Herkunft ist ihr Thema

Von Martin Böttcher |
Am 27. Juni wird in Klagenfurt der Ingeborg-Bachmann-Preis verliehen. Nominiert ist auch die 25-jährige Sabrina Janesch mit ihrem Roman "Katzenberge", der demnächst erscheint. Sie hat eine deutsche Mutter und einen polnischen Vater.
Dezember 1981: In Polen wird das Kriegsrecht verhängt, das Land schließt die Grenzen. Eine junge Polin, auf Stippvisite in Deutschland, kann nicht mehr zurück. Sie lernt einen Deutschen kennen und heiratet; dreieinhalb Jahre später bringt sie eine Tochter zur Welt.

"Guten Tag, ich heiße Sabrina Janesch und bin Schriftstellerin."

Blonde Haare, schmale und sehr wache blaue Augen, gezupfte Brauen, Jeans und ein dunkles Top: Die 25-jährige Sabrina Janesch sitzt auf der Terrasse des Literarischen Colloquiums in Berlin-Wannsee, hier ist sie als Stipendiatin. Die Vögel in den umliegenden Bäumen machen fast so viel Krach wie die Motorboote auf dem Wasser, doch davon lässt sich die junge Frau nicht ablenken.

"Wenn ich in Deutschland bin, umgeben nur von Deutschen, dann finde ich mich sehr polnisch. Wenn ich in Polen bin, dann glaube ich manchmal, dass ich die deutscheste Person auf diesem Planeten bin, wirklich."

Herkunft, das ist ihr Thema. Im ersten Roman, der mit dem etwas sperrigen Titel "Katzenberge!" jetzt im Juli erscheint, wie auch im zweiten, an dem sie gerade schreibt. In "Katzenberge!" macht sich eine junge Frau, halb Deutsche, halb Polin, - der Autorin also sehr ähnlich - auf zum Grab ihres Großvaters. Der Weg in die Vergangenheit führt sie nach Niederschlesien und Galizien, dorthin, wo auch der wirkliche Großvater einst lebte.

"Das hat mir neulich meine Mutter gesagt, dass ich so ein Familienmensch sei. Eigenartigerweise ist mir das vorher gar nicht so aufgefallen. Vielleicht kann man mich so nennen, obwohl ich gar nicht so genau weiß, was ein Familienmensch ist. Denn jeder ist doch zwangsläufig eine Art Familienmensch und steht in einem Geflecht von irgendwelchen Leuten, die ihm irgendetwas bedeuten."

Sabrina Janesch ist sehr diszipliniert, ihr Tag hat ein festes Muster: morgens schreiben, Pause, weiterschreiben. Danach ab ins Fitnessstudio, joggen, schwimmen, als Ausgleich für das stundenlange Sitzen am Schreibtisch. "Wenn man kaum noch tippen kann, weil die Schultern so schmerzen, weiß man zumindest, was man getan hat", schreibt sie über ihre Arbeitswut in ihrem Blog. Zu Schulzeiten konnte man sie mit Sport jagen; damals verfasste sie lieber kleine Geschichten und kam so in den Genuss ungeteilter Aufmerksamkeit.

"Meistens, wenn ich in der Schule etwas verfasst hatte, ging es vollkommen an der Aufgabenstellung vorbei und ich habe dann keine Note bekommen oder eine schlechte, aber die Lehrer haben es oft der Klasse vorgelesen. Und für mich war dann relativ schnell klar: Mit dem Schreiben von etwas Erfundenem rückt man sich selber auch ein Stück weit heraus."

Ist es das, was sie antreibt? Diese Extraportion Aufmerksamkeit? Selbst wenn es so wäre: Man kann es der sympathischen, zielstrebigen Frau nicht übelnehmen. Nach dem Abitur studierte sie kreatives Schreiben in Hildesheim und Polonistik in Krakau. Sie veröffentlicht erste Texte. 2005 gewinnt sie den 1. Platz im O-Ton Literaturwettbewerb des NDR. 2009 wird Sabrina Janesch vielbeachtete erste Stadtschreiberin in Danzig. Andere in ihrem Alter mögen vor allem an Partymachen denken, für sie zählen – und zählten - andere Dinge:

"Jetzt spielt eine große Rolle für mich, dass ich morgens und vormittags schreibe und arbeite, weil ich mich dann am meisten konzentrieren kann und am meisten Kraft habe. Und wenn ich einfach abends oder nachts bis zwei, drei, vier unterwegs bin, dann ist es tödlich für meine morgendliche Arbeit. Ich möchte mir nicht versagen, Samstag früh zu arbeiten und dann merke ich schon, dass es recht abgenommen hat, dass ich in einen Club gehe."

Eine Stubenhockerin ist die im niedersächsischen Gifhorn geborene Autorin aber nicht: Sie ist viel unterwegs. Ein Stipendium reiht sich an das andere. Dann wieder lebt sie mal in Polen, mal bei den Eltern in Deutschland, zwischendurch immer wieder Auslandsaufenthalte. Zuletzt Südamerika. Eine eigene Wohnung hat sie deshalb nicht; braucht sie nicht. Immer dabei ist aber ihre Lieblingsmusik von der britischen Band Radiohead.

Der Sound Radioheads passt zur intelligenten und angenehm sanften Art von Sabrina Janesch. Außerdem hängen große Erinnerungen an dieser Musik: Als die Schriftstellerin im letzten Jahr in Chile und Argentinien unterwegs war und das endlos scheinende Patagonien durchquerte, lief immer diese eine Musik.

"In dem Mietauto gab es einfach kein Radio, sondern nur eine CD. Und das war eine CD von Radiohead."

Und während Radiohead vor sich hin lief, begegnete Sabrina Janesch einem jungen Deutschen; sie verliebte sich heftig, jetzt ist es der Eine für sie. Irgendwie scheint es so, als würde sich hier die Geschichte ihrer Mutter, die in einem anderen Land ihren zukünftigen Mann kennenlernte, fortschreiben. Sabrina Janesch baut darauf. Und egal wie es ausgeht: Stoff für eins der nächsten Bücher der jungen Autorin ist es allemal.

"Ich habe eine große Familie in Polen, da leben alle Generationen unter einem Dach, also sehr idyllisch. Und manchmal denke ich mir: Das möchte ich auch haben, ich möchte drei Kinder und dann mit meinen Eltern und den Eltern meines Freundes unter einem Dach leben. Und in anderen Momenten frage ich mich, wo dann mein Schreiben bliebe."