seiner Vorbilder durchaus ebenbürtig, aber nicht politisch: "Heinz Erhardt in seiner kompletten Harmlosigkeit ist ja eher eine Verdrängung von Geschichte als nur einfach harmlose Heiterkeit", meint der Humorforscher Rainer Stollmann. Insofern ist Erhardt der richtige Komiker für das Wirtschaftswunder. Ganz anders sieht es zu diesem Zeitpunkt in Großbritannien aus.
Mitte der 1950er Jahre sind Spike Milligan und Peter Sellers in Großbritannien ähnlich populär wie Erhard in Deutschland. In der "Goon Show" präsentieren sie eine Komik, die in der Tradition von Laurence Sterne und Lewis Carroll gesehen werden kann, und in der es ständig um den Krieg geht.
"What time is it Eccles?" – "Just a minute. I've got it written down here on a piece of paper. A nice man wrote the time down for me this morning."
Solch absurde und groteske Komik hätte im Deutschland der 1950er-Jahre weder in Ost noch in West ein Publikum gefunden. Das ändert sich in den 1960er-Jahren. 1967 heißt es auch im deutschen Fernsehen: and now for something completely different.
Solch absurde und groteske Komik hätte im Deutschland der 1950er-Jahre weder in Ost noch in West ein Publikum gefunden. Das ändert sich in den 1960er-Jahren. 1967 heißt es auch im deutschen Fernsehen: and now for something completely different.
Absurd, grotesk, anarchisch
"Meine Damen und Herren, und nun zu etwas Ernstem. Der Frauenüberschuss ist in den letzten zehn Jahren zu einem bedrückenden Problem geworden." Da sitzt ein distinguierter Herr in geschmackvollem Anzug in schwarz-weiß auf einem Sofa und berichtet todernst von einem Professor Mutzenberger, der ein Verfahren entwickelt habe, mit der man des Frauenproblems Herr werden könne.
"Herr Professor Mutzenberger. Sie sind mit dem Nobehlpreis [sic] ausgezeichnet worden für die erste gelungene Umwandlung einer Frau in ein Kaninchen." – "1953 glückte es mir, den Kopf einer 40-jährigen Postangestellten auf ein zweijähriges Kaninchen umzusetzen, nicht wahr? Die Dame verrichtete noch jahrelang Schalterdienst, heiratete dann ein älteres Wildkaninchen und lebt heute nach ihrer Scheidung zurückgezogen in einer Heidelberger Kleintierhandlung." – "Natürlich."
"Herr Professor Mutzenberger. Sie sind mit dem Nobehlpreis [sic] ausgezeichnet worden für die erste gelungene Umwandlung einer Frau in ein Kaninchen." – "1953 glückte es mir, den Kopf einer 40-jährigen Postangestellten auf ein zweijähriges Kaninchen umzusetzen, nicht wahr? Die Dame verrichtete noch jahrelang Schalterdienst, heiratete dann ein älteres Wildkaninchen und lebt heute nach ihrer Scheidung zurückgezogen in einer Heidelberger Kleintierhandlung." – "Natürlich."
"Manches, was Loriot damals geleistet hat, ist dem anarchischen Humor nicht so ganz fremd, würde ich meinen", kommentiert Eckhard Henscheid. 1969 wird er zum Redakteur einer bereits 1962 gegründeten Satirezeitschrift. Ihr Titel: "Pardon". Deren erstes Titelbild stammt von Loriot. Ein Herr mit Einstecktuch und Fliege hält freundlich einen Blumenstrauß in die Luft – mitten im Blumenbukett steckt eine Bombe.
"Heute hat eben das Zeitlose und Gemütliche von ihm überdauert, weil es auch heute tatsächlich ohne zeitlichen Bezug auskommt und für sich stehend immer noch sehr komisch ist. Aber der war genauso auch ein politischer und gesellschaftskritischer Künstler", urteilt der frühere Chefredakteur des Satiremagazins "Titanic", Oliver Maria Schmitt, über Loriot.
Randbemerkung: Neben dem politischen, dem harmlosen und dem absurden Humor erlebt auch die Zote in den 1960er-Jahren eine Renaissance. Herrenabend-Witzschallplatten mit Titeln wie "Damen bitte weghören" oder "Die Wildsäue" finden reißenden Absatz. Auf Ausschnitte wollen wir hier aber verzichten. Freiwillig.
