"Hier gilt's der Kunst" - aber nicht nur
Als am 13. August 1876 die ersten Richard-Wagner-Festspiele mit dem "Rheingold" begannen und in einem riesigen Defizit endeten, da wollte sich wohl niemand vorstellen, dass daraus eine lange Tradition werden könnte und dieses Ereignis gleichsam die "Mutter aller Festspiele" werden würde. Am 25. Juli beginnen die 100. Bayreuther Festspiele.
Richard Wagner selbst hatte ursprünglich eine solche Idee nicht, denn ganz am Anfang wollte er nur ein provisorisches Theater am Rande des Rheins bauen lassen, um dort einmal die Tetralogie vom "Ring des Nibelungen" aufführen zu lassen.
Dann sollte der hölzerne Bau wieder abgerissen werden. Aber es ist anders gekommen, auch wenn die Festspiele in ihrer wechselvollen Geschichte des Öfteren vor dem Aus standen.
Zwischen Tradition und Erneuerung, zwischen Museum und lebendigem Theater, zwischen Weltkrieg und Familienzwist: Dieser magische Ort in der fränkischen Provinz zieht Jahr für Jahr noch immer Menschen aus aller Herren Länder an.
Und das, obwohl kaum jemand gedacht hätte, dass es 1951, sechs Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs bereits wieder Festspiele geben würde, und so finden in diesem Jahr zugleich die 60. Festspiele von "Neu-Bayreuth" statt.
Diese Lange Nacht erzählt die Geschichte der Festspiele anhand historischer Dokumente, Interviews mit Zeitzeugen, Kritikern, Musikern und nicht zuletzt mit Angehörigen der Familie Wagner - und natürlich mit Musik von Richard Wagner.
Bayreuther Festspiele
Richard Wagner Stiftung
Wagner-Museum
"Der schafft Kultur, der mehr als sie erstrebt" - Richard Wagner
Das Wagnerportal
"Ich habe immer das Gefühl, unter diesem grünen Hügel laufen so die Ströme der deutschen Geschichte zusammen, es ist ja faszinierend, dass Sie die deutsche Geschichte immer an der Geschichte Bayreuths entlang erzählen können. Ich glaube, man muss sich am Mut des Gründers orientieren und nicht an den Notwendigkeiten des Stadtmarketings oder den Interessen des Freistaats oder des Bundes oder des Wagnerclans, das ist alles nicht so wichtig, die Stücke sind wichtig, und dass man sie für heute birgt für ein Publikum, das da heute hingeht, nicht auf Knien den Hügel hoch rutscht, sondern erhobenen Hauptes, dann aber doch mit einer gewissen Neugierde und da sind die Bedingungen in diesem Raum perfekt, um neugierig zu bleiben."
(Holger Noltze, Musikjournalist und Professor für "Musik und Medien" an der TU Dortmund. Als 13-Jähriger hat er sich in einem Brief an Wolfgang Wagner bitterlich darüber beklagt, dass es so lange dauere, um eine Karte für die Festspiele zu bekommen.)
Holger Noltze
Wagner für die Westentasche
2008 Piper
Über keinen Komponisten wird so viel geredet, geschrieben, gestritten, geschimpft und geraunt. Reden Sie kompetent mit. Holger Noltze packt Richard Wagner für Sie in die "Westentasche".
Keine Angst vor Richard Wagner! Denn Holger Noltze schafft es, zum 125. Todestag des Komponisten am 13. Februar das denkbar kürzeste Wagner-Buch zu schreiben und trotzdem umfassend und verständlich zu informieren. Leitmotiv und Zukunftsmusik, Neu-Bayreuth und Schlingensief, Frauen und König Ludwig: der perfekte Einstieg in Wagners Welt. In Kürze werden auch alle Werke von "Leubald" bis "Parsifal" vorgestellt. Von Wagners großen Feinden und seinen Fluchten erzählt Holger Noltze ebenso wie von Wagner zu Hause in Wahnfried, vom "mystischen Abgrund" im Festspielhaus und den politischen Abgründen (Hitler und Bayreuth). "Wagner für die Westentasche" - ein ganzes Wagner-Theater im Taschenformat und damit Wagner zum Mitreden.
Mehr von Prof. Dr. Holger Noltze
"Die Bayreuther Festspiele sollen ja der Ort sein, der Ort groß geschrieben, an dem Wagner gezeigt wird und auch auf eine bestimmte Art gezeigt wird, die wegweisend sein sollte. Auf der anderen Seite müssen sie immer wieder überlegen, auch in Bayreuth wird mit Wasser gekocht. Es wird auch an der MET, in Wien und überall mit Wasser gekocht."
(Der Dirigent Christian Thielemann, seit dem Jahr 2000 Dauergast im Orchestergraben des Bayreuther Festspielhauses und nach dem Tod Wolfgang Wagners auch künstlerischer Berater der Festspielchefinnen Eva Wagner-Pasquier und Katharina Wagner.)
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Christian Thielemann bei Wikipedia
"Es gibt ein schönes Wort von Pierre Boulez, Bayreuth sei die Mutter aller Festspiele. Und er meinte das in zweierlei Hinsicht. Bayreuth wurde ja gegründet, weil die anderen Theater den ‚Ring' so nicht aufführen konnten, die Hofoperntheater. Da ist einer rausgegangen und hat sich seine eigene Bretterbude aufgeschlagen, eine 'interesting location' sozusagen geschaffen, und heute findet man das allenthalben. Zumindest seit den frühen siebziger Jahren geht die Kunst auch in andere Gehäuse, in Industriehallen, in Scheunen, in Kirchen, das ist uns gar nicht mehr so bewusst, dass das auch mal ein Schritt nach draußen war, raus aus den konventionellen Schuhschachteln der Opernhäuser. Es ist aber auch noch anders gemeint und zwar rein ästhetisch, es war ja erst der ‚Ring' da, und dann kam das Festspielhaus, das heißt, die Kunst hat sich das Gehäuse geschaffen, das sie brauchte. Es ist nicht so gewesen, dass man ein leeres Gebäude mit Kunst gefüllt hat, und das ist das Sensationelle an Bayreuth und deswegen möge es auch die Mutter aller Festspiele bleiben." (Nike Wagner)
"Ich muss ganz ehrlich sagen, ich war dieses Jahr in der Generalprobe im 'Rheingold' im Zuschauerraum, und dieses erhebende Gefühl, das Licht geht aus so wie im Kino, bloß ohne Sound, keiner klatscht, das Orchester tritt nicht auf, der Dirigent tritt nicht auf, es ist alles schon da, man muss sich das imaginieren, man hat einen zarten Silberstreif vorne am Vorhang, und plötzlich kommt aus dem Nichts ein Es...das präsentiert sich so, das geht durch die Hosenbeine durch und erreicht den ganzen Körper. Das hat was mit Erotik zu tun. Es ist unglaublich, dieser Sog dieses aufbauenden Es-Dur und so wie Christian Thielemann das gestaltet, das ist so faszinierend, da bleiben keine Wünsche offen."
