"Hidden Champions": Blieskastel

Barock und gute Küche

Blick durch die Von-der-Leyen-Straße in Blieskastel
Die von der Leyens prägten das Bild von Blieskastel. © imago/Becker&Bredel
Von Tonia Koch · 05.07.2018
Seine Pracht verdankt Blieskastel im Saarpfalz-Kreis der Blütezeit des Barocks. Die gesamte Altstadt steht unter Denkmalschutz. Doch nicht nur aus architektonischer Sicht hat die gut 20.000 Einwohner zählende Stadt ihren Besuchern allerhand zu bieten.
Die Gruppe - vier interessierte Besucher und Stadtführer Siegfried Heß - recken die Hälse. Zu erkennen ist nur eine bräunliche Mauerruine.
"Das war der Mittelrisalit vom Schloss, schön über der Stadt thronend."
Das Anwesen der von der Leyens fiel den Wirren der Französischen Revolution zum Opfer. Die französischen Truppen bezogen im Blieskasteler Barockschloss ihr Winterquartier, plünderten das Inventar und legten auch Hand an die eisernen Stützen des Mauerwerks. Den Rest besorgte die Bevölkerung. Sie nutzte das leer stehende Gebäude als Steinbruch. Die Gräfin, Marianne von der Leyen, war zuvor, 1796, vor den französischen Revolutionsgarden geflohen. Nur die großzügige Orangerie und die Kirche auf dem hohen Felsen überlebten den Ansturm.
"Die Westfassade ist die schönste Fassade oder die interessanteste Fassade, nicht jeder findet sie schön, weil es einen Stilmix gibt."
Die katholische Kirche weist spätbarocke und frühklassizistische Elemente auf ebenso wie die Beamtenhäuser der gräflichen Herrschaft. Sie säumen den Aufstieg zum Schlossberg und entstanden 1756, als die von der Leyens ihre Residenz von Koblenz nach Blieskastel verlegten. Alles, was das 20.000 Einwohner zählende Städtchen Blieskastel heute ausmacht, geht auf die Blütezeit des Barock zurück.
"Also das Ehepaar von der Leyen wollte ihrer neuen Residenzstadt Wohlstand und Schönheit bringen, von der Schönheit ist noch einiges zu entdecken, Wohlstand naja, so pleite wie viele Gemeinden."

Der wohl älteste Tabakladen Deutschlands

Seit 1986 steht die gesamte Altstadt unter Denkmalschutz, die Häuser sind rosé, gelb, grün getüncht, die Klappläden erstrahlen in kräftigem blau und grün oder in kontrastierendem weiß. Fenster- und Türlaibungen aus rose farbenem Sandstein haben überwiegend überlebt. Die Zahl der kaputt sanierten Häuser ist überschaubar. Die engen Gassen und Plätze rund um den Herkulesbrunnen und den Napoleonsbrunnen sind belebt. Und der aufmerksame Betrachter kann Kurioses entdecken, ein Messingschild am Eingang eines Ladens zum Beispiel mit der seltenen Aufschrift: Fachgeschäft der saarländischen Tabakregie.

Drinnen schaut es tatsächlich aus wie anno dazumal. Die Registrierkasse stammt von 1896, Boden- und Wandfliesen sind im Originalzustand.
"Wir haben nichts geändert, im Großen und Ganzen ist der Laden noch so wie vor 150 Jahren."
Für Ladenbesitzer Andreas Burger steht fest: Es ist der älteste Tabakwarenladen Deutschlands. Kann sein, verbrieft ist es nicht. Aber die in die Jahre gekommenen Werbetafeln bieten Tabak und Zigarettenmarken an, die es längst nicht mehr gibt.
"Ein ganz alter, das ist der Afri, Kunden sagen, den hätten wir gerne, den besorgen wir oder Rotfuchs, Landewyck-Silber ist auch ein ganz alter Tabak oder Schwarze Hand."
Die Namen stehen auch für ein Stück Zeitgeschichte. Nach dem Zweiten Weltkrieg führten die Franzosen ein saarländisches Tabak- und Zündwarenmonopol ein. Tabak durfte nur noch über ausgesuchte Fabriken bezogen werden und die saarländische Tabakregie, vergleichbar einer Finanzbehörde, verteilte Verkaufskonzessionen vornehmlich an Kriegsversehrte, die sich mit den Tabakläden eine neue Existenz aufbauen sollten.
Der historische Tabakladen in der Kardinal-Wendel-Straße in Blieskastel
Der historische Tabakladen in der Kardinal-Wendel-Straße in Blieskastel© imago/Becker&Bredel

