"Die experimentell angefeuerten ersten Jahre"
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Das neue Bauhaus-Museum zeigt erstmals die Sammlung des Gründers Walter Gropius. Dass diese Sammlung im Nationalismus überlebt habe, sei ein Wunder, betont Hausherr Hellmut Seemann. Er ist begeistert von dem Neubau, der wie eine Treppe gestaltet ist.
Drei Jahre nach der Grundsteinlegung wird das neue Bauhaus-Museum in Weimar am 6. April 2019 eröffnet. Die Stadt ist eng mit der Werkschule des Architekten Walter Gropius verbunden, der seine Kunst- und Werkschule dort 1919 gründete. Als Präsident der Klassikstiftung Weimar ist Hellmut Seemann für das neue Bauhaus-Museum zuständig. Ihm gefalle der Neubau, sagt Hellmut Seemann im Gespräch mit Deutschlandfunk Kultur:
"Eigentlich ist es wie eine große Treppe, die innerhalb der einzelnen Stockwerke immer wieder die nächsten Stufen erreichen. Und das ist sehr organisch, auch wenn das Gebäude alles andere als organisch ist." Die Menschen seien, wenn sie oben angekommen sind, von der Fülle des Raumes begeistert.
Es sei ein Wunder, dass viele Bauhaus-Exponate von Walter Gropius – die nun erstmals als Höhepunkt der Ausstellung gezeigt werden – auch den Nationalsozialismus überstanden hätten, findet Seemann.
"Dabei sollen die 168 Exponate von Gropius keine Kunstsammlung sein, sondern eine Dokumentation dieser unglaublich kreativen, experimentell angefeuerten ersten Jahre."
Weimar war ein kosmopolitischer Ort
Dass es so lange gedauert hat, ein Museum für die wichtige Sammlung des Bauhausgründers zu bauen, habe auch mit der besonderen Geschichte der Stadt zu tun.
Die Stadt habe sich mit dem Bau des Museums schwergetan, begreife aber endlich das Konzept der Weimarer Klassik. Die Auffassung als nationaler Ort der deutschen Kultur sei ein Missverständnis. Denn im entscheidenden Zeitraum um 1800, als in Weimar die großen Klassiker wie Goethe und Schiller lebten, sei Weimar ein europäischer und kosmopolitischer Ort gewesen. Erst im 19. Jahrhundert sei dieses Bewusstsein von einer Nationalkultur verdrängt worden. Auch die DDR habe die Stadt als nationale Hüterin der deutschen – dann fortschrittlichen Kultur – verstanden.
"Das ist nicht richtig, denn Weimar ist ein Ort der Offenheit gewesen und war es dann auch während der Bauhaus-Zeit und davor. Kästner, van de Velde, das waren alle Europäer, die hier in Weimar wirkten. Aber durchgesetzt hat sich eben der Nationalismus und dann Nationalsozialismus."
Im Zentrum des Kulturumbruchs
Mit der Ausstellung im Bauhaus-Museum streite man diese Geschichte Weimars nicht ab. Man sehe plötzlich die Moderne in dieser Stadt mit einer ganz anderen Präsenz, aber auch in einer ganz anderen Bedeutung für das Verständnis des intellektuellen Ortes Weimar.
Die ambivalente Geschichte von Weimar, zu der auch der Nationalsozialismus und das Konzentrationslager Buchenwald gehört, zeige auch der erste Eindruck, den der Museumsbau den Besuchern vermittle:
"Wir sind hier im Zentrum des Kulturbruchs, der hier 1925 begann und 1930 eigentlich schon umgesetzt war. Es musste nicht bis 1933 warten, wer in Thüringen lebte und nationalistisch dachte. 1930 war schon der erste nationalsozialistische Minister im Kabinett."
Die Museumsbesucher könnten im neuen Gebäude empfinden, dass das 20. Jahrhundert in Weimar plötzlich präsent sei "als ein 20. Jahrhundert, dass hier eben auch stattgefunden hat, obwohl so viel Schreckliches in diesem Jahrhundert hier in Weimar passiert ist".
Kampf der Ideen des 20. Jahrhunderts
Gleich zu Beginn werde die Geschichte Weimars für die Besucher des Museums begreifbar. Man sehe in der Ausstellung sofort, dass das Thema des "neuen Menschen" ein wichtiges Thema für das Bauhaus, aber auch für den Nationalsozialismus war, der diesen "neuen deutschen Menschen" formen wollte. Die Ausstellung im Museum zeige, dass die Moderne nicht einheitlich ist, sondern dass sie auch mit völkisch nationalistischer Weltanschauung verbunden werden konnte.
"Und dann sind sie plötzlich in einer ganz seltsamen Umgebung in diesem Museum, aber auch in der Kultur, Geistes- und Ideengeschichte des 20. Jahrhunderts. Deshalb ist die Position dieses Museums so fantastisch, weil es sich mitten hineinsetzt in diesen Ideenkampf."
(mle)