Held gesucht

Von Almuth Knigge |
Albrecht Eusebius von Wallenstein. Er lebte zwar nur zwei Jahre als General und Herzog von Mecklenburg im Lande, aber für eine Heldengeschichte reicht es allemal. Sagen jedenfalls die Marketingstrategen aus Mecklenburg-Vorpommern, die den Feldherrn auf der Suche nach einem Helden jetzt für sich entdeckt haben.
Der Fürst sei eine bedeutende historische Symbolfigur für Mecklenburg-Vorpommern, mit der man national und international auf das heldenarme Land aufmerksam machen könnte. Schon bald soll das Land von der "Strahlkraft" des alten Haudegens profitieren und sein Ruf Besucher ins Land locken. Denn Alternativen zu Wallenstein hat der Nordosten kaum zu bieten, Störtebecker haben die Hamburger längst für sich vereinnahmt.

Die Huldigungszeremonie für Wallenstein im April 1628 war genauso opulent wie streng bewacht – alle Passanten wurden an den Stadttoren strengstens kontrolliert, auf dem Marktplatz standen zwei Reiterkompanien, eine weitere Kompanie zu Fuße auf dem Pferdemarkt war ein Bereitschaft.

Wallensteins offizieller Titel lautete "Albrecht von Gottes Gnaden Herzog von Mecklenburg Friedland und Sagan, Fürst zu Wenden, Graf zu Schwerin, der Lande Rostock und Stargard Herr Römischer kaiserlicher Majestät General und oberster Feldhauptmann wie auch des ozeanischen und baltischen Meeres General." Ein langer Titel – dafür dass ihn keiner kennt. In Güstrow hielt er Hofe - prächtiger als der Kaiser selbst – aber kaum einer weiß noch etwas von seinem Wirken im Mecklenburgischen – selbst die Besucher der Wallensteintage, die jährlich mit viel Brimborium und Schlachtengeklirre in Stralsund gefeiert werden.

"Eroberer Stralsund?"
"Entschuldigung es tut mir leid."
"Keine Ahnung wir sind von auswärts, kann ich ihnen nicht sagen."
"Gallensteine - die kann man doch rausoperieren, glaub ich ne ..."

Aber auch in Güstrow, da, wo er prächtig Hof gehalten hat, interessieren sich Bürger wie Touristen nicht besonders.

"Vele sind erstaunt, wenn ich denn sag, dass Wallenstein hier war. Viele sind auch erstaunt, dass hier in Güstrow, wenn ich dann auf dem Markt bin und erzähle über den nordischen Krieg, dass wenn ich dann sage, das Zar Peter hier war und General Menschikoff und General Steenbock zur Zeit der Waffenstillstandsverhandlungen, die wurden ja hier in Güstrow durchgeführt ja. Und da sind och einige sehr erstaunt, weil sie denken, Zar Peter und August der Starke, das ist ja kolossal - in dem kleinen Güstrow."

Die Stadtführerin Monika Herbst steht vor dem ehemaligen Wallensteinschen Hofgericht in Güstrow, einem sanierungsbedürftigen Haus, an dem aber immerhin noch eine Messingtafel prangt. Wir sind auf Wallensteins Spuren in seiner ehemaligen Residenz – aber so recht viel ist nicht zu finden.

"Die Wallensteinstraße ist jetzt hier vorne - die geht hier links rein ... Das ist schon etwas abseits, würde ich sagen, aber noch immer die Verbindung zum Schloss ja."

Sie kramt noch ein wenig in ihrem Gedächtnis.

"Wir hatten ein Gymnasium - das wurde geschlossen und sollte dann mit einem anderen Gymnasium zusammengeschlossen werden und da hat man dann über ein neuen Namen nachgedacht und da hat man dann auch gedacht vielleicht Wallensteingymnasium und da waren dann natürlich die Zeitungen voll, also das könnte man nicht tun, weil er hatte ja mit dem Krieg zu tun und normalerweise würde man heute sagen Kriegsverbrecher."

Heute heißt die Schule Ernst-Barlach-Gymnasium – und auch die Stadt macht lieber Werbung für den Bildhauer und vernachlässigt den Feldherrn – nahezu sträflich, finden die Marketing-Strategen des Landes und haben sich dem sagenumwobenen Eroberer angenommen – als neue Symbolfigur für das Land.