(Der Dirigent Sebastian Weigle, der mit den "Meistersingern von Nürnberg" sein Bayreuth-Debüt gab, inszeniert von Katharina Wagner, die damit auch als Regisseurin im Festspielhaus Premiere hatte.)
Sebastian Weigle
"Als er verlautbarte, dass er das Festspielhaus in Bayreuth bauen wird, da kamen Bad Reichenhall oder Baden-Baden auch, und er hat ihnen klar gesagt, für badereisende Faulenzer werde er nicht spielen. Später kamen natürlich die reisenden Faulenzer aus Marienband und Karlsbad in Scharen, aber zu der Zeit hat er auch noch damit gerechnet, dass er bei freiem Eintritt spielen könnte, was auch eine Grundvoraussetzung für die Festspieleidee gewesen ist, aber das hat natürlich nie funktioniert."
(Georg Oswalt Bauer, von 1974 bis 1985 dramaturgischer Mitarbeiter Wolfgang Wagners, Generalsekretär und später Ehrenmitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste. Er arbeitet seit etlichen Jahren schon an der ersten umfassenden Dokumentation der Festspiele.)
Georg Oswalt Bauer
Richard Wagner geht ins Theater
Eindrücke, Erfahrungen, Reflexionen und der Weg nach Bayreuth. Bayreuth, Bayreuther Festspiele, 1996.
"Die Festspielidee Richard Wagners kann wohl aus verschiedenen Aspekten gesehen werden. Ich glaube, wir müssen vor allen Dingen, zwei Probleme ins Auge fassen, wenn wir uns über die Festspielidee Richard Wagners klar werden wollen. Ich glaube, sie ist eine Synthese vom Leiden am Repertoiretheater - also am damaligen Hoftheater - und dessen zwangsläufigen Unzulänglichkeiten und seiner großen Idee in die Kultur des 19. Jahrhunderts das griechische Theater und die griechische olympische Idee wieder einzuführen, also die Wurzel der Festspielidee ist zweifellos doppelköpfig."
(Wieland Wagner, der Enkel des Komponisten, in einem Gespräch Anfang der 1960er Jahre.)
"Ich würde sagen, es ist eines der elf Weltwunder, weil dieser Effekt mit einem bedeckten Orchestergraben hat eine wunderbare Erfahrung, dass es ein dreidimensionaler Film ist, weil man sieht nicht die Orchesterspieler, und das wäre schön für mich, wenn viele Theater sich an Bayreuth ein Beispiel nehmen würden."
(Der Bassist Alan Titus, langjähriger Gast auf dem Grünen Hügel als Hans Sachs in den "Meistersingern", als Wotan im "Ring" und als "Fliegender Holländer".)
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Porträt Alan Titus
"Die Besonderheit des Grabens ist, dass er als Erstes den Klang sehr stark mischt, ihn dann nicht in den Zuschauerraum sendet, sondern durch die verschiedenen Überdeckungen zuerst in den Bühnenraum und dann vom Bühnenraum erst wieder in den Zuschauerraum hinein. Das hat im Wesentlichen zwei Vorteile, einmal der Orchesterklang ist für das Publikum ein bisschen weiter weg, noch mystischer, als ob er aus dem All käme. Und es hat einen großen Vorteil für die Sänger, da dieses große Orchester sie nicht permanent zudecken kann."
(Der Akustiker Karlheinz Müller hat sehr differenzierte Erfahrungen mit der Wechselwirkung zwischen Orchestergraben, Bühne und Saal)
"Interessant ist, dass, wenn das Orchester zu sehr auf die Pauke haut, dann klingt es draußen nicht mehr laut, sondern gepresst, daran hat dieser alte Kerl auch noch gedacht. Ob das nun Zufall war, man will ja nun nicht denken, dass alles genial überlegt war, aber es kommt hier ein bisschen viel zusammen in diesem Haus. Das heißt, die Sache ist, dieser Graben ist für die Leute wie vielleicht bei einer komplizierten Uhr. Also wenn Sie ein Uhrmacher sind, und sie wissen an allen Schräubchen rumzudrehen, dann sagen Sie, ein Wunderwerk dieses Ding, wo alle Mondphasen fünfzigmal gespiegelt sind, also wenn man damit umgehen kann, dann ist dieser Graben toll, aber es ist ein Hochpräzisionsinstrument, sagen wir: mit kleinen Macken."
(Der Dirigent Christian Thielemann. Aber der Raum ist natürlich nichts ohne das Orchester, das ihn mit Klang füllt.)
Richard Wagners "Der Ring des Nibelungen"
Europäische Traditionen und Paradigmen.