Politisch und hedonistisch
Als Eckhard Henscheid zu "Pardon" stößt, erreicht die Zeitschrift ihre höchste Auflage. Hier zeigt sich die spezielle Melange aus hochpolitisiertem Anspruch und hedonistischem Individualismus, wie sie für die 68er-Protagonisten typisch ist. "Pardon" steht für einen Aufbruch. "Nicht unbedingt im Sinne einer Umwälzung der Gesellschaft", so Eckhard Henscheid. "Das wurde damals auch schon hin und wieder ins Gespräch gebracht, mal ernst, mal weniger ernst, dass formale Neuerungen das Gefühl der da draußen im Lande stützen könnten, dass man sich nicht alleine auf dieser seltsamen Welt der Sechzigerjahre, also immer noch Adenauerrepublik, vorkommt, und dass da zum Beispiel ein satirisches Organ hilfreich sein könnte."
Aus "Pardon" geht die "Neue Frankfurter Schule" hervor, zu deren Gründern neben Henscheid Bernd Eilert, F.W. Bernstein, Chlodwig Poth und Robert Gernhardt zählen. Die stehen aber keineswegs nur für die hohe Schule des Humors, sondern befördern auch einen Komiker-Typus mit, der heute nicht unbedingt für intellektuellen Humor steht: Otto Waalkes.
"Insofern gibt es da eine kongeniale Popularisierungsfigur, die Otto dargestellt hat und die Brücke zu jungen, dummen Menschen wie mich hergestellt hat, die einfach über so etwas lachen konnten und nicht wussten, dass das eigentlich was Intelligentes ist."
Zur Zusammenarbeit, so der Kulturwissenschaftler Uwe Wirth, kommt es, weil Otto die Texte der "Neuen Frankfurter Schule" im Radio gehört und einfach übernommen hat: "Irgendwann ist das Knorr, Eilert und Gernhardt zu Ohren gekommen und die sagten: Mein lieber Freund, wenn du unsere Witze hier auf die Bühne bringst, dann wollen wir beteiligt werden. Und sie haben ihn sozusagen gezwungen, sie zu seinen Ghostwritern zu machen." Und auch an anderer Stelle bedient sich Otto: beim jüdischen Humor.
Aus "Pardon" geht die "Neue Frankfurter Schule" hervor, zu deren Gründern neben Henscheid Bernd Eilert, F.W. Bernstein, Chlodwig Poth und Robert Gernhardt zählen. Die stehen aber keineswegs nur für die hohe Schule des Humors, sondern befördern auch einen Komiker-Typus mit, der heute nicht unbedingt für intellektuellen Humor steht: Otto Waalkes.
"Insofern gibt es da eine kongeniale Popularisierungsfigur, die Otto dargestellt hat und die Brücke zu jungen, dummen Menschen wie mich hergestellt hat, die einfach über so etwas lachen konnten und nicht wussten, dass das eigentlich was Intelligentes ist."
Zur Zusammenarbeit, so der Kulturwissenschaftler Uwe Wirth, kommt es, weil Otto die Texte der "Neuen Frankfurter Schule" im Radio gehört und einfach übernommen hat: "Irgendwann ist das Knorr, Eilert und Gernhardt zu Ohren gekommen und die sagten: Mein lieber Freund, wenn du unsere Witze hier auf die Bühne bringst, dann wollen wir beteiligt werden. Und sie haben ihn sozusagen gezwungen, sie zu seinen Ghostwritern zu machen." Und auch an anderer Stelle bedient sich Otto: beim jüdischen Humor.
Woody Allen: "Honeymooning, I was fabulous, you would have adored me. I was on waterskis."
Otto: "Und weißt du denn nicht mehr, wir beide im Urlaub? Ich auf Wasserskiern auf dem Chiemsee. Ich glitt über die Gischt dahin. Mein Köper war geölt. Meine Haare wehten im Wind. Mit einer Hand… und du, du saßt vorne im Boot und rudertest wie wild!"
Woody Allen: "My wife was in the boat ahead of me, rowing frantically."
Seine Anleihen bei Woody Allen sind eines der vielen kleinen Mosaiksteinchen, mit dem auch der jüdische Humor sich leise wieder in den deutschen Humor zurückschleicht.
