"Herrsche Britannien, herrsche über die Wellen..."
Peter Wende beschreibt in "Das britsche Empire" die politischen, wirtschaflichen und juristischen Zusammenhänge, die zur Entstehung eines weltweiten Imperiums führten. Er erzählt aber auch von der Überzeugung, mit der Gründung von Kolonien eine Mission zu erfüllen.
Nun sind Jaguar und Landrover auch verloren, von der Werftindustrie muss man nicht lang reden und die Reste der Luftfahrtindustrie hängen am ungeliebten europäischen Airbus-Konsortium. Das einst Kontinente und Weltmeere beherrschende "British Empire" ist nur noch Erinnerung. Eine Erinnerung, die - wie Peter Wende in seiner Monographie schreibt - tagtäglich wieder wachgerufen wird: Die große Zahl der Immigranten aus Asien und Afrika sind die lebenden Zeugen einer Vergangenheit, in der heute souveräne Staaten noch auf das Kommando aus London hörten.
Und auch die im Jahr 2006 ermittelte Überzeugung von immerhin 68 Prozent der Briten, ihr Land sei heute noch Weltmacht, verdeutlicht, dass Glanz und Gloria der zurückliegenden Jahrhunderte noch immer die britische Mentalität mit Goldstaub pudern. Auch wenn sie - wie hier in Glasgow - den Schlachtruf "Herrsche Britannien, herrsche über die Wellen..." bei der "Last Night of the Proms" eher fröhlich und in Bierzeltlaune schmettern.
Der emeritierte Geschichtsprofessor Peter Wende war von 1994 bis 2000 Direktor des Deutschen Historischen Instituts in London. Er ist ein Kenner der britischen Geschichte, in einer früheren Monographie hat er sich mit den Herrscherinnen und Herrschern des Inselreiches befasst. Jetzt also "Das Britische Empire", die Geschichte eines Weltreichs.
Wende beschreibt das Imperium in mehreren Etappen - es beginnt in Amerika, mit den Landungsversuchen an drei unterschiedlichen Punkten an der Ostküste. Einen organisierte der Seeräuber und Abenteurer Walter Raleigh, indem er für etliche Leute auf einer kleinen Insel vor der amerikanischen Küste eine Siedlung gründete - und sie dann ihrem Schicksal überließ.
Als man später nachschaute, fand man keine Überlebenden. Eine glatte Fehlinvestition. Das klingt zynisch, aber man muss bedenken, und Peter Wende macht das auch sehr deutlich, dass der Gründung von Kolonien immer wirtschaftliche Interessen von Privatpersonen zugrunde lagen, auch wenn sie unter dem Deckmantel der jeweiligen Herrschaft, sei es Monarchie, sei es Parlament, ins Werk gesetzt wurden.
Peter Wende legt in seiner Monographie großen Wert auf die wirtschaftlichen und politischen Zusammenhänge. Aber ein weltumspannendes Imperium zu erschaffen und unter großen Kosten zu erhalten, braucht auch eine höhere Motivation. Es war das Gefühl Britanniens, mit der Schaffung von Kolonien eine Mission zu erfüllen. Wende schreibt:
"Mit Stolz blickten Briten auf ein überseeisches Reich, dessen ausgedehnte Fläche seit 1841 in den englischen Atlanten rot eingefärbt war und dessen Besitz ihnen ein Selbstbewusstsein verlieh, aus dem die historische und moralische Berechtigung für einen letztlich unbegrenzten Anspruch auf globale Suprematie abgeleitete wurde. (...) Und als deren Mission wurde die Verbreitung der moralischen und zivilisatorischen Errungenschaften des modernen England über den Globus begriffen, denn - wie Cecil Rhodes es einmal formulierte - 'die Briten sind die Rasse mit den besten Eigenschaften, und je mehr wir von der Welt in Besitz nehmen, umso besser ist es um die Zukunft der Menschheit bestellt'."
Subjektiv gab es durchaus den ernsthaften Glauben an die zukunftsweisende Mission Britanniens in der Welt. Dieser Glaube reichte jedoch nicht, um die Weltherrschaft auch im 20. Jahrhundert noch zu behaupten. Die Herrschaft über die Kolonien wurde immer schwieriger und aufwändiger, und so verweist Peter Wende darauf, dass die letztlich entscheidende Kosten-Nutzen-Rechnung seit dem Ersten und vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg eindeutig gegen die Verteidigung des Empires sprach. Der Nutzen aus dem Koloniebesitz stand in keinem Verhältnis mehr zu den steigenden Kosten. Die von Weißen besiedelten Dominions und die Kolonien erhielten, zum Teil erst nach blutigen Kämpfen, ihre Unabhängigkeit.
Das klassische "Empire" brach zusammen, es begann die Epoche des "dritten Empires", des Commonwealth als eines freiwilligen Zusammenschlusses zu gegenseitigem Nutzen.
Peter Wende liefert eine solide Darstellung der politischen, wirtschaftlichen und juristischen Geschichte des britischen Empires. Er ist ein sorgfältiger, aber kein funkelnder Schreiber. Anekdotisches oder Porträts handelnder Personen liefert er nicht. Vielmehr konzentriert er sich auf die großen historischen Abläufe.