Herausgegeben von Schmid-Reiter, Isolde . Schriften der Europäischen Musiktheater-Akademie
2010 ConBrio
Dieses Buch dokumentiert eine von der Europäischen Musiktheater-Akademie in Kooperation mit der Wiener Staatsoper durchgeführte Tagung zur europäischen Rezeption von Richard Wagners "Der Ring des Nibelungen": Internationale Wagner-Forscher widmen sich einer differenzierten Betrachtung nationaler Traditionen und Paradigmen der Interpretations- und Aufführungsgeschichte der Tetralogie, in der Wagner nach eigener Überzeugung den "vollendetsten künstlerischen Ausdruck" seiner Weltanschauung gefunden hatte. Während sich das Spektrum der Ring-Deutungen, heterogenen Inszenierungskonzepte und interpretatorischen Tendenzen des deutschsprachigen Raums durch zahlreiche Publikationen erschließt, blieb der Einblick in die gesamteuropäische Rezeption des Werkes bislang nur sehr fragmentarisch. In den vorliegenden Beiträgen rücken die mythologischen, archetypischen, allgemein-menschlichen und implizit wie explizit politischen Deutungsmuster, die die wechselvolle Auseinandersetzung mit Wagners Ring-des-Nibelungen-Tetralogie bestimmen, in Fallbeispielen aus Österreich, der Schweiz und ' kursorisch vor allem die jüngste Vergangenheit beleuchtend ' Deutschland sowie Frankreich, Italien, England, Finnland, Schweden, Dänemark, Estland, Lettland, Litauen, Polen, Russland, Ungarn und Portugal in den Blickpunkt. Dabei werden der komplexe Zusammenhang aus Inszenierung, ästhetischem und gesellschaftlichem Diskurs, die Verortung von Wagners Weltdrama in konkreten gesellschaftlich-historischen Kontexten und die Frage, wie die Interpretation des Ring auch die Selbstinterpretation der Gesellschaft spiegelt, zur Diskussion gestellt. Inwieweit sich gegenwärtig bei Wagners Werk Weltanschauungen verhandelt finden, wird nicht zuletzt anhand aktueller Ring-Inszenierungen im kreativen Dialog mit Theaterschaffenden hinterfragt. Mit Beiträgen von Udo Bermbach, Daniel Brandenburg, John Deathridge, Sieghart Döhring, Joachim Herz (verstorben), Stephan Mösch, Vera Nemirova, Gerd Rienäcker, Hannu Salmi, Tibor Tallián, Mário Vieira de Carvalho, Susanne Vill, Franz Welser-Möst und anderen.
"Es gibt berühmte Äußerungen auch brieflicher Art, wo er sagt, so etwa um 1880 herum, das seine Bayreuther Schöpfung vergehen wird, wenn er nicht mehr lebt. Er hat also das, was kam, dass seine Frau, seine Witwe Cosima das übernahm, nicht abgesehen. Das ist interessant, es gibt keine Äußerung, dass seine Frau das mal übernehmen könnte. Er hat so eine gewisse Hoffnung auf seinen Sohn gesetzt, aber um das übergeben zu können, hätte er selbst deutlich länger leben müssen, denn der Sohn war beim Tode Wagners noch sehr jung." (Jens-Malte Fischer, Professor für Theaterwissenschaft und Autor zahlreicher Bücher auch über Wagner und Bayreuth.)
Jens-Malte Fischer
Gustav Mahler
Der fremde Vertraute. dtv Taschenbücher
2010 DTV
Gustav Mahler war der erste wirklich internationale Dirigent, der in Europa und in den USA Triumphe feierte. Mit seiner Musik haben sich schon viele Autoren beschäftigt, seine facettenreiche Person dagegen rückt Jens Malte Fischers ausführliche Biografie zum ersten Mal in den Vordergrund. Wir lernen einen gebildeten, außerordentlich ehrgeizigen Künstler kennen: leicht verletzbar, aber oft verletzend, auch gegenüber Menschen, die ihm so nahe standen wie seine Ehefrau Alma. Kenntnisreich und lebendig erzählt Jens Malte Fischer dieses dramatische Leben, in dem sich eine ganze Epoche spiegelt.
"Ohne Cosima Wagners Wirken im Guten und Verhängnisvollen würde es diese Festspiele als Institution nicht mehr geben. Es wäre vielleicht noch eine ferne Erinnerung an etwas, was mal stattgefunden hat, ein bizarres Bauwerk, das als etwas ganz anderes genutzt werden würde, als Schnapsbrennerei oder als irgendeine Fabrik. Ohne Cosima Wagner gäbe es die Festspiele heute nicht mehr. Sie hat sie nicht nur im Bewusstsein der Öffentlichkeit durchgesetzt, sondern sie hat sie vor allen Dingen auch finanziell konsolidiert, sie hat sie künstlerisch zu großen Höhen geführt. Es waren tatsächlich die besten Leute hier versammelt. Es war ein Höhepunkt des Sommers auch damals schon, und aus aller Welt sind die Leute hierhergekommen und Bayreuth war maßgeblich in Sachen Wagner seinerzeit, und das hat sie bewirkt." (Peter Emmerich, seit 1989 Sprecher der Bayreuther Festspiele.)
"Das Verhängnis von Bayreuth begann mit Cosima. Das muss man ganz klar sagen. Was Winifred gemacht hat, die hat das nur erfüllt, was alle anderen nicht geschafft haben, die Anbindung der Festspiele an die nationale Regierung, die Inthronisierung der Festspiele als nationale Kunst. Das ist Cosima nicht gelungen, das ist Siegfried nicht gelungen, ihr ist es gelungen." (Georg Oswalt Bauer, von 1974 bis 1985 dramaturgischer Mitarbeiter Wolfgang Wagners, Generalsekretär und später Ehrenmitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste.)
"Die Partitur des ‚Parsifal' ist extrem auf diesen Orchestergaben zugeschnitten. Es gibt einen Satz, den Wagner nur privat geäußert hat, Cosima hat das in ihrem Tagebuch notiert, nach der ‚Ring'-Saison 1876 da hat Wagner gesagt, selbstkritisch, dass der Kothurn, auf den er die Sänger im ‚Ring' gestellt hat, viel zu hoch sei, und dass da niemand wirklich souverän bleiben könne. Das heißt kompositionstechnisch, er hat sich nach dem ‚Ring' darum bemüht, das Verhältnis der Orchestergruppen völlig neu zu strukturieren. Er hat das Blech im ‚Parsifal' ganz anders eingesetzt als im ‚Ring', er hat das Verhältnis von Tutti- und Solostellen anders eingesetzt und auch dieser viel gerühmte Mischklang kommt im ‚Parsifal' ganz anders zustande, als das beim ‚Ring' der Fall gewesen ist und insofern ist der ‚Parsifal' auch kompositionstechnisch eine klare Konsequenz aus den ‚Ring'-Erfahrungen." (Stephan Mösch, Autor des Buches "Weihe, Werkstatt, Wirklichkeit - Wagners ‚Parsifal')
Stephan MöschWeihe, Werkstatt, Wirklichkeit
Wagners 'Parsifal' in Bayreuth 1882-1933.