Massenunterhaltung in den Fernsehshows
Derweil findet humoristische Massenunterhaltung in der DDR vor allem in den großen Fernsehshows statt. Anders als im Westen wird das politische Kabarett in der DDR nicht im Fernsehen übertragen – zu riskant: "Die DDR war nicht so souverän. Da gab es zu viele Funktionäre, die das als feindlich betrachtet hätten", sagt die Kulturwissenschaftlerin Sylvia Klötzer.
Ein Sonderfall unter den humoristischen DDR-Unterhaltern ist O. F. Weidling. Als Moderator der wichtigsten DDR-Fernsehshows überschreitet Weidling mit satirischen, subversiven Witzen die Grenzen zum Kabarett.
Ein Sonderfall unter den humoristischen DDR-Unterhaltern ist O. F. Weidling. Als Moderator der wichtigsten DDR-Fernsehshows überschreitet Weidling mit satirischen, subversiven Witzen die Grenzen zum Kabarett.
"Man darf ja nicht alles ins Ausland schicken. Ich habe das mal gelesen in Karl-Marx-Stadt am Hauptbahnhof, da war ein Aushang am Postamt, da stand drauf: Was ein DDR-Bürger alles nicht ins Ausland schicken darf. Da standen ja Sachen drauf, die kannte ich noch gar nicht. Sie dürfen zum Beispiel, steht da, ins Ausland keine Munition schicken. Aber auch keinen Räucheraal. Gut, Munition werden Sie vielleicht noch kriegen."
Als er in seiner Moderation zur Eröffnung des neuen Friedrichstadt-Palastes in Berlin 1984 im Angesicht der versammelten DDR-Staatsführung kritische Witze macht, wird ihm das zum Verhängnis. Er wird aus dem Verkehr gezogen. Wolfgang Schaller, Autor der "Herkuleskeule", erinnert sich: "Den kannte ich sehr gut. Er hat bei uns als Gast in einem Programm mitgemacht als Conferencier, und hat ja dann die Eröffnung des Friedrichstadt-Palastes moderiert. Das war ja sein eigentlicher Tod, da genügten ja ein paar harmlose Witze, um zum Staatsfeind zu werden."
Ab den Achtzigerjahren wird mehr möglich, auch in der "Herkuleskeule": "Wenn man die heute liest oder sieht, die sind immer noch von großer Intensität. Da sprechen die Endjahre der DDR aus diesem Programmen. Die sind ziemlich dicht an der Atmosphäre der Zeit", so Sylvia Klötzer.
Ab den Achtzigerjahren wird mehr möglich, auch in der "Herkuleskeule": "Wenn man die heute liest oder sieht, die sind immer noch von großer Intensität. Da sprechen die Endjahre der DDR aus diesem Programmen. Die sind ziemlich dicht an der Atmosphäre der Zeit", so Sylvia Klötzer.
"Eulenspiegel" und "Titanic" – typisch Ost und West?
Die "Herkuleskeule" macht bis heute Kabarett. Auch eine andere Satire-Institution hat die DDR überlebt – das Magazin "Eulenspiegel" –, so wie sein West-Pendant "Titanic", das 1979 gegründet wurde, die alte Bundesrepublik überlebt hat. Ihre jeweiligen Leserschaften sind allerdings noch fast alle entlang der alten Zonengrenze geteilt.
"Dass wir ein Ost-Blatt sind, das ist einfach so", sagt "Eulenspiegel"-Redakteur Andreas Koristka. Das sieht auch der frühere "Titanic"-Chefredakteur Oliver Maria Schmitt so, weshalb man einst auch schon mal angekündigt hat, den Verkauf der "Titanic" im Osten einzustellen: "Wir haben die Spaltung des deutschen Satiremarkts wiederhergestellt. Das entsprach einer wirtschaftlichen Realität. Wir haben im Osten kaum Verkäufe gehabt. Das ist, glaube ich, bis heute so geblieben."
Allerdings muss die "Titanic" damit leben, dass der "Eulenspiegel" mittlerweile auch Leser im Westen findet: "Die werden seit Kurzem interessanterweise ein bisschen mehr. Wir nehmen das erstaunt zur Kenntnis", sagt Koristka. Aber die "Titanic" hat auch Leser im Osten: "Es gibt ein paar Inseln der Intelligenz in Dresden, Chemnitz, Leipzig, Gotha, Brandenburg, Burg, Schwerin, Rostock, Ost-Berlin", so Schmitt.
