Herbstzeit ist Erkältungszeit

Von Udo Pollmer |
Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen hat gerade eine Empfehlung zur Vorbeugung vor Erkältungen herausgegeben. Titel: "Händewaschen schützt mehr als Vitamine". Darin lesen wir: "Vitamin C kann Ansteckung nicht verhindern - Nutzen von Nahrungsergänzungsmitteln wird häufig überschätzt."
Eine gewagte These. Was ist dran? Es ist die ungeschminkte Wahrheit. Bis heute ist ein Nutzen von Vitaminpräparaten auf Grippeviren nicht nachgewiesen – und das trotz fleißiger Untersuchungen, die diesen Markt beflügeln sollten. Ganz allgemein gesprochen sind Nahrungsergänzungsmittel, soweit bis heute überprüft, so wirksam wie früher Einhornpulver oder Fledermausblut.

Aber wenigstens schaden Vitamine nicht. Da muss ich Sie enttäuschen. Einige Vitamine sind für gewisse Krankheitserreger wichtiger als für den Menschen. Aus diesem Grunde findet man in jenen Teilen der Welt, wo Menschen unter unhygienischen Bedingungen leben, niedrige Vitaminspiegel. Das ist dort eine Art Lebensversicherung. Niedrige Spiegel können durchaus Zeichen eines Mangels sein, oftmals haben sie aber eine wichtigere Funktion: den Menschen vor Infekten zu schützen.

Aber es heißt doch immer, dass Vitamine das Immunsystem stimulieren. Hoffentlich tun sie das nicht. Denn eine Stimulation des Immunsystems bedeutet ja auch mehr Allergien und Autoimmunerkrankungen. Es ist ja kein Zufall, dass unsere wichtigen Immunmedikamente das Immunsystem dämpfen. Wenn dann noch von der Werbung ein stimuliertes Immunsystem und gleichzeitig weniger Allergien versprochen werden, wird der Fachmann stutzig. Das was unser Immunsystem am meisten beeinträchtigt, ist bekanntermaßen Ärger und nicht Salatmangel.

Was soll man dann Ihrer Meinung nach nun gegen Infekte tun? Ganz einfach: Händewaschen.

Das ist mir zu einfach ... dafür aber ziemlich wirksam. Deshalb gab es vor wenigen Wochen den "Welthändewaschtag". Im Ernst: Händewaschen stellt die wirksamste Maßnahme zur Prävention dar. Die Studien bestehen auch die strengen Maßstäbe der Evidenzbasierten Medizin. Durch regelmäßiges Händewaschen – insbesondere nach Toilettenbesuch – lässt sich die Zahl der Durchfallerkrankungen um ein Drittel bis um die Hälfte senken. Die Zahl der Hirnhautentzündungen sinkt bei Kindern um drei Viertel! Gleichermaßen sinken Atemwegsinfektionen, also Krankheiten, die unter dem Etikett "Grippe" firmieren.

Aber in unserer hygienischen Gesellschaft, in der in vielen Haushalten sogar mit Desinfektionsmitteln gereinigt wird, klingt das doch ein wenig seltsam. Desinfektionsmittel erhöhen vermutlich das Risiko – sie mindern zwar die Zahl der Erreger, sorgen dafür aber für die Bildung resistenter Keime. Und die können wir gar nicht gebrauchen. Die Wirkung des Händewaschens wird in mit der Wirkung verglichen, die die Einführung von sauberem Trinkwasser hatte. Auch in der 3. Welt würde das Verteilen von Seife weitaus mehr Leben retten als unsere medizinischen Hilfsaktionen. Das Problem ist offenbar: Seife ist ein Groschenartikel.

Fazit: Die wirksamste Methode zur Verhinderungen von Infektionen - egal zu welcher Jahreszeit - ist das regelmäßige Händewaschen mit Wasser und Seife, insbesondere nach dem Toilettenbesuch.

Literatur:
IQWiG: Erkältungen vorbeugen: Händewaschen schützt mehr als Vitamine. Pressemitteilung v. 8.Okt. 2008
London School of Hygiene & Tropical Medicine: Northerners‘ hands up to three times dirtier than those living in the South. Presseaussendung vom 15. Oct. 2008
Anon: 1. Welt-Händewaschtag: Die schmutzigen Hände britischer Pendler. Ärzteblatt 15. Okt. 2008
Toscani O: Cacas – L’encyclopédie. Colors, Ponzano Veneto 1998
Pollmer U, Warmuth S: Pillen, Pulver, Powerstoffe. Die falschen Versprechen der Nahrungsergänzungsmittel. Eichborn, Frankfurt 2008
Ejemot RI et al: Hand washing for preventing diarrhoea. Cochrane Database of Systematic Reviews 2008, Issue 1. Art. No. CD004265
Luby SP et al: Effect of handwashing on child health: a randomised controlled trial. Lancet 2005; 366: 225-233
Gebel J et al: Händewaschen – bringt das was? mhp-Verlag, Wiesbaden 2003
Huet AA et al: Multidrug efflux pump overexpression in Staphylococcus aureus after single and multiple in vitro exposures to biocides and dyes. Microbiology 2008; 154: 3144-3153