Hervorragende Solisten in einem Regie-Sammelsurium
Gaetano Donizettis romantische Oper "Anna Bolena" über die zweite Frau Heinrich VIII. von England konzentriert sich ganz auf Eifersucht und Intrige. Auch das Regieduo Imogen Kogge und Tobias Hoheisel will vom geschichtlichen Hintergrund nichts wissen und bietet ein zusammenhangloses Durcheinander, in dem nur die Solisten glänzen.
Dass Heinrich VIII. von England sechsmal verheiratet war und zwei seiner Ehefrauen hinrichten ließ, gehört zu den schaurig schillernden Fakten der Geschichte, die von jeher das breite Publikum interessiert haben.
So haben sich auch das Theater und die Oper mit den Episoden beschäftigt, die sich um diese Ereignisse ranken. Ein Sensationserfolg war 1831 die "Anna Bolena" von Gaetano Donizetti, eines der Meisterwerke aus der Werkstatt des schnell und viel schreibenden Komponisten. Hier geht es, mit viel romantischer Phantasie und wenig Fakten ausgestaltet, um den Wechsel von der zweiten Frau Ann Boleyn zur dritten Jane Seymour. Das Musikdrama will natürlich nichts wissen vom machtpolitischen Kalkül um den männlichen Erben, vom Geschacher einflussreicher Familien am Hof um den Platz an der Seite des Königs. Hier geht es um Eifersucht, einen aus der Verbannung heimgekehrten Jugendgeliebten Annas und eine Intrige, die die auf der Opernbühne strahlend reine Königin aufs Schafott bringt.
Von der Geschichte aus der Tudorzeit will auch das Kölner Regieteam Imogen Kogge und Tobias Hoheisel nichts wissen. Sie bringen ein Schloss auf die Bühne, in dem sich die Antiquitäten der Jahrhunderte angehäuft haben: von Heinrichs Staatsporträt mit Federbarrett und kurzem Rock über einen Rokokoschreibtisch bis zu einem Damenbildnis aus den goldenen Zwanzigern.
In diesem Ambiente treffen Frauen in großen Roben des 19. Jahrhunderts auf Männer, deren Anzüge und Uniformen eher an die Fünfziger Jahre denken lassen. Ein Sinn ist darin nicht zu erkennen. Das Sammelsurium scheint die einzige Konzeption des Regieduos aus der renommierten Schauspielerin und dem international gefragten Bühnenbildner zu sein, die beide ihre eigentlichen Berufe um Welten besser verstehen als das Metier der Operninszenierung (wenn man das von dieser Kölner "Anna Bolena" aus beurteilen kann).
Da fehlen nicht nur Interpretationsansätze; der Mangel an Handwerk ist so eklatant, dass es oft geradezu peinlich wirkt. Die Solisten ringen die Hände und sinken in die Knie oder werfen sich mit Verve gegen die Wandvertäfelung; der Chor tritt im Gänsemarsch auf, reiht sich im Halbkreis, und hin und wieder wackeln die Köpfe bedeutungsschwer im Takt. Man weiß nicht, ob man lachen oder weinen soll.
Aber da muss man durch, wenn man einen Abend erleben will, in dem der Belcanto des frühen 19. Jahrhunderts glänzt. In Köln, dem Mekka der Alten Musik, hat ein Mann der historischen Aufführungspraxis den Taktstock übernommen bei "Anna Bolena" – der Italiener Alessandro De Marchi ist ein Experte des Barock und der Frühklassik. Er setzt scharfe rhythmische Akzente und deckt viele Schönheiten der oft unterschätzten Donizetti-Partitur auf, indem er weniger auf Klangmischung als auf Transparenz und Eigengewicht der Stimmen setzt.
Dem Gürzenich-Orchester, das ja beileibe kein Originalensemble ist, merkt man an, dass es inzwischen Erfahrung mit dieser Stilauffassung gesammelt hat. Man hört ein sehr plastisches, räumliches Klangbild mit markanten Farben.
Beeindruckend sind die Sängerleistungen des Abends. Der brasilianische Tenor Luciano Botelho hat staunenswerte Kondition. Als Percy hält er den leidenschaftlichen Furor dieses romantischen Opernhelden von Anfang bis Ende auf dem Siedepunkt. Und die erstaunliche Flexibilität, mit der er in den hohen Lagen die Kopfstimme einsetzt, zeigt ihn als Meister einer Belcanto-Technik, die den typischen Donizetti-Mix aus lyrischer Geschmeidigkeit und dramatischer Kraft wieder in eine einzige Gesangslinie gießen kann.
Für die Partien der rivalisierenden Königinnen Anna und Giovanna kann die Kölner Oper tatsächlich zwei Ensemblemitglieder aufbieten, die beide glänzende Rollendebüts abliefern. Regina Richter als Giovanna ist besonders stark in den warmen, lyrischen Momenten diese reuigen Sünderin, die erst begreift, was sie getan hat, als ihre Forderungen an den König die Rivalin schont zermalmt haben.
Die Titelfigur Anna Bolena ist für den effektvollen Auftritt einer Diva komponiert. Bei der Uraufführung war es die legendäre Giuditta Pasta, in den Fünfziger Jahren sorgte Maria Callas für die Wiederentdeckung des lange vergessenen Stücks. Olesya Golovneva nutzte die Chance entschlossen. Ihre Koloraturen sitzen, ob sie sanft dahinperlen oder dramatisch explodieren, aber sie demonstriert keinen Augenblick ihre Virtuosität als Selbstzweck. Immer geht es um Klang, Farbe, Ausdruck, um Musik.
