Henning Beck: "Das neue Lernen heißt Verstehen"
Ullstein Verlag, Berlin 2020
232 Seiten, 19,99 Euro
Faktenwissen büffeln – adé
07:03 Minuten
Wissen anwenden können: Der Hirnforscher Henning Beck fordert, diese Fähigkeit in den Mittelpunkt des Lernens zu stellen. Dazu braucht es eine Schule, die Aha-Momente begünstigt, erklärt er in seinem Buch "Das neue Lernen heißt Verstehen".
Spätestens seit PISA werden Schulen unter die Lupe genommen und es wird genau vermessen, was in Kinderköpfen ankommt. Für Henning Beck der falsche Weg: "Die Arbeitswelt der Zukunft wird von denjenigen dominiert werden, die Wissen anwenden können, nicht von denen, die es fehlerfrei in einer Prüfung hervorwürgen." Auch wenn er weiß, dass Lernen natürlich die Grundlage von Verstehen ist: "Wer nichts weiß, kann auch nichts verstehen. Google hin oder her."
Deshalb gibt der Hirnforscher im ersten Drittel des Buches auch ganz solide Lerntipps, neurowissenschaftlich begründete. Auch wenn viele davon nicht ganz neu sind, ist es trotzdem lehrreich und unterhaltsam, das zu lesen, besonders wenn Hennig Beck den Digitalisierungswahn im Bildungssystem auseinandernimmt.
Raus aus der passiven Lernrolle
Der Schritt vom Lernen zum Verstehen ist schwierig, so Beck. Denn da gehe es nicht darum, immer noch ein Wissenskrümel obendrauf zu setzen. "Verstehen ist ein Alles-oder-nichts-Prozess, denn was man einmal verstanden hat, kann man nicht entverstehen". Gelingen könne das in einer Schulumgebung, die Aha-Momente begünstigt. Das wiederum erfordere von den Lehrenden – in vielen Fällen – ein Umdenken um 180 Grad.
Denn solange sie einleuchtend und vielleicht sogar unterhaltsam erklären, bleibe das Schülergehirn passiv. Stattdessen sollen Lehrerinnen und Lehrer provokante Fragen stellen und so den Schülern Gelegenheit zum Selberdenken geben, Fehler inklusive. Erst gegen Ende sollen sie dann das grundlegende Konzept erklären. Nur so mache es klick und der Geist der Schülerinnen und Schüler erweitere sich.
Gut mit Studien belegt, aber wenig konkret
Henning Becks Vorschläge klingen alle plausibel und sind auch mit Studien gut belegt. Leider setzt er den eigenen Ansatz nicht selbst um. Vieles bleibt dann doch abstrakt. Wenn er von einem Wettbewerb für gute Lehre berichtet, lautet seine Quintessenz: Lehrende sollen engagiert sein. Klar. Aber wie genau, sie dieses Engagement im Klassenraum umsetzen sollen, davon schreibt er nichts.
So hat Henning Beck zwar Kurse konzipiert, die Steuerrecht sexy machen sollen. Aber auch da bleibt es beim Konzept, Konkretes – Fehlanzeige.
Am lebendigsten sind Henning Becks Erinnerungen an die eigene Schulzeit, an den Lehrer, der mit einem "Ich bin der Papst!" die Klasse zum Diskutieren brachte.
Fazit: Die Botschaft des Buches ist wichtig und der Autor liefert auch viele Anregungen. Wer aber wirklich neues Lernen anwenden will, muss selbst kreativ weiterdenken. Vielleicht ist genau das das Ziel von Hennig Beck. Auch Lehrende müssen aus der Passivhaltung rauskommen, Gelesenes nicht nur konsumieren, sondern durch "trial and error" verstehen, wie gutes Lernen gelingt.