Herzschmerz und Widerstand

Von Ole Schulz |
Vor einigen Tagen, als Präsident Barack Obama vereidigt wurde, hatte sich der schwerkranke kubanische Revolutionsführer Fidel Castro in Havanna noch einmal zu Wort gemeldet und auf seine begrenzte Zeit verwiesen. Elf amerikanische Präsidenten hatte er in seiner politischen Führung erlebt, die vor 50 Jahren begann, als er sich über das Radio an das kubanische Volk wandte und den Sieg der Revolution verkündete.
Ein Medium war das Sprachrohr, das nicht nur Fidel Castro sondern dem ganzen kubanischen Volk wie auf den Leib geschnitten schien. Hören Sie in unseren Zeitreisen von Ole Schulz "Herzschmerz und Widerstand – Das kubanische Radio am Vorabend der Revolution":

"Was am Besten schmeckt: die super-dünnen Partagás - pure Qualität. Das ist der Geschmack der Jugend …"

Partagás-Zigaretten. Eine kubanische Radio-Werbung vor der Revolution von 1959.
Edle Waren zu konsumieren, das entsprach dem Zeitgeist …

Kuba bewegte sich in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg auf den Höhepunkt eines dekadenten Booms zu: Der Tourismus erreichte bisher ungeahnte Ausmaße und Havanna entwickelte sich unter tatkräftiger Mithilfe der Mafia zum Vergnügungsparadies der US-Amerikaner: zum "Monte Carlo der Karibik", wie der Diktator Batista später einmal bemerken sollte.

Leonardo Acosta hat diese Zeit hautnah als Musiker in den großen Hotels und Cabarets miterlebt. Im Rückblick urteilt er äußerst kritisch.

"Für die kubanische Kultur im Allgemeinen waren die Fünfzigerjahre eine sehr schlechte Zeit. Die Maler konnten ihre Bilder nicht verkaufen, weil es kein interessiertes Publikum gab, genauso wenig wie für die Literatur. Außer für Schulbücher gab es praktisch keine Verlage. Die Schriftsteller mussten dafür bezahlen, ihre Bücher zu veröffentlichen. Darum sind viele Schriftsteller, Maler oder Schauspieler nach Spanien, Venezuela, Mexiko und in die USA emigriert."
Diese Einschätzung bleibt allerdings nicht unwidersprochen. Der Filmemacher und Historiker Roberto Viñas:

"Ich denke folgendes: Wer verneint, welche Bedeutung die Fünfzigerjahre für Kuba hatten, der verleugnet die Realität. Havanna hat einen Boom erlebt. Die Stadt hat sich in diesen Jahren in eine moderne Metropole verwandelt. Die kubanische Unterhaltungsmusik dieser Zeit ist in der ganzen Welt berühmt. Die ganze Welt tanzt Mambo und Cha Cha Cha - das ist Musik aus den Fünfzigerjahren …"

Die großen Radiostationen Kubas wie Radio Cadena Azul, CMQ und Radio Progreso spielten in Live-Shows die aktuellen Hits - und Sängerinnen wie Celia Cruz bewarben die neusten Produkte.

"Hatuey - das beste kubanische Bier. Am Sonntag haben Sie ein eisgekühltes Hatuey verdient …"

Die heute 89-jährige Schauspielerin Martha Jiménez Oropesa erinnert sich noch gut an diese Zeit. 1919 in Havanna geboren, arbeitete sie damals als Radiosprecherin.

Martha Jimenez Oropesa: "”"Mit dem Rapido, Rapido, dem Schnellen, Schnellen bleibt alles sauber. Das war ein Waschmittel mit dem Namen Rapido. Ich musste es so schnell einsprechen, weil es so gut zu dem Namen passte ...""

Kuba, nur 80 Meilen südlich von Miami, war ein Experimentierfeld für US-amerikanische Unternehmen, die ihre Produkte auf dem lateinamerikanischen Markt loswerden wollten. Die Mehrheit dessen, was die Kubaner konsumierten, war aus den Vereinigten Staaten importiert. Und die Lebenshaltungskosten in Havanna waren höher als in den US-Metropolen.

