Über sich selber muss man schon lachen können, dann fallen einem auch genug Sachen ein, über die andere lachen können.
Henry Hübchen wird 75
Ob als Lover oder Slapstick-Komödiant: Henry Hübchen gibt in seinen Rollen alles. © picture alliance / Eventpress
Der melancholisch-zarte Schurke
05:32 Minuten
Ohne ihn ist die Castorf-Ära an der Volksbühne Berlin undenkbar. Doch im Theater ist er schon länger nicht mehr zu sehen. Stattdessen zieht es Henry Hübchen wieder öfter vor die Kamera. Nun wird der Schauspieler 75 Jahre alt.
Geburtstage sind Henry Hübchen eigentlich egal, er fange, so sagte er einmal, „erst mit 90 an zu feiern“. Zudem fühle er sich ja viel jünger, als er sei. Schlagfertig ist der Schauspieler Henry Hübchen noch immer – und unverbraucht auch sein rotziger Charme.
Zuletzt auf der Bühne sah man Hübchen 2017. Am Abschiedsabend der Castorf-Volksbühne saßen in der ersten Reihe lauter Henry-Hübchen-Puppen, die später auf die Bühne geschleudert wurden. Eine theatrale Reminiszenz an eine 25-jährige Ära, in der die Namen Volksbühne, Castorf und Hübchen untrennbar verbunden waren. Und die der Theatergeschichte unvergessliche Momente bescherte.
Auf der Bühne hat Hübchen nach der Ausbildung an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch und Stationen in Anklam und Magdeburg vor allem in Berlin die ganze Bandbreite des Lebens gespiegelt. Hier gab er den alternden Lover, den aufgedrehten Slapstick-Komödianten oder den melancholisch-zarten Schurken. Immer interessiert ihn dabei das Widersprüchliche.
An der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz war Hübchen seit 1974. Dort arbeitete er mit vielen bekannten Regisseuren wie Benno Besson, Manfred Karge oder Fritz Marquardt. Doch erst mit Frank Castorf fand er seine schauspielerische Heimat: im munteren Chaos, mit verstörenden, legendären Stücken wie „Das trunkene Schiff“, „Endstation Amerika“, „Dämonen“ oder „Pension Schöller: die Schlacht“, jener Inszenierung, in der Hübchen seinen spektakulären Kartoffelsalat-Tanz vollführte und „Theater heute“ ihn daraufhin umgehend zum Schauspieler des Jahres kürte.
"Über sich selbst muss man schon lachen können"
Auch in seinen Filmrollen bleibt Hübchen störrisch bei sich. Ganz jung schon spielte er in Frank Beyers „Jakob der Lügner“ – der einzigen DDR-Produktion, die je für einen Oscar nominiert worden ist. Er verkörpert den wehmütigen Charme des Melancholikers, den alternden Lebemann, lässt die Kleinen ganz groß werden. Schließlich seien es die Verlierer, die oft die besten Erfahrungen machten.
Ob als spielsüchtiger Ex-DDR-Sportreporter, der in Dany Levys „Alles auf Zucker“ um einer Erbschaft willen sein vergessenes Judentum wieder beleben muss. Ob als hemdsärmeliger Familienvater Hotte in "Sonnenallee", als Polizeiruf-Kommissar Törner in Ostdeutschland, als Commissario Laurenti in Triest, als versoffener Filmstar in „Whisky mit Wodka“, als recycelter DDR-Spion in „Kundschafter des Friedens“ oder zuletzt als dementer Schlagerstar an der Seite von Corinna Kirchhoff in „Ein Leben lang…“ – immer blitzt auch im Scheitern ein lebenskluger Humor durch.
Eine Kraft, durch das Lachen, das Schwere leichter zu machen. Und eine Fähigkeit, die Hübchen durch seine Karriere getragen hat: „Sachen, die ich gemacht hab, hab ich nur machen können, weil ich über mich lachen kann", sagt er. Und:
Henry Hübchen, – einstiger DDR-Meister im Windsurfen, Komponist der Gruppe City und selbst von Zeit zu Zeit Regisseur, der privat gern als Alleinsegler auf der Ostsee unterwegs ist – kann auf ein erfolgreiches Schauspielerleben zurückschauen, das ihm, wie er es selbst sagen würde, irgendwie einfach passiert ist.