"Wir sind auf Wallenstein gekommen, weil wir gesucht haben, welche Mecklenburger lebende und historische Gestalten - die hier Spuren hinterlassen haben und haben nach denen gesucht, die schon überregional bekannt sind."

Wallenstein – ein Mecklenburger? - Das greift zu kurz, meint Bernhard Gläss, der Chef vom Landesmarketing. "MV tut gut" hat er erfunden – für den Wellness-Tourismus – und das Gesundheitsland. Doch das alleine reicht natürlich nicht. Jetzt muss Geschichte her.

"Der Wallenstein ist ein Europäer, der ist Böhme von Haus aus und die haben auch ein distanziertes Verhältnis zu ihm. Wallenstein - ja gut, der ist von uns. Jeder kennt ihn, er ist ein Kriegherr gewesen, die positiven Seiten kennt kaum jemand. Er ist, wenn Sie so wollen, eine freie Marke und diese freie Marke haben wir uns gegriffen."

Die Marke entwickeln, das müssen jetzt andere machen. Frank Kurzhals von der Agentur Pleon ist Profi darin.

"Das erste ist, dass wir sagen, ein Land hat ein Profil, was gehört dazu. Unser Aspekt ist zu sagen, auch Geschichte ist da wichtig und da ist es auch Wallenstein und Störtebeker und viele andere. Auch unsere Frage war, wie können wir überregional also im deutschsprachigen Gebiet oder in Europa eine Profilierung entwickeln, die für Mecklenburg Vorpommern positiv ist, die berichtet, mindestens war in der Vergangenheit, in der Geschichte Wichtiges, das auch in Europa Auswirkungen gehabt hat. Im Positiven wie im Negativen."

"Er hat in Mecklenburg die Justiz verändert, das Bildungssystem, er hat etwas für die Armen gemacht, er hat dafür gesorgt, dass junge Adelige aus Mecklenburg nach Böhmen gekommen und umgekehrt, er hat versucht, etwas in seinem Herzogtum zu machen und Vorpommern behandelt wie den letzten Dreck und deshalb sind wir Vorpommern auf ihn etwas sauer."

Theaterregisseur Frank Kuhlmorgen sitzt in der alten Wache im Stralsunder Ratshaus – eingehüllt in einen samtenen Umhang. Er hat mit Stralsunder Schülern ein Theaterstück geschrieben und will das nun mit den Schülern in Szenischer Lesung den Besuchern der Wallensteintage das Ergebnis zum Vortrage bringen.

"Wallenstein soll in den nächsten Jahren interessanter und vielschichtiger dargestellt werden und ich bemühe mich jetzt mit den Kindern, aber die Landesregierung soll sich jetzt nicht einbilden, Wallenstein das ist der große zukunftsgebende Held, der uns 100.000 neue Touristen im Jahr beschert, das funktioniert nur in Güstrow."

Das scheint die Besucherresonanz zu bestätigen. Nur ein paar Touristen bleiben sitzen – die hat Kuhlmorgen fast genötigt, als sie mal neugierig den Kopf in den Raum gesteckt haben.

"Das war ein General und der im Dreißigjährigen Krieg - jetzt weiß ich nicht an welcher Seite gekämpft hat."
"Ja ich weiß, dass Wallenstein ne historische Person ist, die muss man immer überlegen - Goethe Schiller. Die da geschrieben hat ... Goethe Schiller?"

Die Schüler wissen das – Schiller natürlich und sie wissen auch, was Wallenstein mit Stralsund zu tun hatte.

"Ja wir feiern nicht Wallenstein an sich, sondern dass die freie und Hansestadt Stralsund den Angriff Wallensteins unbeschadet überstanden hat und dass wir es ja verhindern konnten, dass die Stadt ausgeplündert wird, also er taugt nicht unbedingt als Vorbildfigur aber es ist Grund genug, um das zu feiern."