Die Löhne hielten mit den Preisen kaum mit. Auch Martha Jiménez Oropesa verdiente als Radiomoderatorin nicht viel:

"Nein, sie haben einem irgendetwas bezahlt, weil sie irgendetwas bezahlen mussten, aber es war kein guter Lohn. Für ein Radioprogramm, für das ich täglich gesprochen habe, habe ich vielleicht einen Peso erhalten. Ein Peso, das ist heute schon ein bisschen was, aber damals hat es für nicht viel gereicht - weder um mit dem Taxi nach Hause zu fahren, noch um in einem guten Restaurant Essen zu gehen. Das war damals wirklich eine andere Epoche."

Den höchsten Preis für den verbreiteten Nepotismus und die auswuchernde Korruption bezahlten aber die "campesinos" auf dem Land: Sie verdingten sich als Saisonarbeiter bei der Zuckerrohr- und Tabakernte und lebten in armseligen Behausungen.

Radioapparate gab es aber in den meisten kubanischen Haushalten.

Leonardo Acosta: "Die große Zeit des Radios war in den Vierzigerjahren. Kuba hatte damals nicht nur die größte Anzahl an Radiogeräten pro Einwohner in ganz Lateinamerika, sondern mit 62 Stationen auch die meisten Sender."

Im Laufe der Fünfzigerjahre machte das Fernsehen in Kuba dem Radio allmählich Konkurrenz, aber gerade auf dem Lande blieb es weiterhin das wichtigste Medium. Roberto Viñas, der aus der Provinz Pinar del Río stammt:

"Ich bin in den Fünfzigerjahren aufgewachsen, und ich erinnere mich noch gut daran, dass wir ein Radio im Haus hatten, das den ganzen Tag lief - das war quasi die Ausbildung, die wir zu Hause genossen haben. Meine Mutter war Hausfrau und hat die ganze Zeit ihre Lieblingsprogramme gehört -Radionovelas, Musiksendungen und Abenteuergeschichten. Und ich war darum von klein an das Radio und die Radionovelas gewöhnt, zum Beispiel die "Liebes-Novela" von Palmolive."

Das Radio war das größte Kommunikationsmedium Kubas - und auch der Ort, wo - unterschwellig - Kritik an den bestehenden Verhältnissen geäußert wurde.

Zum Beispiel von der Sängerin Rita Montaner. Die seinerzeit äußerst populäre Montaner hatte ein eigenes Programm bei der kommerziellen Radiostation CMQ. Ihre Sendung "Mejor que me calle”, auf Deutsch etwa "Besser, wenn ich die Klappe halte", war bei den Regierenden gefürchtet. Denn Montaner, auch "La Chismosa”, "Die Klatschtante", genannt, nahm kein Blatt vor den Mund.

Eine andere beliebte Radiosendung trug den Namen "El suceso del día", "das Ereignis des Tages", moderiert vom Sänger Joseíto Fernández, der das Lied "Guajira Guantanamera" bekannt machen sollte:

Roberto Vinas: "”In diesem Programm ging es um Morde, Verbrechen und ähnliche Sachen. Joseíto nahm das Lied "Guantanamera" und sang dazu über diese Vorkommnisse. Darum gab es seinerzeit auch das Sprichwort: "Ich singe Dir gleich die Guantanamera. Das hat man gesagt, wenn man sich mit jemand gestritten hat. Bleib ruhig, sonst singe ich Dir die Guantanamera.""

Über zehn Jahre lang benutzte Joseíto Fernández die Melodie des Klassikers "Guajira Guantanamera", jeden Tag punkt zwölf Uhr Mittags, um darauf über aktuelle Begebenheiten mit Sensations-Charakter zu improvisieren:

Und genug "Schreckensmeldungen" gab es zu berichten, in der so genannten Ära des "gangsterismo". Der ehemalige Sergeant Fulgencio Batista, der sich 1933 an die Macht geputscht hatte, war 1944 zwar freiwillig zurückgetreten. Aber die Regierung, die ihm folgte, stand ihm im Machtmissbrauch in nichts nach:

Bei den Wahlen von 1944 setzte sich Ramón Grau durch, der Kandidat der "Auténtico"-Partei. Über ihn hieß es, er habe alles gestohlen, was nicht niet- und nagelfest gewesen war - und niet- und nagelfest sei damals gar nichts gewesen.
Graus Gegenspieler war der charismatische, wortgewaltige Politiker Eduardo Chibás von der Partei der "Orthodoxen". In seiner eigenen Radiosendung auf CMQ attackierte er, jede Sonntagnacht, den Präsidenten Grau heftig.