Im Großen und Ganzen kommt man sich aber nicht ins Gehege, meint Koristka: "Die Titanic ist unsere kleine Schwester aus dem Westen und wir verfolgen mit Wohlwollen, was da passiert. Die Unterschiede sind gar nicht so groß, die Titanic legt vielleicht ein bisschen größeren Akzent darauf, was so in ihrer eigenen Twitter-Bubble passiert, und wir kümmern uns eher um die Sachen, die in der Tagesschau behandelt werden. Wir sind so das Schwarzbrot der Satire."
Es gibt in vielen Punkten aber Übereinstimmungen – zum Beispiel in der Einstellung zur Satire: "Der einzige Geist, der Titanic damals zur Gründung brachte und bis heute gehalten hat, ist das klare Ja zum Nein, beziehungsweise das klare Nein zum Ja", sagt Schmitt. Und Koristka: "Eine destruktive Grundhaltung für Satire ist ganz gut."
Und man teilt auch die Meinung über die Wirkung von Satire. "Hat sie jemals dazu geführt, dass die Mehrwertsteuer gesenkt oder ein Krieg verhindert wurde?", fragt Oliver Maria Schmitt. "Ich würde sagen, es ist sinnlos. Es fängt ja schon in der Schulzeit an. Die Leute, die lustig sind, die können sich meist nicht anders verteidigen und entwickeln Witze. Das ist so eine Art zurückzuschlagen, die aber meist verhallt, schon in der Schule", meint Koristka. Aber auch darüber kann man – geteilter Meinung sein.
"Dass wir ein Ost-Blatt sind, das ist einfach so", sagt "Eulenspiegel"-Redakteur Andreas Koristka. Das sieht auch der frühere "Titanic"-Chefredakteur Oliver Maria Schmitt so, weshalb man einst auch schon mal angekündigt hat, den Verkauf der "Titanic" im Osten einzustellen: "Wir haben die Spaltung des deutschen Satiremarkts wiederhergestellt. Das entsprach einer wirtschaftlichen Realität. Wir haben im Osten kaum Verkäufe gehabt. Das ist, glaube ich, bis heute so geblieben."
Allerdings muss die "Titanic" damit leben, dass der "Eulenspiegel" mittlerweile auch Leser im Westen findet: "Die werden seit Kurzem interessanterweise ein bisschen mehr. Wir nehmen das erstaunt zur Kenntnis", sagt Koristka. Aber die "Titanic" hat auch Leser im Osten: "Es gibt ein paar Inseln der Intelligenz in Dresden, Chemnitz, Leipzig, Gotha, Brandenburg, Burg, Schwerin, Rostock, Ost-Berlin", so Schmitt.
Im Großen und Ganzen kommt man sich aber nicht ins Gehege, meint Koristka: "Die Titanic ist unsere kleine Schwester aus dem Westen und wir verfolgen mit Wohlwollen, was da passiert. Die Unterschiede sind gar nicht so groß, die Titanic legt vielleicht ein bisschen größeren Akzent darauf, was so in ihrer eigenen Twitter-Bubble passiert, und wir kümmern uns eher um die Sachen, die in der Tagesschau behandelt werden. Wir sind so das Schwarzbrot der Satire."
Es gibt in vielen Punkten aber Übereinstimmungen – zum Beispiel in der Einstellung zur Satire: "Der einzige Geist, der Titanic damals zur Gründung brachte und bis heute gehalten hat, ist das klare Ja zum Nein, beziehungsweise das klare Nein zum Ja", sagt Schmitt. Und Koristka: "Eine destruktive Grundhaltung für Satire ist ganz gut."
Und man teilt auch die Meinung über die Wirkung von Satire. "Hat sie jemals dazu geführt, dass die Mehrwertsteuer gesenkt oder ein Krieg verhindert wurde?", fragt Oliver Maria Schmitt. "Ich würde sagen, es ist sinnlos. Es fängt ja schon in der Schulzeit an. Die Leute, die lustig sind, die können sich meist nicht anders verteidigen und entwickeln Witze. Das ist so eine Art zurückzuschlagen, die aber meist verhallt, schon in der Schule", meint Koristka. Aber auch darüber kann man – geteilter Meinung sein.