Am Ende fällt Wende kein eindeutiges Urteil über die britische Kolonialherrschaft, sondern stellt positive und negative Aspekte nebeneinander. So führte die imperiale Herrschaft einerseits zur Teilhabe der Kolonien an der technischen und wissenschaftlichen Moderne. Andererseits waren Unterdrückung und Entrechtung der Kolonisierten Grundlage der imperialen Herrschaft - bis hin zur brutalen, aber letztlich erfolglosen Repression gegen die Freiheitsbewegungen.
Rezensiert von Paul Stänner
Peter Wende: Das britische Empire
C.H.Beck Verlag, München 2008
366 Seiten, 24,90 Euro
Und auch die im Jahr 2006 ermittelte Überzeugung von immerhin 68 Prozent der Briten, ihr Land sei heute noch Weltmacht, verdeutlicht, dass Glanz und Gloria der zurückliegenden Jahrhunderte noch immer die britische Mentalität mit Goldstaub pudern. Auch wenn sie - wie hier in Glasgow - den Schlachtruf "Herrsche Britannien, herrsche über die Wellen..." bei der "Last Night of the Proms" eher fröhlich und in Bierzeltlaune schmettern.
Der emeritierte Geschichtsprofessor Peter Wende war von 1994 bis 2000 Direktor des Deutschen Historischen Instituts in London. Er ist ein Kenner der britischen Geschichte, in einer früheren Monographie hat er sich mit den Herrscherinnen und Herrschern des Inselreiches befasst. Jetzt also "Das Britische Empire", die Geschichte eines Weltreichs.
Wende beschreibt das Imperium in mehreren Etappen - es beginnt in Amerika, mit den Landungsversuchen an drei unterschiedlichen Punkten an der Ostküste. Einen organisierte der Seeräuber und Abenteurer Walter Raleigh, indem er für etliche Leute auf einer kleinen Insel vor der amerikanischen Küste eine Siedlung gründete - und sie dann ihrem Schicksal überließ.
Als man später nachschaute, fand man keine Überlebenden. Eine glatte Fehlinvestition. Das klingt zynisch, aber man muss bedenken, und Peter Wende macht das auch sehr deutlich, dass der Gründung von Kolonien immer wirtschaftliche Interessen von Privatpersonen zugrunde lagen, auch wenn sie unter dem Deckmantel der jeweiligen Herrschaft, sei es Monarchie, sei es Parlament, ins Werk gesetzt wurden.
Peter Wende legt in seiner Monographie großen Wert auf die wirtschaftlichen und politischen Zusammenhänge. Aber ein weltumspannendes Imperium zu erschaffen und unter großen Kosten zu erhalten, braucht auch eine höhere Motivation. Es war das Gefühl Britanniens, mit der Schaffung von Kolonien eine Mission zu erfüllen. Wende schreibt:
"Mit Stolz blickten Briten auf ein überseeisches Reich, dessen ausgedehnte Fläche seit 1841 in den englischen Atlanten rot eingefärbt war und dessen Besitz ihnen ein Selbstbewusstsein verlieh, aus dem die historische und moralische Berechtigung für einen letztlich unbegrenzten Anspruch auf globale Suprematie abgeleitete wurde. (...) Und als deren Mission wurde die Verbreitung der moralischen und zivilisatorischen Errungenschaften des modernen England über den Globus begriffen, denn - wie Cecil Rhodes es einmal formulierte - 'die Briten sind die Rasse mit den besten Eigenschaften, und je mehr wir von der Welt in Besitz nehmen, umso besser ist es um die Zukunft der Menschheit bestellt'."
Subjektiv gab es durchaus den ernsthaften Glauben an die zukunftsweisende Mission Britanniens in der Welt. Dieser Glaube reichte jedoch nicht, um die Weltherrschaft auch im 20. Jahrhundert noch zu behaupten. Die Herrschaft über die Kolonien wurde immer schwieriger und aufwändiger, und so verweist Peter Wende darauf, dass die letztlich entscheidende Kosten-Nutzen-Rechnung seit dem Ersten und vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg eindeutig gegen die Verteidigung des Empires sprach. Der Nutzen aus dem Koloniebesitz stand in keinem Verhältnis mehr zu den steigenden Kosten. Die von Weißen besiedelten Dominions und die Kolonien erhielten, zum Teil erst nach blutigen Kämpfen, ihre Unabhängigkeit.
Das klassische "Empire" brach zusammen, es begann die Epoche des "dritten Empires", des Commonwealth als eines freiwilligen Zusammenschlusses zu gegenseitigem Nutzen.
Peter Wende liefert eine solide Darstellung der politischen, wirtschaftlichen und juristischen Geschichte des britischen Empires. Er ist ein sorgfältiger, aber kein funkelnder Schreiber. Anekdotisches oder Porträts handelnder Personen liefert er nicht. Vielmehr konzentriert er sich auf die großen historischen Abläufe.
Am Ende fällt Wende kein eindeutiges Urteil über die britische Kolonialherrschaft, sondern stellt positive und negative Aspekte nebeneinander. So führte die imperiale Herrschaft einerseits zur Teilhabe der Kolonien an der technischen und wissenschaftlichen Moderne. Andererseits waren Unterdrückung und Entrechtung der Kolonisierten Grundlage der imperialen Herrschaft - bis hin zur brutalen, aber letztlich erfolglosen Repression gegen die Freiheitsbewegungen.
Rezensiert von Paul Stänner
Peter Wende: Das britische Empire
C.H.Beck Verlag, München 2008
366 Seiten, 24,90 Euro