2009 Metzler Bärenreiter
Eines der einflussreichsten Bühnenwerke des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Richard Wagners 'Parsifal' wurde 1882 bei den Bayreuther Festspielen in der Einstudierung des Komponisten uraufgeführt und dort bis 1933 gezeigt. Die innovative Studie zeichnet die Aufführungsgeschichte des Werkes in Bayreuth nach. Ausgewertet wurden dafür viele, zum Teil unveröffentlichte Quellen, die beispielsweise Auskunft darüber geben, wie Wagner mit den Sängern probte oder wie seine Ideen später bewahrt und verfremdet wurden. Mit ausführlichem Dokumentationsteil.
Entstehung und Aufführungsgeschichte des Parsifal in Bayreuth
Zahlreiche neue Quellen und Dokumente
Mit einem eigenen Kapitel zu Hermann Levi, dem Dirigenten der Uraufführung
"Alle Werktätigen, ob Arbeiter der Stirn oder Faust, so will es der Führer, sollen das Wunder Bayreuths erleben können und in diesen Weihestunden seelische Kraft und Erhebung finden und mit dem Stolz und dem Bewusstsein heimkehren, dass deutscher Genius und deutscher Wille es war, der diese Weihestätte schuf.
Der Führer liebt Bayreuth. Sobald die schweren, ernsten Arbeiten ihm Muße gönnen, weilt er in den Monaten unserer Festspiele in Bayreuth. Des Führers große Verehrung für Richard Wagner krönt unsere Festspiele. Er hat den tiefen Sinn des oft missbrauchten Wortes erfasst, ehrt eure deutschen Meister, dann bannt ihr gute Geister. Das Vermächtnis Wagners ist in guter Hut, solange unser Führer Schutz- und Schirmherr Bayreuths ist." (Winifred Wagner in einem Rundfunkinterview 1934)
"Das Wichtigste, was ich da gesehen, war tatsächlich die ‚Parsifal'-Inszenierung von Christoph Schlingensief mit Pierre Boulez. Da haben sich ein paar Ringe geschlossen. Das ist für mich die wichtigste Inszenierung, die ich überhaupt irgendwo bis heute gesehen habe. Nicht nur von Wagner-Stücken, weil ich fand, dass er wirklich geschafft hat nach vielen Jahren mal wieder - vielleicht war Chereau das letzte Mal davor - so ein Fenster aufzumachen auch in eine andere Ästhetik, in ein anderes Denken, in ein anderes Umgehen mit dem, was wir so als festen Besitz zu haben glauben und was wir einfach doch nicht haben und worüber wir manchmal noch neu staunen müssen. Dass er nicht wirklich viel Ahnung von Wagner hatte, hat der Sache eigentlich ganz gut getan, andere haben auch keine Ahnung von Wagner, da tut's der Sache nicht so gut, aber bei Schlingensief hat es funktioniert und Boulez. Und ich muss sagen, als bei dem ersten Premierenabend, als der Sturm losging der Empörung natürlich der billig ungerecht Denkenden, als Boulez mit ihm rauskam und ihn an die Hand genommen hat, das war für mich ein Moment, wenn ich jetzt erzähle, da rieselt es mir noch den Rücken runter, das war der Bayreuth-Moment." (Holger Noltze, Musikjournalist und Professor für "Musik und Medien" an der TU Dortmund)
Parsifal - Bayreuther Festspiele, 2004 - 2007:
"Und jeder Regisseur, der nach Bayreuth kam, hat das erfahren, der hat erfahren, dass er erst mal engagiert wurde und dann wurde daran rumgefummelt an dem, was man machen wollte. Da könnte ich jetzt eine ganze Reihe von Namen aufzählen, der Marthaler, der Schlingensief sowieso, auch der Klaus Guth. Da waren irgendwann mal alle zusammen zufällig, ich bin ja fünf Jahre dahin gefahren, ich habe das nachher sehr gerne gemacht dahinzufahren - am Anfang war es die Hölle, muss man sagen - und die saßen immer alle in der Kantine, und der Christoph Marthaler hat gesagt, warum sind die denn so, warum engagieren sie einen denn, wenn sie das dann nicht wollen, was man macht. Das war mir immer ein totales Rätsel. Wenn sie den Marthaler engagieren, dann müssen sie wissen, was Marthaler ist, das ist unverwechselbar und ganz toll, und wenn sie den Klaus Guth engagieren, dann müssen sie doch wissen, wer ist Klaus Guth, von Christoph Schlingensief ganz zu schweigen, das weiß man doch auch, was das für ein wilder schräger Bursche war, genial zum Teil, das habe ich nie verstanden. Man hatte in Bayreuth so das Gefühl bei den beiden, bei Gudrun und bei Wolfgang so eine innere Linie gab, über die man nicht gehen durfte." (Jürgen Flimm, früherer Intendant des Thalia-Theaters in Hamburg, jetzt Chef der Staatsoper in Berlin, zwischendurch Chef der Salzburger Festspiele und der Ruhrtriennale, hat im Jahr 2000 den "Ring" in Bayreuth inszeniert.)
Jürgen Flimm bei Wikipedia
Auszug aus dem Manuskript:
Je länger die Ära Wolfgang Wagner währte, je mehr wurde sie überschattet durch die offene Nachfolgeregelung. Wagner wurde zu Wotan, der die Macht nicht abgeben wollte. Mehr als ein Jahrzehnt war dieser Streit auf dem Grünen Hügel Dauerthema in den Feuilletons, alle Jahre wieder vor Beginn der Festspiele. Man mokierte sich über den dickköpfigen Franken, der seinen Stuhl partout nicht räumen wollte, als sei er Fafner, der stur auf dem Rheingold hockte.
Als Gudrun, seine zweite Frau, die in den letzten Jahren immer mehr die Fäden in der Hand hielt, 2007 plötzlich starb, da akzeptierte auch Wolfgang Wagner, dass seine Zeit abgelaufen war, und er machte den Platz frei, nicht ohne für seine eigene Nachfolge zu sorgen. Bei der letzten Vorstellung der Festspiele 2008 am 28. August wurde Wolfgang Wagner nach einer "Parsifal"-Aufführung verabschiedet. Kurze Zeit später wurden seine beiden Töchter Eva, aus der ersten Ehe, und Katharina, aus der zweiten, zu den neuen Chefinnen auf dem Grünen Hügel gewählt. Zwar haben Frauen Tradition in Bayreuth, aber zum ersten Mal sind es nicht Witwen, die die Geschicke der Festspiele bestimmen.
