Henry Morton Stanley

Afrikaforscher, Reporter und Kolonialist

Von Patric Seibel |
Seine Expeditionen durch das südliche Afrika machten den britisch-amerikanischen Journalisten weltberühmt. Gleichzeitig spielte Henry Morton Stanley eine fragwürdige Rolle als Wegbereiter der Kolonialisierung des Kongo. Heute vor 175 Jahren wurde er geboren.
"Mr. President and Gentlemen, the best use that I can make of this wonder of the age, the phonograph, is to bid you the most hearty welcome."
Henry Morton Stanley begrüßt den amerikanischen Präsidenten Benjamin Harrison - aufgezeichnet im Jahr 1891 mit dem Edison-Phonographen.
Stanleys große Expeditionen durch das südliche Afrika liegen da bereits hinter ihm. Sie haben den Kriegsreporter und Abenteurer weltberühmt gemacht. Er wird hofiert von der feinen Gesellschaft und verkehrt mit den Mächtigsten seiner Zeit. Seine Reiseberichte und Lebenserinnerungen werden zu Bestsellern.
Gefürchtet in der Bevölkerung
"Die Krieger holen zum Speerwurf aus, und eine Sekunde später knattern unsere Gewehre. Ein Platzen der Explosionskugeln und schwarze Teile von Kanoeholz und Menschenleibern fließen an uns vorbei."
Bula Matari - "der die Steine bricht" - nannten ihn die Ureinwohner. Mit unerbittlicher Härte ging er gegen die Eingeborenen vor, erklärt Wulf Köpke, Ethnologe und Direktor des Hamburger Völkerkundemuseums.
"Er hat die Leute gehasst. Er hat Afrika gehasst; es war für ihn der dunkle Kontinent. Es war für ihn etwas Primitives, Verachtenswertes."
Karriere als junger Journalist in Amerika
Am 28. Januar 1841 kam Stanley als unehelicher Sohn eines walisischen Dienstmädchens zur Welt. Sein Name lautete damals noch John Rowlands. Im Armenhaus verlebte er eine bittere Kindheit.
Mit 17 heuerte er auf einem Handelsschiff an und erreichte New Orleans. Er nahm einen neuen Namen an, verkaufte Frontberichte aus dem Amerikanischen Bürgerkrieg an Zeitungen, wurde Reporter beim New York Herald.
Expedition "Finden Sie Livingstone"
Bis ihn der Herausgeber nach Afrika schickt: "Finden Sie Livingstone", lautet der Auftrag. Der weltbekannte schottische Missionar und Forscher David Livingstone gilt seit Jahren als verschollen.
Stanley führt eine 200 Mann starke und exzellent ausgerüstete Expedition ins Innere Afrikas. Sogar eine Badewanne schleppen die Träger durch die Wildnis. Mit eisernem Willen und unter großen Verlusten an Menschenleben treibt der zähe kleine Mann seine Truppe monatelang durch Savannen, Dschungel und Sümpfe. Im November 1871 ist er am Ziel.
"Ich schritt also auf den Weißen zu, salutierte, verbeugte mich und sagte: 'Dr. Livingstone, wie ich vermute?' Freundlich lächelnd lüftete er seine Kappe und sagte schlicht: 'Ja.'"
Die Entdeckung Livingstones ist eine Sensation. Bei seiner Rückkehr nach Europa wird Stanley gefeiert. Bis heute ist er bekannt als "der Mann, der Livingstone fand".
"Stanley war ein Meister in der Selbstbeweihräucherung, und er hat mit diesem Livingstone-Thema: 'Suche nach dem angeblich verschollenen Livingstone', ein unglaubliches Echo hervorgerufen. Livingstone war sehr beliebt und sehr bekannt, und das hat er ausgeschlachtet in einer sehr, sehr geschickten, sehr modernen publizistischen Form."
Stanley tritt stets auf wie ein Kolonialherr: heller Flanellanzug, Tropenhelm, Stiefel, Nilpferdpeitsche. Seine Männer führt er brutal. Immer wieder gibt es Tote. Die nächste Expedition dauert drei Jahre und führt den Lauf des Kongo hinab bis zum Atlantik.
Hochphase des Imperialismus
Ein aufmerksamer Leser der Dschungel-Reportagen Stanleys ist der junge belgische König Leopold II. Seit Jahren träumt er von einer eigenen Kolonie. Im Auftrag Leopolds bringt Stanley 400 Häuptlinge dazu, Land und Leute zu verkaufen. Bezahlt wird mit Schnaps, Perlen und Stoff.
"Er war derjenige, der das ganze Gebiet mit List und Tücke und Gewalt in den Besitz von Leopold gebracht hat, der die Leute übervorteilt hat, irgendwas unterschreiben hat lassen, was sie nicht wussten, was sie unterschrieben, dass sie nicht nur ihr Land, sondern ihre ganze Arbeitskraft ihrer Völker dem Leopold zur Verfügung stellten."
Auf der Jagd nach Elfenbein und Kautschuk presst Leopold den Kongo unerbittlich aus: Seine Privatarmee wütet mit unvorstellbarer Grausamkeit und ermordet Millionen Menschen.
In der Hochphase des Imperialismus wird Henry Morton Stanley gefeiert und sogar von der Queen geadelt. Doch als er 1904 im Alter von 63 Jahren stirbt, rufen die Berichte über Gräueltaten im Kongo bereits weltweit Kritik hervor. Sein Wunsch, neben David Livingstone in Westminster Abbey bestattet zu werden, wird nicht erfüllt.
Mehr zum Thema