Wiedervereinigung und der Comedyboom
Mit dem Ende der DDR kommt die Wiedervereinigung. Auch bei der Zusammenführung des Humors geht nicht alles glatt. Zu unterschiedlich sind die Rezeptionen. Anfang der 1990er rücken Künstler wie Helge Schneider und Harald Schmidt ins Zentrum des Humorgeschehens. Mit seinen schrillen Outfits und seiner Mimik zählt Schneider eher zu den Vertretern der Groteske und des absurden Humors.
Harald Schmidt verschiebt die Grenzen des Humors. Er sagt Dinge, die viele Humorschaffende heute so nicht mehr sagen würden. "Der war, wenn man so will, Ausdruck einer ins Zynische gewendeten postmodernen Ironie, die zu der Zeit sehr gut gewirkt hat", sagt Uwe Wirth. "Die eben auch als Popularisierung einer intellektuellen Haltung auf die Bühne gebracht wurde und zwar so, dass es jeder spüren konnte. Und heute, im Gefolge von 9/11 und vielen anderen Ereignissen sind wir insgesamt sehr viel ernster geworden, umgekehrt aber auch, und das ist dann wiederum die entlastende Kehrseite der Medaille, sehr viel ausgelassener und es geht sehr viel mehr. Und manchmal hat man den Eindruck, es bedarf einer existenziellen Brisanz, damit die Witze und die Komik wieder interessanter und relevanter werden."
Dazu kommt der Comedyboom mit Protagonisten wie Mario Barth – der Wiedergeburt des Witzeerzählers und Zotenreißers, eine Art Fips Asmussen 2.0. Und mit Anke Engelke bekommt der hiesige Humor auch eine weibliche Galionsfigur. Und damit wären wir dann in der Gegenwart.
Nach wie vor von Männern dominiert
Das Kabarett gibt es noch immer. Aber: "Es ist eine bestimmte Generation, immer noch von Männern, die klassisches politisches Kabarett machen. Da sind auch Frauen nicht zu finden. In den jüngeren Formaten, wie gesagt, Stand-up, Poetry Slam – da kommen jetzt die Frauen nach und nach durch."
Der Humor ist in den letzten Jahren diverser geworden, betont die Journalistin Daniela Mayer, Autorin des Buches "Querulantinnen. Kabarett und Poesie" und Redakteurin mehrerer Humor-Sendungen im ARD-Hörfunk. Auch die Formen sind heute vielfältiger – nicht zuletzt durch den Einfluss der USA. "Was man merkt, ist vor allem in der Stand-up-Szene, dass sich viele versuchen, an den USA zu orientieren. In den USA gibt es die politischen Comedians. Das ist ja ein Begriff, den es bei uns gar nicht so ergibt. Political Comedy, das ist was, was viele gerne betreiben möchten, auch hier weg vom politischen Kabarett, sondern Unterhaltung und Politik in einem. Das soll ja funktionieren."
Der Humor ist in den letzten Jahren diverser geworden, betont die Journalistin Daniela Mayer, Autorin des Buches "Querulantinnen. Kabarett und Poesie" und Redakteurin mehrerer Humor-Sendungen im ARD-Hörfunk. Auch die Formen sind heute vielfältiger – nicht zuletzt durch den Einfluss der USA. "Was man merkt, ist vor allem in der Stand-up-Szene, dass sich viele versuchen, an den USA zu orientieren. In den USA gibt es die politischen Comedians. Das ist ja ein Begriff, den es bei uns gar nicht so ergibt. Political Comedy, das ist was, was viele gerne betreiben möchten, auch hier weg vom politischen Kabarett, sondern Unterhaltung und Politik in einem. Das soll ja funktionieren."
Die ironische, mitunter verächtliche Pose, mit der Harald Schmidt vom Schreibtisch aus die Zeitgeschehnisse bissig und distanziert kommentiert, ist von der performativen Komik eines Jan Böhmermann oder Martin Sonneborn von der Satirepartei "Die Partei" abgelöst worden. Man stürzt sich ins Getümmel.