"Ich glaube, dass man, wenn man sich dessen bewusst ist, dass wegen des Altersunterschieds wir auch teilweise anders denken, aber das Entscheidende ist, künstlerisch denken wir gleich. Das ist, glaube ich, die Grundvoraussetzung, und ich glaube, wir ergänzen uns insofern herrlich, weil in diesem Beruf hat man es mit sehr vielen unterschiedlichen Leuten zu tun, und ich glaube, das ist genau das, was uns persönlich starkmacht, dass wir sozusagen auch eine große Bandbreite abdecken, können, weil wir eben auch sehr unterschiedlich sind, aber dann im Kerngeschäft einig." (Katharina Wagner)
Der ganze Ring in sieben Stunden
Katharina Wagner bei Wikipedia
"Wisst ihr wie das wird, heißt es ja schon am Ende der ‚Götterdämmerung'. Das werden wir sehen demnächst. Einmal glaube ich, braucht es einfach einige Zeit, bis sich die neue Festspielleitung nach dieser unglaublichen Ära Wolfgang Wagner wirklich neu positionieren kann. Das ist deswegen auch schwierig, weil es so viele Herausforderungen gibt, der sich diese neue Leitung gegenüber sieht, was mir sowieso schleierhaft ist, wie man das alles schaffen kann. Die ersten Akzente sind schon gesetzt, man merkt deutlich, es ist eine Öffnung da, es werden Versuche unternommen, neue Wege zu gehen, ob es um das Public Viewing geht, ob das die Kinderoper ist. Wo man immer drüber streiten kann, ist das richtig macht das Sinn. Aber es ist ja gut, dass gestritten wird und man merkt, glaube ich, auch schon in den letzten Jahren deutlich, dass es eine neue Qualität im musikalischen Bereich gibt. Es war nicht immer Gold, was nach Rheingold ausgesehen hat. Da tut sich etwas, aber das dauert, und ich glaube, da tut man gut daran mit etwas Gelassenheit und ruhiger Hand abzuwarten und zu gucken, was in den nächsten Jahren passiert."(Sven Friedrich vom Wagner-Museum in Bayreuth)
Dann sollte der hölzerne Bau wieder abgerissen werden. Aber es ist anders gekommen, auch wenn die Festspiele in ihrer wechselvollen Geschichte des Öfteren vor dem Aus standen.
Zwischen Tradition und Erneuerung, zwischen Museum und lebendigem Theater, zwischen Weltkrieg und Familienzwist: Dieser magische Ort in der fränkischen Provinz zieht Jahr für Jahr noch immer Menschen aus aller Herren Länder an.
Und das, obwohl kaum jemand gedacht hätte, dass es 1951, sechs Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs bereits wieder Festspiele geben würde, und so finden in diesem Jahr zugleich die 60. Festspiele von "Neu-Bayreuth" statt.
Diese Lange Nacht erzählt die Geschichte der Festspiele anhand historischer Dokumente, Interviews mit Zeitzeugen, Kritikern, Musikern und nicht zuletzt mit Angehörigen der Familie Wagner - und natürlich mit Musik von Richard Wagner.
Bayreuther Festspiele
Richard Wagner Stiftung
Wagner-Museum
"Der schafft Kultur, der mehr als sie erstrebt" - Richard Wagner
Das Wagnerportal
"Ich habe immer das Gefühl, unter diesem grünen Hügel laufen so die Ströme der deutschen Geschichte zusammen, es ist ja faszinierend, dass Sie die deutsche Geschichte immer an der Geschichte Bayreuths entlang erzählen können. Ich glaube, man muss sich am Mut des Gründers orientieren und nicht an den Notwendigkeiten des Stadtmarketings oder den Interessen des Freistaats oder des Bundes oder des Wagnerclans, das ist alles nicht so wichtig, die Stücke sind wichtig, und dass man sie für heute birgt für ein Publikum, das da heute hingeht, nicht auf Knien den Hügel hoch rutscht, sondern erhobenen Hauptes, dann aber doch mit einer gewissen Neugierde und da sind die Bedingungen in diesem Raum perfekt, um neugierig zu bleiben."
(Holger Noltze, Musikjournalist und Professor für "Musik und Medien" an der TU Dortmund. Als 13-Jähriger hat er sich in einem Brief an Wolfgang Wagner bitterlich darüber beklagt, dass es so lange dauere, um eine Karte für die Festspiele zu bekommen.)
Holger Noltze
Wagner für die Westentasche
2008 Piper
Über keinen Komponisten wird so viel geredet, geschrieben, gestritten, geschimpft und geraunt. Reden Sie kompetent mit. Holger Noltze packt Richard Wagner für Sie in die "Westentasche".
Keine Angst vor Richard Wagner! Denn Holger Noltze schafft es, zum 125. Todestag des Komponisten am 13. Februar das denkbar kürzeste Wagner-Buch zu schreiben und trotzdem umfassend und verständlich zu informieren. Leitmotiv und Zukunftsmusik, Neu-Bayreuth und Schlingensief, Frauen und König Ludwig: der perfekte Einstieg in Wagners Welt. In Kürze werden auch alle Werke von "Leubald" bis "Parsifal" vorgestellt. Von Wagners großen Feinden und seinen Fluchten erzählt Holger Noltze ebenso wie von Wagner zu Hause in Wahnfried, vom "mystischen Abgrund" im Festspielhaus und den politischen Abgründen (Hitler und Bayreuth). "Wagner für die Westentasche" - ein ganzes Wagner-Theater im Taschenformat und damit Wagner zum Mitreden.
Mehr von Prof. Dr. Holger Noltze
"Die Bayreuther Festspiele sollen ja der Ort sein, der Ort groß geschrieben, an dem Wagner gezeigt wird und auch auf eine bestimmte Art gezeigt wird, die wegweisend sein sollte. Auf der anderen Seite müssen sie immer wieder überlegen, auch in Bayreuth wird mit Wasser gekocht. Es wird auch an der MET, in Wien und überall mit Wasser gekocht."
(Der Dirigent Christian Thielemann, seit dem Jahr 2000 Dauergast im Orchestergraben des Bayreuther Festspielhauses und nach dem Tod Wolfgang Wagners auch künstlerischer Berater der Festspielchefinnen Eva Wagner-Pasquier und Katharina Wagner.)