Roberto Vinas: "”Chibás war ein sehr anständiger Politiker, der gegen die dreckigen Geschäfte der Regierung vorgehen wollte. Er war die Stimme des Volkes und sein Motto lautete: "Scham gegen Geld.""

Chibás konnte sich aber auch bei den Wahlen von 1948 nicht gegen Graus Nachfolger Carlos Prío durchsetzen. Am 5. August 1951 hielt Chibás eine letzte verzweifelte Ansprache im Radio. Sie endete mit den Worten.

"Das ist meine letzte Warnung!"

Nach diesen Worten, seinem "último aldabonazo", versuchte er, sich mit einer Pistole ins Herz zu schießen.

Doch Chibás zielte schlecht. Mit einer schweren Bauchverletzung wurde er ins Krankenhaus eingeliefert, wo er elf Tage später verstarb.

Hätte Chibás sich nicht umgebracht, dann hätte die Geschichte Kubas vielleicht einen anderen Verlauf genommen. Denn einer der glühendsten Anhänger von Eduardo Chibás war ein junger Student der Rechtswissenschaften aus dem Osten Kubas, der erst nach dem Tode von Chibás ins öffentliche Rampenlicht drängte.

Roberto Vinas: "”Ja, es stimmt, Fidel Castro war ein Anhänger der Orthodoxen - wie viele seiner Generation. Diejenigen, die mit Fidel 1953 die Moncada-Kaserne überfallen haben, das alles waren Parteigänger der Orthodoxen. Fidel sollte auch bei den Wahlen von 1952 für die Orthodoxen antreten.""


Die Mehrheit der Kubaner lenkte sich derweil mit Unterhaltungsprogrammen im Radio von ihren Alltagsorgen ab, vor allem mit sentimentalen "Radionovelas" - in einzelne Folgen unterteilte, melodramatische "Radio-Romane" mit Hörspiel-Charakter.

Martha Jimenez Oropesa: "”Wenn du nicht gegangen wärst, hätte ich weder Schmerz noch Kummer erlebt. Dich an meiner Seite fühlend, ach, wie glücklich wäre ich. Aber ohne Dich, wie soll ich da nur glücklich sein?""

Martha Jiménez Oropesa wurde später eine der erfolgreichsten Schauspielerinnen Kubas. Doch bis heute denkt sie gern an jene Jahre zurück, als ihre Karriere im Radio begann:

"Ich habe das Theaterschauspiel immer gerne gemocht. Das, was ich dort gesehen habe, habe ich versucht auf das Radio zu übertragen. Und das ist nicht so leicht. Denn man hat nur die Stimme, mit der man die Hörer überzeugen muss."

Ihre Lieblingsrolle war die "Mala":

"In den Radionovelas hat mir die Rolle der Bösen immer am Besten gefallen, derjenigen, die zwei Seelen in sich trägt. Wenn man zum Beispiel sagt: "Mein Liebster, ich mag Dich so sehr, ohne Dich kann ich nicht leben, aber mit Dir zusammen sein, kann ich auch nicht."

1943 hatte der in Yale in Betriebswirtschaft ausgebildete Kubaner Goar Mestre den Sender CMQ gekauft. Mestre, der vorher eine Werbefirma in Havanna betrieben hatte, setzte mit Unterstützung des US-Networks NBC alles daran, den zu dieser Zeit beliebtesten Sender, Radio Cadena Azul, zu überrunden - mit Erfolg.

Entscheidend für den Siegeszug des Senders CMQ war, dass Goar Mestre die aus den USA importierten Radio-"Soap Operas", die "Seifenopern", weiter entwickelte. Später sagte Mestre dazu, die Kubaner hätten vor allem gefühlvolle Radionovelas hören wollen, bei denen das Thema Liebesverrat und Ehebruch im Mittelpunkt stand.