Umstrittene Künstler und Künstlerinnen
Zugleich ist Humor umstrittener denn je, die Rede ist von Redeverboten und einer Cancel Culture. Davon spricht auch der umstrittene Künstler, oder, wie er sich selbst im Gespräch bezeichnet, der Influencer Dieter Nuhr:
"Cancel Culture funktioniert nicht so, dass man nicht mehr sprechen darf. Cancel Culture funktioniert so, dass das, was man gesprochen hat, so etikettiert wird, dass es in bestimmten Kreisen als Zumutung und nicht mehr zu diskutieren wahrgenommen wird. Natürlich habe ich weiter meine Bühne, andere Leute haben Probleme, Auftritte zu finden, das ist bei mir nicht der Fall. Dafür habe ich vielleicht auch eine zu große Verbreitung. Bei mir ist man damit natürlich vorsichtiger. Aber es geht in erster Linie darum, dass Leute durch Etikettierung ausgeschlossen werden aus dem Bereich der zivilisierten Diskussionsteilnehmer, dass man ihre Stimme nicht mehr hören muss. Das ist das Wesentliche, was Cancel Culture heute ausmacht."
Konkret nennt Dieter Nuhr die Kabarettistin Lisa Eckhart, die im Sommer von einer Hamburger Literaturveranstaltung ausgeladen wurde. "Titanic"-Chefredakteur Moritz Hürtgen sieht da keine Cancel Culture am Werk: "Die Leute, die hier in Deutschland als von Cancel Culture bedroht dargestellt werden, das waren in den letzten Monaten konkret Menschen wie Lisa Eckhart und andere Comedians. Diese Leute werden, sobald sich die Debatte um sie dreht, hundertmal so oft befragt, da wird überhaupt nichts gecancelt, im Gegenteil. In progressiven Räumen an Universitäten, da gab es schon immer wahnsinnig viele humorlose Leute, gerade im linken Milieu. Heute sind die einfach leichter zu finden, weil sie halt Social-Media-Kanäle haben. Das macht sie aber überhaupt nicht mächtiger als damals und es werden auch nicht mehr. Und wer damit nicht umgehen kann, der soll dann halt verstummen, aber bitte nicht herumheulen und so tun, als wäre er in seiner Arbeit oder in seiner Möglichkeit, sich zu äußern, konkret bedroht. Damit macht man nur Rechtsradikalen Räume auf. Das ist eine ganz gefährliche Sache."
Über den Fall Lisa Eckhart wird kontrovers diskutiert. Sie hatte sich auf der Bühne über die Missbrauchsaffären um Harvey Weinstein und Roman Polanski geäußert.
Zitat Lisa Eckhart: "Es ist doch nur gut, wenn wir den Juden jetzt gestatten, ein paar Frauen auszugreifen. Mit Geld ist ja nichts gut zu machen. Ich meine, den Juden Reparationen zu zahlen, das ist wie Didi Mateschitz sein Red Bull auszugeben."
Dieter Nuhr: "Ich glaube, dass nicht verstanden worden ist, mit welchen Mitteln Lisa Eckhart arbeitet, nämlich mit denen der Verstörung, der Gegenüberstellung von Klischees. Sie selber ist ja ein Bühnenklischee, ihre Rolle. Sie spielt eine Rolle auf der Bühne."
Dagegen sieht der Medienwissenschaftler Lars Koch ihr Bühnenspiel kritisch: "Wenn Frau Eckhart sich dann darauf bezieht, dass sie doch hier eigentlich in Form von Rollenprosa eine Kritik an bestimmten Stereotypen vornimmt, dann wäre meine Antwort: Diese Stereotypen, gegen die sie vermeintlich anrennt, die gibt es in der Form gar nicht. Und das, was sie tut, ist eben nicht Dekonstruktion, sondern sie nimmt eine Sprechposition willentlich ein, die darauf abzielt, Ressentiments zu aktualisieren. Dieses aufklärerische Moment, das sie für sich in Anspruch nimmt, das geht meines Erachtens an der Wirklichkeit und auch an dem Status dieser antisemitischen Klischees vorbei. Weil da gar nichts zu dekonstruieren wäre. Ob man deswegen Lisa Eckhart von Festivals ausladen muss, finde ich eine ganz andere Frage."
