Hermann Nitsch wird 80

"Ein Gigant der Kunst"

Der österreichische Maler und Aktionskünstler Hermann Nitsch steht im "nitsch museum" vor einigen seiner Werke.
Künstler mit kongenialer Position: Hermann Nitsch. © David Visnjic/dpa
Hubert Klocker im Gespräch mit Britta Bürger |
Der österreichische Künstler Hermann Nitsch wurde lange für sein Orgien-Mysterien-Theater geächtet - spät aber doch anerkannt. An diesem Mittwoch wird er 80 Jahre alt. Der Kunstwissenschaftler Hubert Klocker ordnet Nitsch unter die ganz Großen ein.
Hermann Nitsch sei sowohl ein Avantgardist, als auch ein Traditionalist, meint der Kunstwissenschaftler Hubert Klocker.
"Auf der einen Seite ist er jemand, der Archetypen-Forschung im Sinne von C. G. Jung betreibt - es geht ihm ja nicht um Religion an sich, sondern um Kultur im Allgemeinen. Im Sinne von Kulturforschung also ein Traditionalist. Aber er hat in den 50-ern und 60-ern in der Kunst Wesentliches bewegt, weil er auf Tendenzen wie den abstrakten Expressionismus reagiert hat und dadurch die Kunst in einem gewissen Grad revolutioniert hat."

Späte Anerkennung am Wiener Burgtheater

Als sich nach langer künstlerischer Ächtung sogar das Wiener Burgtheater für die Kunst von Hermann Nitsch öffnete, sei das eine besondere Situation gewesen, sagt Klocker, "auch was die politische Kontextualisierung betrifft. Damals wurde Österreich, so ähnlich wie heute, von konservativ bis politisch rechts stehenden Parteien regiert. Auch wegen dieses Hintergrunds hat der damalige Direktor des Burgtheaters, Bachler, das damals gemacht. Es hatte aber auch inhaltlich seine Logik, da Nitschs Wurzeln, in seinen frühen Schriften, auf der Auseinandersetzung mit dem klassischen Theater - und insbesondere mit der griechischen Tragödie - basierten. Und die wurde ja am Burgtheater immer wieder gezeigt."
Der österreichische Künstler Hermann Nitsch rückt während einer Blut-Performance im Dezember 2001 im Frankfurter Museum Schirn den Kopf eines an ein Kreuz gebundenen Models zurecht. Aus dem Mund der Frau rinnt Schweineblut, welches ihr Nitsch zuvor eingeflößt hatte. In wechselnder Reihenfolge goss der 63-Jährige Blut, Eigelb, Wasser und weißen Kleister in ihren Mund. Dann ließ sie die Flüssigkeiten auf ihr weißes Gewand rinnen.
Der österreichische Künstler Hermann Nitsch rückt während einer Blut-Performance im Dezember 2001 im Frankfurter Museum Schirn den Kopf eines an ein Kreuz gebundenen Models zurecht. © picture-alliance / dpa

Nitsch steht stark in der Tradition der wienerischen Kunst

Nitsch befinde sich auch stark in der Tradition der österreichischen und wienerischen Kunst, so Klocker weiter: Er knüpfe "an die Wiener Kunst der Jahrhundertwende" an. Deutlich seien auch die Verbindung zu Egon Schiele und Gustav Mahler: "Nach dem Krieg nimmt Nitsch dann den Ball auf, in einer Zeit in der Schiele und Mahler immer noch skandalisiert waren. Nicht nur Nitsch allein, sondern auch seine Freunde der Wiener Aktionisten."
Heute sage uns Hermann Nitsch nicht weniger als alle Giganten der Kunst durch die Jahrhunderte hinweg, sagt Klocker. "Für mich ist Nitsch eine herausragender Denker und Künstler wie de Sade, Karl Kraus, Canetti, Pasolini, Handke. Nitsch nimmt hier eine kongeniale Position ein."

Vor kurzem konnten wir Hermann Nitsch auch als Gesprächsgast bei uns begrüßen. Hören Sie hier das Interview in voller Länge:
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