Der heute 79-jährige Radiomoderator Manuel Villar hat als Junge viele solcher kitschigen Novelas gehört:

"Ein viel benutztes Thema war das des Landmädchens, das in die Stadt kam, wo sie von einem Mann betrogen wurde. Nach diesem Schema wurden unzählige Radionovelas gemacht, die riesigen Erfolg bei den Hörern hatten."

Wenn die "Novela del Aire" von CMQ, der "Roman des Äthers", zur besten Sendezeit um halb neun Uhr abends lief, dann waren die Straßen Havannas wie leer gefegt. Diese Begeisterung für die CMQ-Radionovelas erfasste allmählich ganz Mittel- und Lateinamerika.

Manuel Villar: "”Goar Mestre war ein intelligenter Unternehmer und begann damit, die Radionovelas auf große Schallplatten pressen zu lassen. Die hat er dann ins Ausland verkauft. Komplette Hörspiele, in Kuba produziert, ganz ohne Werbung. Dadurch wurden die kubanischen Radionovelas so weit verbreitet.""

Laut dem peruanischen Schriftsteller Mario Vargas Llosa war die Radiostation CMQ seinerzeit etwas so Mythisches wie das Hollywood jener Zeit für die Cineasten:

"Im fernen Havanna der Palmen, der paradiesischen Strände, der Revolverhelden und Touristen wurden tagtäglich eine Reihe neuer Radionovelas produziert: ein unaufhörlicher Strom von Ehebruch, Selbstmord, Leidenschaften, Begegnungen, Erbschaften, Verehrungen, Zufällen und Verbrechen, der sich von der Antilleninsel über ganz Lateinamerika ergoss und die Nachmittage der Großmütter, Tanten, Cousinen und Rentner jedes Landes verzauberte."

Havanna wurde zum Zentrum eines neuen Wirtschaftszweigs und exportierte neben Radiosprechern und -Produzenten vor allem Textbücher für Radionovelas - nach Mexiko-City, Caracas und Buenos Aires.

Der Erfolg der kubanischen Radionovelas hatte weit reichende Folgen. Denn mit dem Siegeszug des Fernsehens entwickelten sich daraus im Laufe der 50er Jahre die heute auf der ganzen Welt bekannten "Telenovelas".

Der Mann, der neben Goar Mestre entscheidend dazu beitrug, das kubanische Radio zu revolutionieren, kam wie Fidel Castro aus dem "Oriente", aus dem Osten Kubas: Felix Benjamin Caignet. Er war nicht nur Autor, sondern auch Komponist. Aus seiner Feder stammen einige Klassiker der kubanischen Musik - wie "Frutas de Caney".

Doch was Felix B. Caignet berühmt machen sollte, war seine Radionovela "El derecho de nacer", "Das Recht geboren zu werden", von 1948. Sie gilt als "Mutter aller Radionovelas".

Manuel Villar: "”Mit `Das Recht, geboren zu werden´ hat Caignet einen Volltreffer gelandet. Denn die Handlung hat alle gerührt: Die Geschichte eines unehelichen Jungen aus gutem Hause, der nicht geboren werden sollte und darum von einer schwarzen Amme heimlich aufgezogen wurde. Alberto Limonta hieß der Protagonist der Novela, die ein Wahnsinnserfolg wurde.""

Felix B. Caignet etablierte das Genre des Romans in 314 Folgen in der Welt des Radios, wobei er orale Traditionen, Volkslieder, Legenden und Mythen aufgriff. Die größte Hörergruppe bestand aus den - überwiegend dunkelhäutigen - Dienstbotinnen und Hausangestellten: Sie träumten von einem besseren Leben und fieberten mit Caignets Figuren mit.


"In dem nüchternen Warteraum sitzt nur eine Frau - eine sehr junge Frau, kaum 20 Jahre alt. In erlesener Eleganz gekleidet. Wie schön sie ist, mit ihren dunklen Haaren. Sie sieht aus wie eine kreolische Skulptur, geschnitzt aus wohlriechendem Zimt, geformt durch den Meißel der Tropen. Aber was ist mit ihr? Ist sie vielleicht nervös?"