Mit dem dramatischen Wechselbad der Gefühle in der großen Schlussszene bewies die Sopranistin sogar den Mut zu "hässlichen" Tönen und erntete Ovationen – zu Recht.
Gaetano Donizetti: Anna Bolena
Premiere an der Oper Köln
Inszenierung: Tobias Hoheisel & Imogen Kogge
Musikalische Leitung: Alessandro De Marchi
So haben sich auch das Theater und die Oper mit den Episoden beschäftigt, die sich um diese Ereignisse ranken. Ein Sensationserfolg war 1831 die "Anna Bolena" von Gaetano Donizetti, eines der Meisterwerke aus der Werkstatt des schnell und viel schreibenden Komponisten. Hier geht es, mit viel romantischer Phantasie und wenig Fakten ausgestaltet, um den Wechsel von der zweiten Frau Ann Boleyn zur dritten Jane Seymour. Das Musikdrama will natürlich nichts wissen vom machtpolitischen Kalkül um den männlichen Erben, vom Geschacher einflussreicher Familien am Hof um den Platz an der Seite des Königs. Hier geht es um Eifersucht, einen aus der Verbannung heimgekehrten Jugendgeliebten Annas und eine Intrige, die die auf der Opernbühne strahlend reine Königin aufs Schafott bringt.
Von der Geschichte aus der Tudorzeit will auch das Kölner Regieteam Imogen Kogge und Tobias Hoheisel nichts wissen. Sie bringen ein Schloss auf die Bühne, in dem sich die Antiquitäten der Jahrhunderte angehäuft haben: von Heinrichs Staatsporträt mit Federbarrett und kurzem Rock über einen Rokokoschreibtisch bis zu einem Damenbildnis aus den goldenen Zwanzigern.
In diesem Ambiente treffen Frauen in großen Roben des 19. Jahrhunderts auf Männer, deren Anzüge und Uniformen eher an die Fünfziger Jahre denken lassen. Ein Sinn ist darin nicht zu erkennen. Das Sammelsurium scheint die einzige Konzeption des Regieduos aus der renommierten Schauspielerin und dem international gefragten Bühnenbildner zu sein, die beide ihre eigentlichen Berufe um Welten besser verstehen als das Metier der Operninszenierung (wenn man das von dieser Kölner "Anna Bolena" aus beurteilen kann).
Da fehlen nicht nur Interpretationsansätze; der Mangel an Handwerk ist so eklatant, dass es oft geradezu peinlich wirkt. Die Solisten ringen die Hände und sinken in die Knie oder werfen sich mit Verve gegen die Wandvertäfelung; der Chor tritt im Gänsemarsch auf, reiht sich im Halbkreis, und hin und wieder wackeln die Köpfe bedeutungsschwer im Takt. Man weiß nicht, ob man lachen oder weinen soll.
Aber da muss man durch, wenn man einen Abend erleben will, in dem der Belcanto des frühen 19. Jahrhunderts glänzt. In Köln, dem Mekka der Alten Musik, hat ein Mann der historischen Aufführungspraxis den Taktstock übernommen bei "Anna Bolena" – der Italiener Alessandro De Marchi ist ein Experte des Barock und der Frühklassik. Er setzt scharfe rhythmische Akzente und deckt viele Schönheiten der oft unterschätzten Donizetti-Partitur auf, indem er weniger auf Klangmischung als auf Transparenz und Eigengewicht der Stimmen setzt.
Dem Gürzenich-Orchester, das ja beileibe kein Originalensemble ist, merkt man an, dass es inzwischen Erfahrung mit dieser Stilauffassung gesammelt hat. Man hört ein sehr plastisches, räumliches Klangbild mit markanten Farben.
Beeindruckend sind die Sängerleistungen des Abends. Der brasilianische Tenor Luciano Botelho hat staunenswerte Kondition. Als Percy hält er den leidenschaftlichen Furor dieses romantischen Opernhelden von Anfang bis Ende auf dem Siedepunkt. Und die erstaunliche Flexibilität, mit der er in den hohen Lagen die Kopfstimme einsetzt, zeigt ihn als Meister einer Belcanto-Technik, die den typischen Donizetti-Mix aus lyrischer Geschmeidigkeit und dramatischer Kraft wieder in eine einzige Gesangslinie gießen kann.
Für die Partien der rivalisierenden Königinnen Anna und Giovanna kann die Kölner Oper tatsächlich zwei Ensemblemitglieder aufbieten, die beide glänzende Rollendebüts abliefern. Regina Richter als Giovanna ist besonders stark in den warmen, lyrischen Momenten diese reuigen Sünderin, die erst begreift, was sie getan hat, als ihre Forderungen an den König die Rivalin schont zermalmt haben.
Die Titelfigur Anna Bolena ist für den effektvollen Auftritt einer Diva komponiert. Bei der Uraufführung war es die legendäre Giuditta Pasta, in den Fünfziger Jahren sorgte Maria Callas für die Wiederentdeckung des lange vergessenen Stücks. Olesya Golovneva nutzte die Chance entschlossen. Ihre Koloraturen sitzen, ob sie sanft dahinperlen oder dramatisch explodieren, aber sie demonstriert keinen Augenblick ihre Virtuosität als Selbstzweck. Immer geht es um Klang, Farbe, Ausdruck, um Musik.
Mit dem dramatischen Wechselbad der Gefühle in der großen Schlussszene bewies die Sopranistin sogar den Mut zu "hässlichen" Tönen und erntete Ovationen – zu Recht.
Gaetano Donizetti: Anna Bolena
Premiere an der Oper Köln
Inszenierung: Tobias Hoheisel & Imogen Kogge
Musikalische Leitung: Alessandro De Marchi