Bei der "Titanic", die sogar schon von einem Papst verklagt wurde, hat man in Bezug auf das Meinungsklima schon Schlimmeres erlebt: "Ich glaube, man durfte noch nie so viel sagen wie heute", sagt Oliver Maria Schmitt. "Zu meinen Zeiten, also zu Adenauers Zeiten, da ist noch viel härter zur Widerspruchssache gegangen worden. Es hat die humorlosen Rechthaber und Unbill rufenden Moralapostel auch immer gegeben. Die wird es auch immer gegeben. Aber dass es irgendwo Sprachverbote und Ausladungsgebote gibt, das halte ich für einen koketten Unsinn. Zum Glück haben wir noch…" – nachäffend – "…eine relativ freie Presse hier unter der Merkel-Diktatur."
"Cancel Culture funktioniert nicht so, dass man nicht mehr sprechen darf. Cancel Culture funktioniert so, dass das, was man gesprochen hat, so etikettiert wird, dass es in bestimmten Kreisen als Zumutung und nicht mehr zu diskutieren wahrgenommen wird. Natürlich habe ich weiter meine Bühne, andere Leute haben Probleme, Auftritte zu finden, das ist bei mir nicht der Fall. Dafür habe ich vielleicht auch eine zu große Verbreitung. Bei mir ist man damit natürlich vorsichtiger. Aber es geht in erster Linie darum, dass Leute durch Etikettierung ausgeschlossen werden aus dem Bereich der zivilisierten Diskussionsteilnehmer, dass man ihre Stimme nicht mehr hören muss. Das ist das Wesentliche, was Cancel Culture heute ausmacht."
Konkret nennt Dieter Nuhr die Kabarettistin Lisa Eckhart, die im Sommer von einer Hamburger Literaturveranstaltung ausgeladen wurde. "Titanic"-Chefredakteur Moritz Hürtgen sieht da keine Cancel Culture am Werk: "Die Leute, die hier in Deutschland als von Cancel Culture bedroht dargestellt werden, das waren in den letzten Monaten konkret Menschen wie Lisa Eckhart und andere Comedians. Diese Leute werden, sobald sich die Debatte um sie dreht, hundertmal so oft befragt, da wird überhaupt nichts gecancelt, im Gegenteil. In progressiven Räumen an Universitäten, da gab es schon immer wahnsinnig viele humorlose Leute, gerade im linken Milieu. Heute sind die einfach leichter zu finden, weil sie halt Social-Media-Kanäle haben. Das macht sie aber überhaupt nicht mächtiger als damals und es werden auch nicht mehr. Und wer damit nicht umgehen kann, der soll dann halt verstummen, aber bitte nicht herumheulen und so tun, als wäre er in seiner Arbeit oder in seiner Möglichkeit, sich zu äußern, konkret bedroht. Damit macht man nur Rechtsradikalen Räume auf. Das ist eine ganz gefährliche Sache."
Über den Fall Lisa Eckhart wird kontrovers diskutiert. Sie hatte sich auf der Bühne über die Missbrauchsaffären um Harvey Weinstein und Roman Polanski geäußert.
Zitat Lisa Eckhart: "Es ist doch nur gut, wenn wir den Juden jetzt gestatten, ein paar Frauen auszugreifen. Mit Geld ist ja nichts gut zu machen. Ich meine, den Juden Reparationen zu zahlen, das ist wie Didi Mateschitz sein Red Bull auszugeben."
Dieter Nuhr: "Ich glaube, dass nicht verstanden worden ist, mit welchen Mitteln Lisa Eckhart arbeitet, nämlich mit denen der Verstörung, der Gegenüberstellung von Klischees. Sie selber ist ja ein Bühnenklischee, ihre Rolle. Sie spielt eine Rolle auf der Bühne."
Dagegen sieht der Medienwissenschaftler Lars Koch ihr Bühnenspiel kritisch: "Wenn Frau Eckhart sich dann darauf bezieht, dass sie doch hier eigentlich in Form von Rollenprosa eine Kritik an bestimmten Stereotypen vornimmt, dann wäre meine Antwort: Diese Stereotypen, gegen die sie vermeintlich anrennt, die gibt es in der Form gar nicht. Und das, was sie tut, ist eben nicht Dekonstruktion, sondern sie nimmt eine Sprechposition willentlich ein, die darauf abzielt, Ressentiments zu aktualisieren. Dieses aufklärerische Moment, das sie für sich in Anspruch nimmt, das geht meines Erachtens an der Wirklichkeit und auch an dem Status dieser antisemitischen Klischees vorbei. Weil da gar nichts zu dekonstruieren wäre. Ob man deswegen Lisa Eckhart von Festivals ausladen muss, finde ich eine ganz andere Frage."