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Christian Thielemann bei Wikipedia
"Es gibt ein schönes Wort von Pierre Boulez, Bayreuth sei die Mutter aller Festspiele. Und er meinte das in zweierlei Hinsicht. Bayreuth wurde ja gegründet, weil die anderen Theater den ‚Ring' so nicht aufführen konnten, die Hofoperntheater. Da ist einer rausgegangen und hat sich seine eigene Bretterbude aufgeschlagen, eine 'interesting location' sozusagen geschaffen, und heute findet man das allenthalben. Zumindest seit den frühen siebziger Jahren geht die Kunst auch in andere Gehäuse, in Industriehallen, in Scheunen, in Kirchen, das ist uns gar nicht mehr so bewusst, dass das auch mal ein Schritt nach draußen war, raus aus den konventionellen Schuhschachteln der Opernhäuser. Es ist aber auch noch anders gemeint und zwar rein ästhetisch, es war ja erst der ‚Ring' da, und dann kam das Festspielhaus, das heißt, die Kunst hat sich das Gehäuse geschaffen, das sie brauchte. Es ist nicht so gewesen, dass man ein leeres Gebäude mit Kunst gefüllt hat, und das ist das Sensationelle an Bayreuth und deswegen möge es auch die Mutter aller Festspiele bleiben." (Nike Wagner)
"Ich muss ganz ehrlich sagen, ich war dieses Jahr in der Generalprobe im 'Rheingold' im Zuschauerraum, und dieses erhebende Gefühl, das Licht geht aus so wie im Kino, bloß ohne Sound, keiner klatscht, das Orchester tritt nicht auf, der Dirigent tritt nicht auf, es ist alles schon da, man muss sich das imaginieren, man hat einen zarten Silberstreif vorne am Vorhang, und plötzlich kommt aus dem Nichts ein Es...das präsentiert sich so, das geht durch die Hosenbeine durch und erreicht den ganzen Körper. Das hat was mit Erotik zu tun. Es ist unglaublich, dieser Sog dieses aufbauenden Es-Dur und so wie Christian Thielemann das gestaltet, das ist so faszinierend, da bleiben keine Wünsche offen."
(Der Dirigent Sebastian Weigle, der mit den "Meistersingern von Nürnberg" sein Bayreuth-Debüt gab, inszeniert von Katharina Wagner, die damit auch als Regisseurin im Festspielhaus Premiere hatte.)
Sebastian Weigle
"Als er verlautbarte, dass er das Festspielhaus in Bayreuth bauen wird, da kamen Bad Reichenhall oder Baden-Baden auch, und er hat ihnen klar gesagt, für badereisende Faulenzer werde er nicht spielen. Später kamen natürlich die reisenden Faulenzer aus Marienband und Karlsbad in Scharen, aber zu der Zeit hat er auch noch damit gerechnet, dass er bei freiem Eintritt spielen könnte, was auch eine Grundvoraussetzung für die Festspieleidee gewesen ist, aber das hat natürlich nie funktioniert."
(Georg Oswalt Bauer, von 1974 bis 1985 dramaturgischer Mitarbeiter Wolfgang Wagners, Generalsekretär und später Ehrenmitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste. Er arbeitet seit etlichen Jahren schon an der ersten umfassenden Dokumentation der Festspiele.)
Georg Oswalt Bauer
Richard Wagner geht ins Theater
Eindrücke, Erfahrungen, Reflexionen und der Weg nach Bayreuth. Bayreuth, Bayreuther Festspiele, 1996.
"Die Festspielidee Richard Wagners kann wohl aus verschiedenen Aspekten gesehen werden. Ich glaube, wir müssen vor allen Dingen, zwei Probleme ins Auge fassen, wenn wir uns über die Festspielidee Richard Wagners klar werden wollen. Ich glaube, sie ist eine Synthese vom Leiden am Repertoiretheater - also am damaligen Hoftheater - und dessen zwangsläufigen Unzulänglichkeiten und seiner großen Idee in die Kultur des 19. Jahrhunderts das griechische Theater und die griechische olympische Idee wieder einzuführen, also die Wurzel der Festspielidee ist zweifellos doppelköpfig."
(Wieland Wagner, der Enkel des Komponisten, in einem Gespräch Anfang der 1960er Jahre.)
"Ich würde sagen, es ist eines der elf Weltwunder, weil dieser Effekt mit einem bedeckten Orchestergraben hat eine wunderbare Erfahrung, dass es ein dreidimensionaler Film ist, weil man sieht nicht die Orchesterspieler, und das wäre schön für mich, wenn viele Theater sich an Bayreuth ein Beispiel nehmen würden."
(Der Bassist Alan Titus, langjähriger Gast auf dem Grünen Hügel als Hans Sachs in den "Meistersingern", als Wotan im "Ring" und als "Fliegender Holländer".)
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Porträt Alan Titus
"Die Besonderheit des Grabens ist, dass er als Erstes den Klang sehr stark mischt, ihn dann nicht in den Zuschauerraum sendet, sondern durch die verschiedenen Überdeckungen zuerst in den Bühnenraum und dann vom Bühnenraum erst wieder in den Zuschauerraum hinein. Das hat im Wesentlichen zwei Vorteile, einmal der Orchesterklang ist für das Publikum ein bisschen weiter weg, noch mystischer, als ob er aus dem All käme. Und es hat einen großen Vorteil für die Sänger, da dieses große Orchester sie nicht permanent zudecken kann."
(Der Akustiker Karlheinz Müller hat sehr differenzierte Erfahrungen mit der Wechselwirkung zwischen Orchestergraben, Bühne und Saal)
"Interessant ist, dass, wenn das Orchester zu sehr auf die Pauke haut, dann klingt es draußen nicht mehr laut, sondern gepresst, daran hat dieser alte Kerl auch noch gedacht. Ob das nun Zufall war, man will ja nun nicht denken, dass alles genial überlegt war, aber es kommt hier ein bisschen viel zusammen in diesem Haus. Das heißt, die Sache ist, dieser Graben ist für die Leute wie vielleicht bei einer komplizierten Uhr. Also wenn Sie ein Uhrmacher sind, und sie wissen an allen Schräubchen rumzudrehen, dann sagen Sie, ein Wunderwerk dieses Ding, wo alle Mondphasen fünfzigmal gespiegelt sind, also wenn man damit umgehen kann, dann ist dieser Graben toll, aber es ist ein Hochpräzisionsinstrument, sagen wir: mit kleinen Macken."
