"Herr Puntila und das Riesending in Mitte"
Text und Regie: René Pollesch
mit Franz Beil, Inga Busch, Christine Groß, Astrid Meyerfeldt
"Herr Puntila" in Berlin
Intensive Selbstbespiegelung: Auch das Bühnenbild ist eine Abbild der Fassade der Volksbühne. © LUNA ZSCHARNT
Die Volksbühne auf der Bühne der Volksbühne
05:24 Minuten
Mit großer Selbstbezüglichkeit inszeniert René Pollesch an der Berliner Volksbühne „Herr Puntila und das Riesending in Mitte“. Viel geht es dabei um das Theater und dessen Mittel. Auf Dauer ermüdende Konvention, meint unser Kritiker André Mumot.
Die Berliner Volksbühne hat mit "Herr Puntila und das Riesending in Mitte" Premiere gefeiert. Worum es hier gehen soll, wird schon beim Betreten des Saales klar: Auf der Volksbühnenbühne hat Bühnenbildnerin Nina von Mechow die Volksbühnenfassade nachgebaut – inklusive Türen, Treppe, Säulen und Banderole mit der Ankündigung der vergangenen Pollesch-Premiere "Die Gewehre der Kathrin Angerer".
Selbstbespiegelung des Theaters
Es ist ein – allerdings nur im ersten Moment – verblüffendes Willkommen zur neuesten Episode der hauseigenen Selbstbespiegelung, erdacht und inszeniert vom neuen Intendanten. René Pollesch hat es sich in seiner neuen Position als Leiter des Hauses zur Aufgabe gemacht, konsequent alle Erwartungen daran zu unterlaufen, wie man so eine Institution führt, wie man sie nach außen hin präsentiert und wie man in ihr inszeniert. Keine großen Ankündigungen, extrem wenige Premieren, keine Bekanntgabe der Ensemblemitglieder – ein entspanntes Nicht-Erfüllen, ein Achselzucken, das sich auch in seinen beiden bisherigen Neu-Inszenierungen niederschlägt.
Nach "Aufstieg und Fall eines Vorhangs" nun – wieder angelehnt an einen Brecht-Titel: "Herr Puntila und das Riesending in Mitte". Das "Riesending" ist selbstredend die Volksbühne; der Diskurs des Abends kreist um die Art und Weise, wie man Theater machen sollte.
Brecht als Inspirationsquelle
Das Brecht-Lehrstück, das nichts erzählt und Publikum nicht als Zuschauer, sondern nur als zu belehrende Diskursteilnehmer zulässt, wird ausgiebig zum Thema gemacht. Daneben geht es um Arbeitsteilung, die angebliche Unwichtigkeit des Regisseurs, um Wohnungsnot und Shaws "Pygmalion". Darum also, wer nicht richtig sprechen und deshalb nicht wirklich dazugehören kann.
Franz Beil, Inga Busch, Christine Groß und Astrid Meyerfeldt huschen sehr sympathisch, aber auch äußerst aufgekratzt durch das Volksbühnen-Spiegelkabinett, ergänzt von einem präzise artikulierenden, durchaus amüsanten Chor, der hin und wieder der Souffleuse selbstironische Konkurrenz macht. Witz und Gedankenschärfe blitzen immer wieder auf, können sich aber nicht wirklich durchsetzen.
Zu sehr stellt Pollesch wieder einmal das Unfertige, Unrunde, das Unvollkommene im Spiel und in den Bühnenaktionen aus. Was befreiend wirken könnte, zeigt sich dabei aber meist fahrig, unkonzentriert, atemlos und vor allem im ersten Teil bemerkenswert wirr.
Ermüdende Darstellung
Die minimalistische Selbstgenügsamkeit als Methode, dieses kokette Fast-Nichts, überrascht nicht mehr in Polleschs Inszenierungen, es ist eine vertraute, lieb gewonnene, aber bisweilen auch sehr ermüdende Konvention.
Um Funken zu schlagen, um ihre ganz eigene, hinreißende, spielerische Magie zu entfalten, benötigen diese Abende wohl doch die Extraportion rhetorischen Bühnenzaubers. Diesen verleihen vor allem Performerinnen und Performer wie Sophie Rois, Kathrin Angerer oder Fabians Hinrichs mit schlafwandlerischer Sicherheit als charismatische Stabilität in den Endlosschleifen der mehr oder weniger ironischen Diskurs-Selbstbespiegelungen.