Herzklopfen und Religion

Jüdische Partnersuche on- und offline

Mann und Frau stehen Rücken an Rücken und kommunizieren mit Smartphones
Dating-App, Facebook oder Skype: Trotz der Online-Angebote setzen viele Juden nach wie vor lieber auf einen Offline-Flirt. © imago/Ikon Images
Von Jens Rosbach · 25.05.2018
Braucht ein Traumpaar eine gemeinsame Religion? Diese Frage stellen sich viele junge Juden in Deutschland, wenn sie auf Partnersuche sind: Für sie gibt es eigene Online-Plattformen - oder auch traditionelle Heiratsvermittler.
"Wenn ich einen Juden auf der Straße treffe, dann habe ich immer das Bedürfnis, ihn zu grüßen", erzählt Julia. "Beziehungsweise ich muss innerlich immer lächeln, weil wir sind generell alle ein Volk. Wir stammen von drei Urvätern ab, von Abraham, Isaak und Jacob - und ja, der Gedanke ist halt immer noch da, dass wir zusammengehören und wir wie eine Familie sind."
Julia hat braune Mandelaugen und lange schwarze Haare. Die 19-jährige Berlinerin ist attraktiv und eloquent. Dennoch ist es für sie nicht einfach, einen Partner zu finden. Denn Julia möchte unbedingt einen jüdischen Ehemann – einen, mit dem sie ein Kind großziehen kann:
"Da musst du mit deinem Mann eine gemeinsame Sprache haben. Dass nicht das Kind irgendwie mit zwei Religionen aufwächst. Wenn ich zum Beispiel einen Türken heirate und dann ist es zum Beispiel wie ein Kampf später in der Familie: Der Vater trichtert dem Kind etwas ein, die Mutter trichtert dem Kind etwas ein, und das Kind ist total überfordert und weiß nicht, was es machen soll."

Die jüdische Gemeinschaft ist überschaubar

Doch in der überschaubaren jüdischen Gemeinschaft ist die Partner-Auswahl begrenzt. So hat die Abiturientin bei jüdischen Jugendfreizeiten, in der jüdischen Studierendenunion und bei jüdischen Veranstaltungen ständig im Hinterkopf, den Richtigen kennen zu lernen:
"Es gibt zum Beispiel jüdische Feiertage wie Purim, da trinkt man auch mal gerne. Und dann lockert sich die Stimmung und man spricht miteinander. Dann macht sich bemerkbar, ob der andere an einem interessiert ist – und danach hält man den Kontakt über WhatsApp, über Instagram, über Facebook."
Kinder in Kostümen an Purim, einer der farbenfroheren und beliebteren jüdischen Feiertage, gedenken der Ereignisse welche im Buch Esther und insbesondere der wundertätigen Befreiung der Juden im alten Persien beschrieben sind.
Ein farbenfroher und beliebter jüdischer Feiertag: Kinder in Kostümen an Purim© Imago/ ZUMA Press
Julia hat sich außerdem bei einer jüdischen Dating-Plattform angemeldet: bei der populären Singlebörse JSwipe. Doch obwohl sie in der App den Suchradius immer weiter vergrößerte – auf mehrere hundert Kilometer – wurde sie selbst hier nicht fündig:
"Die meisten auf JSwipe Deutschland kannte ich schon, weil ich ziemlich aktiv in jüdischen Kreisen bin. Die Gesichter haben sich dann wiederholt. Und irgendwann hat mir JSwipe gesagt: Es gibt keine mehr."

Unterschiedliche Motive für die Partnerwahl

Auch Ben, ein 31-jähriger Unternehmer, kennt die Hürden der jüdischen Partnerwahl: "Es gibt halt nicht so viele Juden, das ist halt Fakt."
Der gebürtige Münchner, der heute in Wien lebt, möchte aus zwei Gründen eine jüdische Frau heiraten: wegen der gleichen Herkunft - und wegen der Shoah.
"Mein Großvater väterlicherseits war in zwei Konzentrationslagern, in Auschwitz und Buchenwald. Meine ganze Familie musste emigrieren aus Deutschland, aus Österreich. Die sind nach Israel, nach England, nach Chile. Also kein Stein ist auf dem anderen geblieben. Und dadurch haben halt die Juden untereinander auch eine gewisse Verbundenheit – nicht nur wegen der Religion, sondern wegen der gemeinsamen Geschichte. Das geteilte Leid sozusagen."
Viele Juden versuchten, sich bei der Partnersuche gegenseitig zu unterstützen, erzählt Ben.

Glück mit der Dating-App

So hätten ihm Bekannte schon zweimal Fotos von Single-Frauen gemailt:
"Man tut was Gutes, wenn man zwei Leute zusammenbringt, die dann auch heiraten. Deshalb hat das auch ein bisschen einen religiösen Hintergrund, warum Leute gerne andere verkuppeln – aber ich glaube, es gibt auch viele, denen macht das auch einfach Spaß, zu verkuppeln. Das finde ich krampfhaft und das gefällt mir nicht."
Deshalb meldete sich auch Ben bei der jüdischen Dating-App an. Und hatte Glück: Unter den rund zehn Jüdinnen, die in seinem Umkreis auftauchten, war eine Frau, die ihn sofort anzog. Ende Juli wird er sie heiraten:
"Es ist einfach eine Connection da, die man jetzt nicht so erklären kann."

