Ich kann mir Dokumentarfilm ohne die Nähe zu einem oder mehreren Menschen überhaupt nicht vorstellen. Solche Dinge wie Waffenhandel und Kriegsdramen kann man nur als bewegendes eigenes Erlebnis über einzelne Menschen erzählen.
Zum Tod von Helga Reidemeister
Im Mittelpunkt steht der Mensch
Sarajevo, Rudi Dutschke und immer wieder Afghanistan: Das Werk der Filmemacherin Helga Reidemeister ist vielfältig. Thesenhaft ging es dabei nie zu, Reidemeister filmte immer mitten ins Leben.
Bevor Helga Reidemeister eine Filmschule von innen gesehen hatte, war sie Sozialarbeiterin. Es waren die 1970er-Jahre in West-Berlin. Reidemeister arbeitete im Märkischen Viertel, keine einfache Gegend.
Diese Zeit hat die Dokumentarfilmerin geprägt, sagt Thomas Schadt. Er leitet die Filmakademie Baden Württemberg und hat dort jahrelang mit Reidemeister zusammengearbeitet.
"Die Fähigkeit, als Sozialarbeiterin zu agieren, hat sie auch in ihren Filmen nie verloren", sagt Schadt. Große gesellschaftliche Themen könne man am Ende nur über die Menschen erzählen: "Da war der wichtigste Satz immer, 'Du sollst nicht neben den Menschen stehen, sondern bei Ihnen. Du musst dich in die Mitte begeben und mit ihnen Zeit verbringen.'"
Immer wieder Afghanistan
Reidemeister hat in Sarajevo gefilmt und im Frauengefängnis Gotteszell. Sie hat einen Film über Rudi Dutschke gemacht und für "Rodina heißt Heimat" den Friedenspreis der Internationalen Filmfestspiele von Berlin bekommen.
Mit am meisten beeindruckt hätten ihn Reidemeisters Dokumentationen über Afghanistan, sagt Schadt. Sie fliegt immer wieder hin, 2004, 2009 und 2013 und dreht unter schwierigsten Bedingungen: "Sie hat da eine unfassbare Kraft und Zähigkeit entwickelt."
Nicht nur als Filmemacherin sei Reidemeister prägend gewesen, auch als Dozentin: "Sie hat Generationen von angehenden Dokumentarfilmerinnen gefördert und beeinflusst", sagt Schadt.
Respekt dem anderen gegenüber
Und hat dabei neben Humor auch eine hochkultivierte Streitkultur an den Tag gelegt. "Sie hat immer eingefordert, dass man kritisch und selbstkritisch streiten muss. In einer Form, wo aber der Respekt dem anderen gegenüber unantastbar ist.