Doch Caignet beschränkte seine Hörspiele nicht allein auf melodramatische Inhalte: Er thematisierte auch gesellschaftliche Fragen des vorrevolutionären Kubas - in "Das Recht, geboren zu werden" zum Beispiel die Doppelmoral der bürgerlichen Klasse.

Wie "Das Recht, geboren zu werden", waren allerdings auch alle anderen Radionovelas der damaligen Zeit abhängig von Sponsoren. Ohne "Jabon", ohne Seife, hätte es diese Sendungen gar nicht gegeben:

Roberto Vinas: "”Fast alle, nein alle Radioprogramme damals wurden von Unternehmen gesponsert. Und die Radionovelas meist von Körperpflege-Fabrikanten, die Seife, Zahnpasta oder Waschmittel hergestellt haben. Daher kommt auch der Name "Seifenopern". Diese Sendungen richteten sich an Frauen, vor allem an junge Frauen, die von einem Prinzen träumten …""

Kuba hatte den höchsten Seifenverbrauch in ganz Lateinamerika, und stand im weltweiten Vergleich auf einem erstaunlichen sechsten Platz.

Roberto Vinas: "”Es gab damals zwei große Seifenhersteller: "Crusellas" und "Sabatés". Ich kann mich bis heute noch gut an den Geruch einiger ihrer Seifen erinnern.""

Beide Hersteller waren Tochterfirmen US-amerikanischer Unternehmen: "Crusellas" gehörte zu Colgate-Palmolive und der Konkurrent "Sabatés" zu Procter and Gamble.

"Achtung: In einer der samtweichen goldenen und grünen Esmeralda-Seifen befindet sich das Los für einen wunderschönen, brandneuen Dodge-Coupet."

1952 putscht sich der von den USA unterstützte Armeechef Fulgencio Batista - kurz vor den geplanten Präsidentschaftswahlen - erneut an die Macht. In nur einer Stunde und siebzehn Minuten hat er die Auténtico-Regierung entmachtet.

Der junge Rechtsanwalt Fidel Castro klagt Batista daraufhin vor dem Obersten Gerichtshof wegen Machtusurpation an. Als die Klage zurückgewiesen wird, erklärt er, dass damit das verfassungsmäßige Widerstandsrecht in Kraft getreten sei und bereitet mit anderen den Sturz Batistas vor.

Der erste Umsturzversuch - der Angriff auf die Moncada-Kaserne in Santiago de Cuba am 26. Juli 1953 - scheitert und Fidel Castro wird verhaftet. Aber ein erstes Signal zum Aufstand ist gegeben. In der anschließenden Gerichtsverhandlung äußert Castro die berühmt geworden Worte: "La historia me absolverá".

"Verurteilen Sie mich ruhig; das ist bedeutungslos,
die Geschichte wird mich freisprechen!"

Nach nur zwei Jahren Haft kommt Fidel Castro bei einer Generalamnestie für alle politischen Gefangenen frei. Weil er befürchtet, von Batistas Geheimpolizei in eine Falle gelockt zu werden, verlässt Castro Kuba nach Mexiko.

Hier sammelt er kubanische Exilanten und andere Mitstreiter um sich - darunter der argentinische Arzt Ernesto Ché Guevara -, und kehrt 1956 ins Land zurück. Während sich die Rebellen der "Bewegung 26. Juli" in die Bergregion der Sierra Maestra zurückziehen, kämpfen andere kleine Gruppen in den Städten gegen das diktatorische Regime Batistas:

Am 13. März 1957 überfällt das so genannte "Directorio Revolucionario" unter dem Studentenführer José Antonio Echeverría den Präsidentenpalast in Havanna und besetzt den Nachrichtensender Radio Reloj.

José Antonio Echeverría: "Kubanisches Volk, genau in diesen Moment wird der Diktator Fulgencio Batista hingerichtet. In seiner eigenen Räuberhöhle, dem Präsidentenpalast, rechnet das kubanische Volk soeben mit ihm ab. Wir haben in einem revolutionären Akt im Namen der kubanischen Revolution diesem Regime der Schande den Gnadenschuss verpasst. [Kubaner, gerade wird der Diktator beseitigt."