Bei der "Titanic", die sogar schon von einem Papst verklagt wurde, hat man in Bezug auf das Meinungsklima schon Schlimmeres erlebt: "Ich glaube, man durfte noch nie so viel sagen wie heute", sagt Oliver Maria Schmitt. "Zu meinen Zeiten, also zu Adenauers Zeiten, da ist noch viel härter zur Widerspruchssache gegangen worden. Es hat die humorlosen Rechthaber und Unbill rufenden Moralapostel auch immer gegeben. Die wird es auch immer gegeben. Aber dass es irgendwo Sprachverbote und Ausladungsgebote gibt, das halte ich für einen koketten Unsinn. Zum Glück haben wir noch…" – nachäffend – "…eine relativ freie Presse hier unter der Merkel-Diktatur."
Mahnung zu mehr Dialog und Gelassenheit
Eckhard Henscheid findet zwar, es werde ein bisschen zu sehr auf Political Correctness geachtet – und mahnt zur Gelassenheit: "An Bestrafungswut, an Übelnehmerei und dergleichen, das kam in den letzten Jahren stark zum Durchbruch. Aber ich will es nicht dämonisieren. Also, dass Satiriker dauernd mit einem Bein im Grab und unter dem Galgen stehen, soweit ist es immer noch nicht." Und die Kabarettistin Idil Baydar, die Drohschreiben des sogenannten "NSU 2.0" erhalten hat, erklärt, man könne auf Kritik auch anders als genervt reagieren.
"Ich habe Judenstern gesagt in einer Situation und wurde von Juden darauf hingewiesen, dass es Davidstern heißt. Und dann wird dir erst einmal klar: Ach, Kacke, stimmt! Weil ich Judenstern immer noch aus dem Geschichtsunterricht kannte, ist das so drin, dass man automatisch so eine Nazisprache verwendet. Ich hätte jetzt auch sagen können: Ja nun, das haben wir immer so gesagt. Was heult ihr denn jetzt? Kann man hier nichts mehr sagen in dem Land. Ich habe einen Recht auf meine Meinung. Oder ich kann sagen: Hey, danke für die Korrektur, war assi, hab ich nicht gewusst – und kriege dann einen warmen Blick zurück. Und weißt du, hier haben wir was gemacht für unseren Frieden."
Humor in Deutschland bleibt – trotz geografischer Grenzen – noch immer eines: eine individuelle Angelegenheit. Den deutschen Humor, soviel können wir abschließend sagen, gibt es nicht. Was den einen zu weit geht, geht den anderen nicht weit genug. So war es immer – und so wird es vermutlich auch immer bleiben. Tragen wir es mit Fassung. Oder besser: mit Humor.
"Ich habe Judenstern gesagt in einer Situation und wurde von Juden darauf hingewiesen, dass es Davidstern heißt. Und dann wird dir erst einmal klar: Ach, Kacke, stimmt! Weil ich Judenstern immer noch aus dem Geschichtsunterricht kannte, ist das so drin, dass man automatisch so eine Nazisprache verwendet. Ich hätte jetzt auch sagen können: Ja nun, das haben wir immer so gesagt. Was heult ihr denn jetzt? Kann man hier nichts mehr sagen in dem Land. Ich habe einen Recht auf meine Meinung. Oder ich kann sagen: Hey, danke für die Korrektur, war assi, hab ich nicht gewusst – und kriege dann einen warmen Blick zurück. Und weißt du, hier haben wir was gemacht für unseren Frieden."
Humor in Deutschland bleibt – trotz geografischer Grenzen – noch immer eines: eine individuelle Angelegenheit. Den deutschen Humor, soviel können wir abschließend sagen, gibt es nicht. Was den einen zu weit geht, geht den anderen nicht weit genug. So war es immer – und so wird es vermutlich auch immer bleiben. Tragen wir es mit Fassung. Oder besser: mit Humor.
Den ersten Teil von "Heiterkeit hierzulande - Kulturgeschichte des Humors in Deutschland" können Sie hier nachlesen und nachhören.