(Der Dirigent Christian Thielemann. Aber der Raum ist natürlich nichts ohne das Orchester, das ihn mit Klang füllt.)
Richard Wagners "Der Ring des Nibelungen"
Europäische Traditionen und Paradigmen.
Herausgegeben von Schmid-Reiter, Isolde . Schriften der Europäischen Musiktheater-Akademie
2010 ConBrio
Dieses Buch dokumentiert eine von der Europäischen Musiktheater-Akademie in Kooperation mit der Wiener Staatsoper durchgeführte Tagung zur europäischen Rezeption von Richard Wagners "Der Ring des Nibelungen": Internationale Wagner-Forscher widmen sich einer differenzierten Betrachtung nationaler Traditionen und Paradigmen der Interpretations- und Aufführungsgeschichte der Tetralogie, in der Wagner nach eigener Überzeugung den "vollendetsten künstlerischen Ausdruck" seiner Weltanschauung gefunden hatte. Während sich das Spektrum der Ring-Deutungen, heterogenen Inszenierungskonzepte und interpretatorischen Tendenzen des deutschsprachigen Raums durch zahlreiche Publikationen erschließt, blieb der Einblick in die gesamteuropäische Rezeption des Werkes bislang nur sehr fragmentarisch. In den vorliegenden Beiträgen rücken die mythologischen, archetypischen, allgemein-menschlichen und implizit wie explizit politischen Deutungsmuster, die die wechselvolle Auseinandersetzung mit Wagners Ring-des-Nibelungen-Tetralogie bestimmen, in Fallbeispielen aus Österreich, der Schweiz und ' kursorisch vor allem die jüngste Vergangenheit beleuchtend ' Deutschland sowie Frankreich, Italien, England, Finnland, Schweden, Dänemark, Estland, Lettland, Litauen, Polen, Russland, Ungarn und Portugal in den Blickpunkt. Dabei werden der komplexe Zusammenhang aus Inszenierung, ästhetischem und gesellschaftlichem Diskurs, die Verortung von Wagners Weltdrama in konkreten gesellschaftlich-historischen Kontexten und die Frage, wie die Interpretation des Ring auch die Selbstinterpretation der Gesellschaft spiegelt, zur Diskussion gestellt. Inwieweit sich gegenwärtig bei Wagners Werk Weltanschauungen verhandelt finden, wird nicht zuletzt anhand aktueller Ring-Inszenierungen im kreativen Dialog mit Theaterschaffenden hinterfragt. Mit Beiträgen von Udo Bermbach, Daniel Brandenburg, John Deathridge, Sieghart Döhring, Joachim Herz (verstorben), Stephan Mösch, Vera Nemirova, Gerd Rienäcker, Hannu Salmi, Tibor Tallián, Mário Vieira de Carvalho, Susanne Vill, Franz Welser-Möst und anderen.
"Es gibt berühmte Äußerungen auch brieflicher Art, wo er sagt, so etwa um 1880 herum, das seine Bayreuther Schöpfung vergehen wird, wenn er nicht mehr lebt. Er hat also das, was kam, dass seine Frau, seine Witwe Cosima das übernahm, nicht abgesehen. Das ist interessant, es gibt keine Äußerung, dass seine Frau das mal übernehmen könnte. Er hat so eine gewisse Hoffnung auf seinen Sohn gesetzt, aber um das übergeben zu können, hätte er selbst deutlich länger leben müssen, denn der Sohn war beim Tode Wagners noch sehr jung." (Jens-Malte Fischer, Professor für Theaterwissenschaft und Autor zahlreicher Bücher auch über Wagner und Bayreuth.)
Jens-Malte Fischer
Gustav Mahler
Der fremde Vertraute. dtv Taschenbücher
2010 DTV
Gustav Mahler war der erste wirklich internationale Dirigent, der in Europa und in den USA Triumphe feierte. Mit seiner Musik haben sich schon viele Autoren beschäftigt, seine facettenreiche Person dagegen rückt Jens Malte Fischers ausführliche Biografie zum ersten Mal in den Vordergrund. Wir lernen einen gebildeten, außerordentlich ehrgeizigen Künstler kennen: leicht verletzbar, aber oft verletzend, auch gegenüber Menschen, die ihm so nahe standen wie seine Ehefrau Alma. Kenntnisreich und lebendig erzählt Jens Malte Fischer dieses dramatische Leben, in dem sich eine ganze Epoche spiegelt.
"Ohne Cosima Wagners Wirken im Guten und Verhängnisvollen würde es diese Festspiele als Institution nicht mehr geben. Es wäre vielleicht noch eine ferne Erinnerung an etwas, was mal stattgefunden hat, ein bizarres Bauwerk, das als etwas ganz anderes genutzt werden würde, als Schnapsbrennerei oder als irgendeine Fabrik. Ohne Cosima Wagner gäbe es die Festspiele heute nicht mehr. Sie hat sie nicht nur im Bewusstsein der Öffentlichkeit durchgesetzt, sondern sie hat sie vor allen Dingen auch finanziell konsolidiert, sie hat sie künstlerisch zu großen Höhen geführt. Es waren tatsächlich die besten Leute hier versammelt. Es war ein Höhepunkt des Sommers auch damals schon, und aus aller Welt sind die Leute hierhergekommen und Bayreuth war maßgeblich in Sachen Wagner seinerzeit, und das hat sie bewirkt." (Peter Emmerich, seit 1989 Sprecher der Bayreuther Festspiele.)
"Das Verhängnis von Bayreuth begann mit Cosima. Das muss man ganz klar sagen. Was Winifred gemacht hat, die hat das nur erfüllt, was alle anderen nicht geschafft haben, die Anbindung der Festspiele an die nationale Regierung, die Inthronisierung der Festspiele als nationale Kunst. Das ist Cosima nicht gelungen, das ist Siegfried nicht gelungen, ihr ist es gelungen." (Georg Oswalt Bauer, von 1974 bis 1985 dramaturgischer Mitarbeiter Wolfgang Wagners, Generalsekretär und später Ehrenmitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste.)