Religion als identitätsstiftendes Element

Michael Schrezenmaier: "Es geht um eine gewisse jüdische Identität. So ein Standardspruch ist: Es nervt halt, wenn ich Leuten erklären muss, was Jom Kippur ist, wenn ich mit dem verheiratet bin – eines der Hochfeste im jüdischen Jahreskalender. Das will man glaube ich seinem Partner, mit dem man auch Kinder haben möchte, nicht erklären. Und da ist das schon identitätsstiftend für eine Beziehung, wenn man sagt: Es gibt eine bestimmte Schnittmenge an gemeinsamen Erfahrungen – und ich glaube, danach suchen die."
Michael Schrezenmaier arbeitet für JSwipe, den Marktführer unter den jüdischen Singlebörsen. Er berichtet, dass jeden Monat eine sechsstellige Zahl von Juden die App nutzt, weltweit. Schrezenmaiers Firma, ein Berliner Digitalunternehmen, betreibt eine weitere jüdische Singlebörse: JDate, die bereits vor rund 20 Jahren in den USA gegründet – und zusammen mit JSwipe - im letzten Herbst nach Deutschland verkauft wurde.
Während sich bei JDate gestandene Erwachsene tummeln, sind es bei JSwipe eher jüdische Studenten. Zweidrittel aller Kunden kommen aus Amerika, der Rest zumeist aus Europa.
"Und wir haben einen ganz schwachen Auftritt in Israel."
Räumt Schrezenmaier ein. Sein Vermittlungs-Konzept funktioniere bislang nur in der Diaspora, nicht im jüdischen Staat:
"Weil, wenn ich da sage, ich betreibe eine jüdische Datingseite, dann sagt jeder, das ist jetzt irgendwie kein Alleinstellungsmerkmal. Das ist der große Unterschied zwischen den Ländern."

Auch auf Facebook wird "angebaggert"

Julia, die Berliner Abiturientin, ergänzt, dass viele Juden auch auf Facebook den Heiratsmarkt "abchecken":
"Man wird auf Facebook angebaggert. Ich würde sogar sagen: Facebook ist eine größere Plattform als JSwipe für solche Sachen. Weil man dort noch mal sieht, auf welchen Veranstaltungen sich die andere Person rumtreibt, wo sie direkt wohnt, in welcher Stadt, ob man gemeinsame Freunde hat. Wenn man gemeinsame Freunde hat, gibt es vielleicht auch Themen, über die man reden kann."
Auf der jüdischen Dating-App ist das persönliche Profil allerdings verbunden mit dem eigenen Facebook-Profil.
"Das kann man aber auch abstellen, weil einige Menschen möchten das eben nicht, dass das Internet so viele Informationen über einen besitzt."

Persönliche Heiratsvermittlung per Skype

In Frankfurt am Main sitzt ein grauhaariger Mann mit Brille vor einem Laptop: Jose Weber, 70 Jahre alt, Deutschlands einziger jüdischer Heiratsvermittler. Der Schadchen, wie er auf Jiddisch heißt, verkuppelt nach alter religiöser Tradition Menschen persönlich. Heutzutage allerdings per Skype.
Der jüdische Heiratsvermittler José Weber im Büro seiner Heiratsbörse, Simantov International in Frankfurt am Main. Jüdische, christliche oder muslimische Paarvermittler setzen auf Singles, die mit ihrem Partner auch den Glauben teilen wollen. Dabei ist wenig erforscht, wie sich Religion und Beziehung konkret beeinflussen. In seinem kleinen Cockpit in der Frankfurter Innenstadt bringt Weber beziehungssuchende Juden aus der ganzen Welt via Videotelefonie zusammen, vom Berliner Ex-Gigolo bis zur slawischen Klatschreporterin. Seine Kunden sehnen sich nicht nur nach einem Lebens-, sondern auch nach einem Glaubensgefährten. José Weber sieht sich als Retter einsamer Seelen. In knapp 20 Jahren habe er 272 Ehen gestiftet. Aktuell befinden sich 1.500 heiratswillige Personen in seiner Kartei.
José Weber im Büro seiner Heiratsbörse in Frankfurt am Main© imago / epd
"Wenn ich zurückblicke, zehn Jahre zurück", erklärt Jose Weber, "da bin ich durch ganz Europa gereist. Heute mache ich das nicht mehr. Heute arbeite ich supermodern. Deswegen haben wir so viele Kandidaten."
Rund 6000 Kandidaten aus aller Welt, die meisten aus Europa, sind in Webers Vermittlungskartei. Um dort aufgenommen zu werden, müssen sie aber ein eigenes Online-Profil anlegen und mit dem Schadchen am Monitor sprechen:
"Wenn man in Skype ist, dann sind die Leute meistens zu Hause, leger, manche so in Trainingssachen. Einfach normal und naturell. Damit ich ein Feeling bekomme, ein Gefühl. Das ist das A und O."
Weber ist seit 32 Jahren als Heiratsvermittler tätig, sein Institut hat nach eigenen Angaben mittlerweile über 600 Paare zusammen gebracht:
"Bis jetzt gab es nur eine einzige Scheidung!"

Der Offline-Flirt ist nicht zu toppen

Ob Dating-App, Facebook oder per Skype mit dem Schadchen - trotz der Online-Angebote setzen viele Juden, wie Julia, nach wie vor lieber auf einen Offline-Flirt. Auch wenn die 19-Jährige weiß, dass es im realen Leben noch schwerer ist einen jüdischen Partner zu finden:
"Ich bin da noch ein bisschen altmodisch und hoffe, mit Büchern in der Hand in jemanden reinzulaufen in der Uni. Und plötzlicherweise ist er jüdisch und dann kommt man in ein Gespräch und dann trifft man sich auf einer Veranstaltung wieder. Ein bisschen Romantik ist da schon drin. Aber vielleicht ist es die weibliche Vorstellung einfach."
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