"Wallenstein ist in dieser Hinsicht ja eigentlich mehr so eine Symbolfigur für den Widerstand, den die Stralsunder ihm gegenüber leisteten und naja auch die Dickköpfigkeit und die Bereitschaft, für das zu kämpfen, was das Land auch ausmachte, und sich nicht unterdrücken zu lassen von jemand, der aus der Fremde kommt, und ihnen ihre Gesetze aufdrücken will - ansonsten ist Wallenstein ja eine Figur, die aus dem Böhmischen kommt, aber als jemand, der für den Widerstand gegen die Unterdrückung steht, könnte man Wallenstein auch als Symbolfigur für Stralsund gelten lassen."

Auch das freut Gläss – Hauptsache, über Wallenstein wird gesprochen. Aber Kuhlmorgen ist da kritischer.

"Ich sage den Vätern des Bundeslandes, Wallenstein taugt nur als zweites Glied, man sollte Gustav Adolf nehmen als ersten und kritisch betrachten und Wallenstein kann man gerne als Leitfigur sehen für Schwerin und Mecklenburg ,aber bitte macht es nicht so, dass man auch in Vorpommern Wallenstein eine positive Bedeutung abgewinnen soll, das wird einfach nicht klappen."

Er hat eine andere Vision – Freilufttheater im ganzen Land – Geschichten aus der reichen Mecklenburger Sagenwelt - wie Vineta zur Stärkung des Heimatgefühls – Fritz Reuter würde passen - auch der Störtebeker. Schließlich soll seine Wiege im Nordosten gestanden haben.

"Alle Wetter und Donner und Doria - du wirst bestimmt ein guter Hauptmann. Los Hinrich schreib ihn ein - das muss festgehalten werden für die Zukunft. Stürz den Becher beeder as den Gödeke - Störtebeker - unter diesem Namen wirst du in die Annalen eingehen."

Seit mehr als 50 Jahren wird auf Rügen die Sage von Klaus Störtebeker nachgespielt - fast ohne Unterbrechung, Auch in diesem Jahr haben sich das Spektakel schon mehr als 300.000 Besucher angeschaut. Die Rüganer erzählen sich viele Geschichten von Klaus Störtebeker und seinem Wirken auf der Insel. Auch Wismar beansprucht den Piraten für sich. Beatrix Wussian sagt warum.

"Im Wismarer Archiv befindet sich das Gerichtsbuch der Stadt aus dem Mittelalter. Da ist ein Eintrag von 1380 und da wird vermerkt, dass ein Nikolaus Störtebeker Opfer einer Schlägerei war, sechs blaue Flecken erlitt und die Täter für die Straftat ihr Bürgerrecht verloren und der Stadt verwiesen wurden."

Ein paar Straßen vom Stadtarchiv entfernt, in der Speicherstraße 8, hängt sogar ein Schild am alten Fachwerkhaus. Hier soll 1368 Klaus Störtebeker geboren sein. Aber:

"Das ist einfach nur ein Gag."

Gesteht Daniela Buse. Sie wohnt hier – und findet das lustig, wenn staunende Touristen das Schild fast ungläubig fotografieren. Auf jeden Fall stünde Störtebeker dem Nordosten auch gut zu Gesicht.

"Das stimmt,"

räumt Gläss ein.

"Aber Störtebeker ist so eng mit Hamburg verbunden, dass Sie mit noch soviel Geld den Störtebeker nicht zum Mecklenburger machen können. Zumal er ja nur mit wenigen Aspekten im Land tatsächlich gewesen ist - also das gibt’s andere Regionen, wo er deutlich bedeutsamer war."

Außerdem will Gläss die andere Seite von Wallenstein in den Vordergrund rücken. Mit einer großen Landesaustellung. Und einem Symposium. Da kommen dann auch die Historiker zu Wort, die die Geschichte vom Modernisierer Wallenstein in Frage stellen. Er war ein Kriegsunternehmer, der die eroberten Länder und Städte gnadenlos ausbeutete. Mit Steuern - und Einquartierungen, Wismar zum Beispiel. Doch hier ließ er auch den Hafen ausbauen und trieb den Schiffbau voran. Er ließ Straßen bauen und die Verwaltung modernisieren … im Prinzip das, was die Landesregierung heute auch auf der Agenda hat.

