Herbert Blomstedt beim Sinfonieorchester von Danmarks Radio

Den Orchester-Elefanten gebändigt

Ein Herr von 95 Jahren hält die Hände vor sich, er gestikuliert, dirigiert ein Orchester. Er blickt aufmerksam und vergnüngt. Er trägt einen dunkelblauen Anzug.
Herbert Blomstedt ist in diesem Jahr 95 geworden und gilt als dienstältester Spitzendirigent der Welt. Im November wurde er mit dem Großen Verdienstkreuz mit Stern des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet. © dpa picture alliance / Hendrik Schmidt
Moderation: Volker Michael |
Herbert Blomstedt hat beim Sinfonieorchester von Danmarks Radio seine Lieblingsmusik von Schubert und Berwald dirigiert. Orchester und Publikum ließen sich von Blomstedts Energie und Humor anstecken.
Im vergangenen Sommer war Herbert Blomstedt gestürzt und musste sich einige Wochen zurückziehen. Nun ist er umso lebendiger zurückgekehrt, um wieder einmal einen Elefanten zu bändigen. So beschreibt er die Arbeit mit Orchestern.

Werke von Namensvettern

Die Zwangspausen nutzt er gewöhnlich zum Lernen neuer und alter Partituren. In seinem Alter darf sich ein Dirigent seine Konzertprogramme frei zusammenstellen – mit der Musik, die er oder sie für wertvoll hält. Das ist in dem Fall von Herbert Blomstedt ein Zyklus aus Sinfonien des Wieners Franz Schubert und des gleichalten schwedischen Komponisten Franz Berwald. Für die Werke beider Künstler setzt sich Herbert Blomstedt immer wieder ein. Franz Schubert hat wie sein Namensvetter Berwald einige seiner Sinfonien nie selbst im Konzert erleben dürfen.

Sinfonie mit Wikinger-Bezug

Ein individueller und leider außerhalb Schwedens immer noch unterschätzter Komponist ist Franz Berwald. Quasi gleichalt wie Franz Schubert stammte er aus einer anerkannten Stockholmer Musikerfamilie. Dennoch oder gerade deshalb hatte Berwald zeit seines Lebens Probleme, in seiner Heimatstadt Stockholm und in Schweden anerkannt zu werden. Mit seiner Musik, die nicht nur klassisch, aber auch nicht rein romantisch war, eckte er vor allem in Schweden an. Berwald habe ungewöhnliche und leicht verwirrende Einfälle gehabt, meint Herbert Blomstedt. Eine besondere Klangfarbe findet sich in der zweiten Sinfonie, die auf alte Wikinger-Blasinstrumente Bezug nimmt, die bronzenen Luren. Geradezu piratenhaft schrecklich klinge das, erzählte und demonstrierte Herbert Blomstedt in Kopenhagen. Vor allem rhythmisch bürstet Berwald manchen Verlauf gegen den Strich, gibt es ungewohnte Betonungen, und trotz ansehnlicher Melodien vermeidet er es, im satten Ausdruck zu schwelgen, was nun geradezu antiromantisch wirkt.

Franz Schubert
Sinfonie Nr. 6 C-Dur D 589

Franz Berwald
Sinfonie Nr. 2 D-Dur ("Capricieuse")

Dänisches Nationales Symphonie-Orchester
Leitung: Herbert Blomstedt

Aufzeichnung vom 17.11.2022, aus dem Konzerthaus von Danmarks Radio, Kopenhagen
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