Henning Scherf über drohende Aufrüstung

"Wir müssen uns wehren"

08:40 Minuten
Henning Scherf (SPD), ehemaliger Bürgermeister der Hansestadt Bremen, steht auf einem Balkon des Rathauses, im Hintergrund die Bürgerschaft.
Der frühere Bremer Bürgermeister Henning Scherf (SPD) war Kriegsdienstverweigerer und nahm in den 80-er Jahren an Demonstrationen gegen die Pershing-II-Basis teil. © picture alliance / dpa / Carmen Jaspersen
Moderation: Dieter Kassel |
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Nach der Kündigung des INF-Vertrags durch die USA und Russland droht ein neues Wettrüsten. Massenproteste bleiben aus. Dabei sei die Gefahr eines Atomkrieges so groß wie lange nicht mehr, meint der ehemalige Bremer Bürgermeister Henning Scherf (SPD).
Der INF-Vertrag, der 1987 zwischen den USA und der Sowjetunion geschlossen wurde, war so etwas wie eine Versicherung für Europa: Er verbot den beiden Staaten atomare Mittelstreckenraketen. Zusammen mit dem Start-1-Vertrag von 1991 trug er dazu bei, dass die Zahl der Atomsprengköpfe weltweit stark zurückging. Nun, nachdem die USA und Russland den INF-Vertrag ausgesetzt haben, müssten die Menschen wieder dringend mobilisiert werden, fordert der ehemalige Bremer Bürgermeister Henning Scherf (SPD): "Denn die dramatische Bedrohung des Friedens und des atomaren Krieges ist so hoch wie seit über 60 Jahren nicht mehr, wie seit dem Korea-Krieg nicht mehr", sagt er im Deutschlandfunk Kultur.

Drohender "Selbstmord der Weltbevölkerung"

Das könne nicht ohne unseren Widerspruch laufen, so Scherf: "Wir müssen uns doch wehren." Allerdings sei es schwieriger geworden, die Menschen zu mobilisieren. Denn die Welt sei nicht mehr bipolar wie noch zu Zeiten des Kalten Krieges, sondern unübersichtlicher geworden. Die Sicherheitslage und die Klimakatastrophe seien "gleichermaßen dramatisch". Doch beide hängen nach Überzeugung des SPD-Politikers eng zusammen:
"Das eine ist der drohende Selbstmord, der sofort passiert, wenn wir einen Atomkrieg haben. Und wenn wir nichts gegen das Klima tun, ist das der langsam schleichende Selbstmord der Weltbevölkerung."
Kirchen, Gewerkschaften und Friedensinitiativen seien nun gefordert. Es gehe um die Überlebensperspektive der Menschheit. Scherf meint, das würde die Menschen "auf die Beine" bringen: "Ich spüre ganz deutlich, dass sie kurz davor sind, dass die Leute sich wieder erheben."
(bth)
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