Damit hat Echeverría den Ereignissen allerdings vorgegriffen: Denn Batista kann entkommen, und Echeverría wird in den Nachmittagsstunden von der Geheimpolizei erschossen.

Doch der Kampf gegen den von den USA unterstützten Batista geht weiter. Und wieder spielt das Medium Radio dabei eine große Rolle.

Radio Rebelde-Sprecher: "”Hier ist Radio Rebelde aus der Sierra Maestre, dem befreiten Gebiet Kubas. In Kürze werden wir mit einer äußerst wichtigen Durchsage an das kubanische Volk beginnen. Hier ist Radio Rebelde.""

Am 24. Februar 1958 senden die Rebellen unter der Aufsicht Ché Guevaras zum ersten Mal aus der unzugänglichen Sierra Maestra: "Radio Rebelde" wird auf Kurzwelle bis in die Hauptstadt Havanna - und gelegentlich noch weiter bis in den äußersten Westen der Insel – empfangen.

Roberto Vinas: "”Ich werde nie vergessen, wie mein Vater heimlich Radio Rebelde gehört hat. Man musste natürlich aufpassen, nicht erwischt zu werden. Dann wurde man verprügelt - im besten Fall! Bei uns in Pinar del Rio wurde der Sender deshalb auch meistens spät nachts gehört.""

Im Laufe des Jahres 1958 mehren sich die Anzeichen, dass das Ende Batistas bevorsteht. Sein Versuch, im Sommer 1958 mit einer 12.000 Mann starken Truppe eine Offensive gegen die Rebellen zu starten, scheitert kläglich.
Dafür rückt die "Bewegung 26. Juli" vom Osten her in verschiedenen "Columnas", Abteilungen, immer weiter Richtung Havanna vor. Bei ihrem Vormarsch nutzen die Truppen "Radio Rebelde" auch zur internen Kommunikation: Insgesamt gibt es 32 mobile Sendestationen, die das Radio wie Funkgeräte einsetzen.

Als die 2. Abteilung unter Ché Guevara und Camilo Cienfuegos zur Jahreswende 1958/59 die entscheidende Schlacht um die Stadt Santa Clara gewinnt, ist der Sieg nahe.

In der Neujahrsnacht flieht Diktator Batista mit 40 Millionen US-Dollar in bar im Gepäck in die Dominikanische Republik. Fidel Castro, der noch in Santiago de Cuba weilt, wendet sich in den Morgenstunden des 1. Januar 1959 über "Radio Rebelde" mit einem kämpferischen Aufruf an das kubanische Volk, nachdem ihm das Militär das Angebot gemacht hat, vorläufig die Macht zu übernehmen:

Fidel Castro: "Revolution, ja, Militärputsch nein! Wachsam zu sein, ist das Gebot der Stunde. Das Volk und vor allem die Arbeiter der Republik müssen sehr aufmerksam verfolgen, was Radio Rebelde meldet und sich in allen Betrieben sofort auf einen Generalstreik vorbereiten."

Am nächsten Tag zieht eine erste Abteilung von Rebellen in Havanna ein, und die Revolution hat gesiegt.

Nach dem "Triumph" der Revolution hat sich vieles auf Kuba grundlegend geändert. Auch die Fernseh- und Radiostationen wurden verstaatlicht.

Doch das Medium Radio spielt bis heute immer noch eine große Rolle auf Kuba. Vor allem ältere Kubaner hängen weiterhin tagtäglich gebannt vor dem Radio, wenn am Morgen auf Radio Progreso die "Novela de Amor" läuft, die "Liebes-Novela". Und manchmal scheint es, dass dabei wie schon zu Zeiten Felix B. Caignets versteckte Kritik an den gegenwärtigen Bedingungen geäußert wird - auch wenn die aktuelle Radionovela in der vorrevolutionären Zeit spielt.

"Lüge. In diesem Land wollen sie, dass wir alles glauben. Dass Grün Weiß ist und Weiß Schwarz. Das dient alles nur einem Zweck: Dass die Auténticos die Macht behalten, koste es, was es wolle. Und das werden sie auch schaffen. Was danach kommen wird? Ich weiß es nicht."