Nicht unbedingt eine Erfolgsgeschichte
Es war eine der höchsten Auszeichnungen in der DDR: Als "Held der Arbeit" wurde geehrt, wer sich durch außergewöhnliche Taten um den Aufbau des Sozialismus verdient gemacht hatte. Jedes Jahr gab es 50 dieser Helden - die Ehrung wirkt bis heute nach.
Wilhelm Pieck, Präsident der DDR: "Liebe Freunde und Genossen! Nunmehr nehme ich die Auszeichnung der Helden der Arbeit 1955 vor."
Einer der Ausgezeichneten ruft:
"Der Mähdrescher..."
Fünfzig Werktätigen der DDR wird der Orden als "Held der Arbeit" überreicht. Ein Prozedere, das sich jedes Jahr abspielte, so lange die DDR währte. Vorreiter dieser Heldenehrung: Adolf Hennecke, 1948.
"Eine 'Normübererfüllung' von 387 Prozent."
25 Kubikmeter Kohle in einer Sonderschicht – alles minutiös vorbereitet. Belohnt mit anderthalb Kilo Fettzulage, drei Schachteln Zigaretten, einer Flasche Branntwein, 50 Mark sowie einem Blumenstrauß des Kollektivs. Später Orden, Geldprämien, ein Auto, eine gutausgestattete Wohnung.
"Das ist ganz typisch für die Auszeichnungen, dass das meistens mit materiellen Voreilen verbunden war."
Peter Itzen, Historiker.
"Also es gab nicht nur den Titel, an dem man sich dann aufrichten konnte, sondern gleichzeitig gab es tatsächlich einen echten Anreiz."
Das Auszeichnungswesen als Produktivitätsmotor
Ein Held statt Geld: Da in der DDR systembedingt die im Kapitalismus gängigen Wettbewerbselemente – Karrieresprünge und mehr Geld – fehlten, da man seinen Arbeitsplatz felsenfest sicher hatte, egal wie gut oder schlecht man arbeitete, musste ein anderer Motor angeworfen werden, um die Produktivität anzukurbeln: das Auszeichnungswesen mit den Helden der Arbeit.
Wilhelm Pieck: "Am Tag der Aktivisten ehrt die Deutsche Demokratische Republik die Helden der Arbeit, sie dienen dem Wohlstand des Volkes."
Benannt nach Hennecke, dem Vorzeige-Bergmann.
Wilhelm Pieck, Präsident der DDR im Jahr 1955:
"Um allen Werktätigen ein wohlhabendes Leben zu schaffen. Die Helden der Arbeit beweisen es durch ihre Initiative, ihr Streben nach neuen Kenntnissen und nach voller Entfaltung ihrer Arbeitsfähigkeiten."
Der "Held der Arbeit"-Hype war aus dem Arbeiter- und Bauernstaat während der vier Jahrzehnte seiner Existenz nicht wegzudenken.
Peter Itzen, Historiker:
"Dass dann sozusagen im ganzen Land überall Henneckes entstehen."
Dem auch noch eine Vorzeige-Heldin folgte: Frida Hockauf vom VEB Mechanische Weberei Zittau.
Auch Margot Honecker und Erich Mielke waren "Helden der Arbeit"
Hervorragender Wissenschaftler des Volkes, Verdienter Metallurge der DDR, Verdienter Tierarzt der DDR, Meister des Sports, Verdienter Werktätiger des Bereichs der haus- und kommunalwirtschaftlichen Dienstleistungen der DDR - nicht zu vergessen: die größten "Helden der Arbeit", wie zum Beispiel Erich Mielke als Staatssicherheitsminister und Mitbegründer der Stasi, Margot Honnecker, aber auch die weltberühmte Erzählerin Anna Seghers.
Peter Itzen:
"Zum Teil platte Propaganda. Also einer der Helden der Arbeit in der Sowjetunion war Josef Stalin!"
Auch wenn der Heldenkult recht eigentlich durchaus im Widerspruch zur reinen Lehre des Marxismus/Leninismus steht. Denn da geht es bekanntlich nicht darum, einzelne Persönlichkeiten emporzuhieven, sondern um die Gleichwertigkeit aller Werktätigen. Um Kollektivleistungen von Gleichen unter Gleichen.
Der "Held der Arbeit" – Geschichte? Die Idee war ja so schlecht nicht, mag sich mancher Betriebschef im harten Wettbewerb gedacht haben: Auszeichnung statt höherer Löhne. So heben etwa Baumärkte seit 15 Jahren "den freundlichsten Mitarbeiter des Monats" aufs Treppchen. Hier indes geht es nicht um Normübererfüllung, sondern schlicht um Kundenfreundlichkeit, die im Spätkapitalismus, wie's aussieht, irgendwo auf der Strecke geblieben sein muss.
"'Der freundlichste Mitarbeiter' wird monatlich von den Kunden gewählt."
Felix Stark von der Geschäftsleitung einer Freiburger Baumarktfiliale, die wie alle Baumärkte landauf landab mit dem Klischee zu kämpfen hat, dass grundsätzlich nie ein Verkäufer an dem Fleck ist, wo man ihn gerade braucht. Und dass, wenn man wider Erwarten doch einen aufstöbert, dass dieser einem allenfalls muffig zuraunt, die Anderthalb-Zoll-Rohrmuffen seien genau am andern Ende der Halle zu finden.
"Und die ersten zwei Mitarbeiter, die dürfen für bis zu 50 Euro dann essen gehen."
Vom Sozialismus lernen, heißt sparen lernen
Supermarktfilialen küren den emsigsten Mitarbeiter mit einem Aushang am Schwarzen Brett im Pausenraum, und zur Belohnung gibt's eine überschaubare Prämie. Eine ausgesprochen kostengünstige Möglichkeit zur Leistungssteigerung. Vom Sozialismus lernen, heißt sparen lernen. Und außerdem – wenn die Kunden bei der Kür des "freundlichsten Mitarbeiters" ein Stimmzettelchen abgeben dürfen – kommt das Unternehmen auf diesem eleganten Umweg an interessante Kundendaten.
"Und pro Quartal der Mitarbeiter, welcher dann letztendlich die meisten und positivsten Stimmen hat, der gewinnt eine einmalige Sonderprämie vom Unternehmen: 300 Euro. Es lohnt sich."
Für wen? Die Geschichte des wackeren DDR-Bürgers Hennecke etwa hat auch eine Kehrseite: Neid und Missgunst der Kollegen. Für viele war er ein Verräter, der das Arbeitspensum nach oben schraubte. Man warf ihm die Fensterscheiben ein, zerstach die Reifen seines neuen Autos.
Peter Itzen, Historiker:
"Natürlich muss man sich auch jeweils im Kontext angucken, wie gut ist das // für den Betriebsfrieden!"
Johannes Dieckmann, Präsident der Volkskammer:
"Es leben die Ehrenbürger unseres jungen Staates! Die Helden der Arbeit!"
Stellen wir uns die Helden der Arbeit vor, die 1990 erst mal aufs Arbeitsamt mussten, um wieder an Arbeit zu kommen. Und die heute wegen der Weltmarktkonkurrenz eher bescheiden entlohnt werden. – Und wenn sie dann fleißig sind, werden sie zum emsigsten Mitarbeiter gekürt!
Ob die das Gefühl haben, im falschen Film zu sein?