"Der Fehler liegt in der Terz"
30:26 Minuten
Hermann von Helmholtz war einer der letzten großen Universalgelehrten des 19. Jahrhunderts. Er schlug Brücken zwischen Medizin, Physik und Chemie. Mit seinem 1863 erschienenen Buch „Die Lehre von den Tonempfindungen“ schuf er die bis heute aktuelle Basis zur wissenschaftlichen Analyse von Klängen.
Hermann von Helmholtz erfand unter anderem ein Tele-Stereoskop und den bis heute unentbehrlichen Augenspiegel. In seinen bahnbrechenden Forschungsarbeiten verknüpfte er Theorie, Experiment und praktische Anwendung. Acht Jahre lang arbeitete er an seiner "Lehre von den Tonempfindungen als physiologische Grundlage für die Theorie der Musik". 1863 erschien das über 650 Seiten umfassende Buch, das seitdem immer wieder neu aufgelegt wird.
Hermann von Helmholtz musizierte gern, am liebsten spielte er die Fugen von Johann Sebastian Bach, entweder auf seinem Flügel oder auf seinem zweimanualigen Harmonium.
Der Ausgangspunkt: Töne und Klänge
Wie er zur Erforschung von Schall und Klang kam, weiß der naturwissenschaftliche Arzneimittelforscher, ehemalige Leiter des Münchner Helmholtz-Zentrums und ausgebildete Kirchenmusiker Professor Günther Wess: "Helmholtz war Physiologe und hat sich in seiner Doktorarbeit mit Nervenleitung beschäftigt, mit dem Nervensystem und den Sinnesorganen. Er selbst hat täglich mindestens eine Stunde Klavier gespielt und am Wochenende auch länger. Und so hat er sich mit dem Thema beschäftigt, also mit dem Hörvorgang. Das begann zunächst mit der Auseinandersetzung mit den Klängen. Und hier zunächst mit den Einzeltönen, also mit den Schwingungen der Töne."
Vibrationsmikroskop und Doppelsirene
Hermann von Helmholtz war nicht nur musikbegeistert, er hatte auch ein außergewöhnlich geschultes Gehör. Er konnte mühelos Obertöne und sogar Kombinationstöne hören, also die Töne, die sehr leise in der Tiefe mitklingen, wenn bestimmte Doppelklänge ertönen. Um diesen und anderen akustischen Phänomenen auf den Grund gehen zu können, konstruierte Helmholtz verschiedenste Instrumente, die ihn bei der Analyse der Klänge und ihrer Frequenzen unterstützen sollten: das Vibrationsmikroskop oder die Doppelsirene.
Favorit: Mozart
Dennoch war Helmholtz kein Liebhaber der neuen Musik des 19. Jahrhunderts. Die Komponisten der Romantik waren ihm zu modern. Schubert und Schumann kommen in seiner "Lehre von den Tonempfindungen" nicht vor. Auch Brahms entsprach seinem Musikgeschmack nicht und Liszt war für ihn ebenfalls ein ungeliebter Neutöner. Sein Favorit war Wolfgang Amadeus Mozart. Dessen Motette "Ave verum corpus" für vierstimmigen Chor, Streicher und Orgel wurde von ihm zum Ideal des musikalisch Schönen erhoben.
Mediziner und Physiker - mit Klavier
Hermann von Helmholtz wurde am 31. August 1821 in Potsdam geboren. In Berlin promovierte er 1842 zum Doktor der Medizin, arbeitete zunächst als Chirurg an der Charité, dann als Militärarzt im "Königlichen Gardehusarenregiment" in Potsdam. 1848 ging er nach Berlin zurück und lehrte hier Anatomie an der Berliner Kunstakademie. 1849 heiratete er die Arzttochter Olga von Velten und erhielt im selben Jahr auf Empfehlung Alexander von Humboldts eine Professur für Physiologie und Pathologie in Königsberg. Nach dem frühen Tod seiner Frau 1859 folgten weitere Professuren in Bonn und Heidelberg. Ab 1871 lehrte Helmholtz als Professor für Physik an der Universität Berlin. Ende der 18achtziger Jahre wurde er Gründungspräsident der von ihm selbst und von Werner von Siemens ins Leben gerufenen Physikalisch-Technischen Reichsanstalt, heute: Physikalisch-Technische Bundesanstalt.
Ein Salon für die schönen Künste
1861 in Heidelberg heiratete er zum zweiten Mal. Anna von Mohl hatte zuvor als junge Frau in Paris bei einer Tante gelebt, die hier einen Salon unterhielt und ihr eine fundierte sprachlich-musische Bildung ermöglichte. Nach ihrer Heirat, inspiriert von den Begegnungen in Paris, führte Anna von Helmholtz gemeinsam mit ihrem Mann in Berlin ebenfalls einen Salon, in dem sich die wichtigsten Wissenschaftler und Kunstschaffenden aller Disziplinen austauschten. Kultur gehörte in ihrem Hause zum Alltag, auch für Hermann von Helmholtz.
"Die Lehre von den Tonempfindungen als physiologische Grundlage für die Theorie der Musik"
Das über 650 Seiten umfasende Buch enthält 19 Abschnitte in drei Hauptkapiteln. Das erste analysiert die Zusammensetzung der Schwingungen von Obertönen und Klangfarben, das zweite untersucht die Störungen des Zusammenklangs, die Kombinationstöne, Schwebungen, Konsonanzen und Dissonanzen und das dritte Kapitel widmet sich der Verwandtschaft der Klänge mit dem Fokus auf Tonleitern und Tonalität. Bis dahin wurden zwar physikalische Erkenntnisse beim Bau von Instrumenten berücksichtigt, aber für die Harmonielehre und deren Grundlagen nicht herangezogen.
Was macht Konsonanzen und Dissonanzen aus?
Dabei wussten bereits die alten Griechen und hier namentlich Pythagoras, dass beispielsweise Saiten von gleicher Beschaffenheit und Spannung, aber ungleicher Länge vollkommene Konsonanzen ergeben, wenn sie im richtigen Verhältnis zueinanderstehen, z. B. bei der Oktave im Verhältnis eins zu zwei. Was ist aber nun das Bahnbrechende, das Neue in der "Lehre von den Tonempfindungen"?
Verbindung von Physik und Ästhetik
Günther Wess: "Helmholtz ist der erste gewesen, der eine umfassende Darstellung geliefert hat, vor allem die Dinge systematisch analysiert hat, im Detail analysiert mit Geräten, neuen akustischen Geräten und hat das wirklich auf die Lehre von den Schwingungen zurück geführt auf der Basis der Physik und den Vorgang des Hörens, die Physiologie des Ohres und ging dann noch einen Schritt weiter nämlich in Richtung Empfinden. Also würde ich den Wert bei Helmholtz in dem Gesamtwerk sehen."