"Ich sach mal der moderne Wallenstein heißt Harald Ringstorff mit allen seinen positiven Effekten - nicht die negativen dabei ne - das schneiden Sie natürlich raus."

Weil das ein Gedanke ist, der die Stadtführerin Herbst sehr erheitert.

"Nee der ist doch ein ganz anderer, ein echt Mecklenburger, ein geruhsam Denkender, kein Revolutionär - wissen Sie, wenn die Gäste mich fragen, die Mecklenburger sind ja stur dann sach ich immer, nee das ist nicht so - mein Mann hat mich aufgeklärt, der sagt wir Mecklenburger, wir überlegen nur länger, bis wir was sagen."

Zusammen mit dem Kollegen Horst Müller steht sie vor dem Wallensteinschen Hofgericht und überlegt, ob der Herzog passen könnte – den Mecklenburgern – und den Vorpommern.

"Ich glaube nicht - ne hab ich auch gesagt, er galt hier als ein Fremdling und hat sich zu sehr aufgespielt. Er hat ja zum Beispiel den Landadel im Dom vereidigt. Da gab’s ja den Film, Wallenstein in Mecklenburg - und die, die nicht wollten, die hat er kräftig gedrückt mit der Hand und das war auch so inszeniert. Er war schon nicht so ... er ist zu brutal aufgetreten, also. Obwohl man ja auch sagt, er hat das respektiert, dass die Stralsunder Widerstand geleistet haben, das sagt man ja auch, dass er eben auf der Seite nicht mit brutaler Gewalt jetzt - also dass er losgelassen hat davon, ja das sagt man ihm nach, das war was positives , das war aber auch das einzige."

Das scheint nicht viel.

"Und dann ist ja bekannt, dass die beiden Herzöge von Mecklenburg das, was Wallenstein hier verändert hatte, nicht akzeptiert haben. Den Ursupator wollten sie hier nicht gelten lassen und sie haben all das wieder nach dem P 1 der mecklenburgsochen Verfassung "es bliwwt alles beim alten", verändert, … ja hahahah."

Nicht auszudenken, wo Mecklenburg jetzt stünde, wären die Reformen umgesetzt worden. Auch deshalb bleibt Gläss dabei:

"Es gibt keinen Besseren als Wenzislaus wie heißt der Eusebius – Wallenstein."
"Das eine Bundesland mag einen Luther erhaben, das andere mag einen schönen König haben, jeder konzentriert sich auf ein zwei Elemente, mehr ist nicht möglich für ein Bundesland: für MV kann es und sollte es Wallenstein sein und da gibt es in den Diskussionen, die wir hatten, sehr schöne Ansätze ihn zu sehen."

"Ein Ansatz ist zu sagen, er ist Rationalist und Sternendeuter gewesen. Und damit ist das eine Folie, die sehr modern ist. Einen Menschen aus dem Dreißigjährigen Krieg zu betrachten, der sehr heutig sein kann und unter dieser Polarität auf Wallenstein einzugehen und in einem Unternehmensmagazin was anderes zu berichten als in einem Hörfunkbeitrag - werblich auf Postkarten, bei einem Schülerwettbewerb – das ist unser Ziel."

"Also Markenaufbau indem die Marke aufgeladen wird - Wallenstein als Herzog von Mecklenburg, steht für Mecklenburg Vorpommern, ist ein sehr moderne Mensch gewesen. Wir können jetzt möglicherweise noch viel erkennen im Alltag von Mecklenburg-Vorpommern."

Denn immer wieder und immer mehr, so Kurzhals, würde Wallenstein nämlich im Land als Identifikationsfigur bereits herhalten. Jüngstes Beispiel: Als der amerikanische Präsident George W. Bush vor knapp sechs Wochen Stralsund besuchte, besänftigte der Bürgermeister seine Stralsunder ob des großen Sicherheitsaufgebotes und des Medieninteresses, die Stadt und seine Bürger würden den Besuch schon überstehen, man habe schließlich auch die Belagerung von Wallenstein überstanden. Und auch der Auftritt des Präsidenten hatte durchaus Ähnlichkeiten mit der Huldigungszeremonie für Wallenstein, so wie sie in den Annalen beschrieben ist.