Seit 1999 gibt es ein großes Biosphärenreservat

Ein paar Meter weiter am Paradeplatz ist Mondscheinmarkt. Hier verkauft Albrecht Schmitt Honig aus der Biosphäre.
"Die Biosphäre hat einen großen Vorteil, weil ich dann sagen kann, der Honig ist Biosphähren-Honig und 80 Prozent der Bevölkerung sagen: Ah, Bio-Honig, deshalb ist der auch besonders gut."
1999 hat die UNESCO den südöstlichen Zipfel des Saarlandes als Biosphärenreservat anerkannt. Gekennzeichnet wird die hügelige Landschaft des Bliesgaus von Streuobstwiesen, Buchenwäldern und Orchideenwiesen. Die Landwirtschaft unterliegt besonderen Naturschutz-Auflagen, und mit Produkten aus der Biosphäre haben die Ägypterin Walaa und Tobias Klever im vergangen Jahr in der Kleinstadt Blieskastel ein veganes Restaurant eröffnet.
"Was wir haben, was andere nicht haben, wir machen weltliche Küche, das heißt, wir sind früher gern gereist mit einem T2-Bus durch die Welt und haben gern gegessen und lieben es, neues Essen zu entdecken. Und diese Faszination, dachten wir, packen wir in ein Konzept und wollen diese Faszination für diese Vielfalt unserer Erde an Geschmäckern weitergeben - das spiegelt sich in unserer Speisekarte."
Gemüse, Wraps, Burger, Salate, mal Indien, mal Amerika, mal Italien. Gegessen wird an alten Tischen und in barockem Ambiente. Und anfangs war Restaurant-Gründer Klever überzeugt, dass er für die Umsetzung seines veganen Konzepts ein großstädtisches Publikum benötigen würde - aber er wurde eines Besseren belehrt.
"Dachten wir auch, dachten wir auch, aber dem ist nicht so. Blieskasteler und drum herum, das ist offenbar ein nettes Völkchen, die wohl sehr offen für so etwas sind. Wir haben gemerkt, da gibt es einfach eine Lücke, Kunden, die handgemachtes Essen mit einem ökologischen und tierrechtlichen Hintergrund sehr gerne mögen."

Köstlichkeiten aus aller Welt

Die Kundschaft sieht das genauso.
"Ich bin kein Veganer, auch kein Vegetarier und es muss nicht immer Fleisch sein. Wir kommen immer gern hier her, es schmeckt gut, nachhaltige Zutaten und das passt zum gegenwärtigen Essenstrend schon ganz gut."
Wenige Meter entfernt, in friedlicher Koexistenz sozusagen, bekocht ein Sternekoch seine Gäste klassisch mit regionaler Vielfalt, gepaart mit französischer Raffinesse. Es gibt viel zu entdecken im Bliesgau und im Städtchen Blieskastel, für Einheimische wie Paul-Heinz Klemm:
"Ich war schon öfter hier in Blieskastel, aber die alten Ecken habe ich noch nie gesehen."
Ebenso wie für Urlaubsgäste wie Sandra und Herrmann Schmidt aus dem Rhein-Main-Gebiet.
"Es ist schon beeindruckend wie die Geschichte ist. Ich hatte schon erwartet, von dem ersten Eindruck des Örtchens, dass hier noch einiges dahinter steckt, einen Teil habe ich nun heute erfahren, sehr spannend."
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