"Die Partitur des ‚Parsifal' ist extrem auf diesen Orchestergaben zugeschnitten. Es gibt einen Satz, den Wagner nur privat geäußert hat, Cosima hat das in ihrem Tagebuch notiert, nach der ‚Ring'-Saison 1876 da hat Wagner gesagt, selbstkritisch, dass der Kothurn, auf den er die Sänger im ‚Ring' gestellt hat, viel zu hoch sei, und dass da niemand wirklich souverän bleiben könne. Das heißt kompositionstechnisch, er hat sich nach dem ‚Ring' darum bemüht, das Verhältnis der Orchestergruppen völlig neu zu strukturieren. Er hat das Blech im ‚Parsifal' ganz anders eingesetzt als im ‚Ring', er hat das Verhältnis von Tutti- und Solostellen anders eingesetzt und auch dieser viel gerühmte Mischklang kommt im ‚Parsifal' ganz anders zustande, als das beim ‚Ring' der Fall gewesen ist und insofern ist der ‚Parsifal' auch kompositionstechnisch eine klare Konsequenz aus den ‚Ring'-Erfahrungen." (Stephan Mösch, Autor des Buches "Weihe, Werkstatt, Wirklichkeit - Wagners ‚Parsifal')
Stephan MöschWeihe, Werkstatt, Wirklichkeit
Wagners 'Parsifal' in Bayreuth 1882-1933.
2009 Metzler Bärenreiter
Eines der einflussreichsten Bühnenwerke des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Richard Wagners 'Parsifal' wurde 1882 bei den Bayreuther Festspielen in der Einstudierung des Komponisten uraufgeführt und dort bis 1933 gezeigt. Die innovative Studie zeichnet die Aufführungsgeschichte des Werkes in Bayreuth nach. Ausgewertet wurden dafür viele, zum Teil unveröffentlichte Quellen, die beispielsweise Auskunft darüber geben, wie Wagner mit den Sängern probte oder wie seine Ideen später bewahrt und verfremdet wurden. Mit ausführlichem Dokumentationsteil.
Entstehung und Aufführungsgeschichte des Parsifal in Bayreuth
Zahlreiche neue Quellen und Dokumente
Mit einem eigenen Kapitel zu Hermann Levi, dem Dirigenten der Uraufführung
"Alle Werktätigen, ob Arbeiter der Stirn oder Faust, so will es der Führer, sollen das Wunder Bayreuths erleben können und in diesen Weihestunden seelische Kraft und Erhebung finden und mit dem Stolz und dem Bewusstsein heimkehren, dass deutscher Genius und deutscher Wille es war, der diese Weihestätte schuf.
Der Führer liebt Bayreuth. Sobald die schweren, ernsten Arbeiten ihm Muße gönnen, weilt er in den Monaten unserer Festspiele in Bayreuth. Des Führers große Verehrung für Richard Wagner krönt unsere Festspiele. Er hat den tiefen Sinn des oft missbrauchten Wortes erfasst, ehrt eure deutschen Meister, dann bannt ihr gute Geister. Das Vermächtnis Wagners ist in guter Hut, solange unser Führer Schutz- und Schirmherr Bayreuths ist." (Winifred Wagner in einem Rundfunkinterview 1934)
"Das Wichtigste, was ich da gesehen, war tatsächlich die ‚Parsifal'-Inszenierung von Christoph Schlingensief mit Pierre Boulez. Da haben sich ein paar Ringe geschlossen. Das ist für mich die wichtigste Inszenierung, die ich überhaupt irgendwo bis heute gesehen habe. Nicht nur von Wagner-Stücken, weil ich fand, dass er wirklich geschafft hat nach vielen Jahren mal wieder - vielleicht war Chereau das letzte Mal davor - so ein Fenster aufzumachen auch in eine andere Ästhetik, in ein anderes Denken, in ein anderes Umgehen mit dem, was wir so als festen Besitz zu haben glauben und was wir einfach doch nicht haben und worüber wir manchmal noch neu staunen müssen. Dass er nicht wirklich viel Ahnung von Wagner hatte, hat der Sache eigentlich ganz gut getan, andere haben auch keine Ahnung von Wagner, da tut's der Sache nicht so gut, aber bei Schlingensief hat es funktioniert und Boulez. Und ich muss sagen, als bei dem ersten Premierenabend, als der Sturm losging der Empörung natürlich der billig ungerecht Denkenden, als Boulez mit ihm rauskam und ihn an die Hand genommen hat, das war für mich ein Moment, wenn ich jetzt erzähle, da rieselt es mir noch den Rücken runter, das war der Bayreuth-Moment." (Holger Noltze, Musikjournalist und Professor für "Musik und Medien" an der TU Dortmund)
Parsifal - Bayreuther Festspiele, 2004 - 2007:
"Und jeder Regisseur, der nach Bayreuth kam, hat das erfahren, der hat erfahren, dass er erst mal engagiert wurde und dann wurde daran rumgefummelt an dem, was man machen wollte. Da könnte ich jetzt eine ganze Reihe von Namen aufzählen, der Marthaler, der Schlingensief sowieso, auch der Klaus Guth. Da waren irgendwann mal alle zusammen zufällig, ich bin ja fünf Jahre dahin gefahren, ich habe das nachher sehr gerne gemacht dahinzufahren - am Anfang war es die Hölle, muss man sagen - und die saßen immer alle in der Kantine, und der Christoph Marthaler hat gesagt, warum sind die denn so, warum engagieren sie einen denn, wenn sie das dann nicht wollen, was man macht. Das war mir immer ein totales Rätsel. Wenn sie den Marthaler engagieren, dann müssen sie wissen, was Marthaler ist, das ist unverwechselbar und ganz toll, und wenn sie den Klaus Guth engagieren, dann müssen sie doch wissen, wer ist Klaus Guth, von Christoph Schlingensief ganz zu schweigen, das weiß man doch auch, was das für ein wilder schräger Bursche war, genial zum Teil, das habe ich nie verstanden. Man hatte in Bayreuth so das Gefühl bei den beiden, bei Gudrun und bei Wolfgang so eine innere Linie gab, über die man nicht gehen durfte." (Jürgen Flimm, früherer Intendant des Thalia-Theaters in Hamburg, jetzt Chef der Staatsoper in Berlin, zwischendurch Chef der Salzburger Festspiele und der Ruhrtriennale, hat im Jahr 2000 den "Ring" in Bayreuth inszeniert.)
Jürgen Flimm bei Wikipedia
Auszug aus dem Manuskript:
Je länger die Ära Wolfgang Wagner währte, je mehr wurde sie überschattet durch die offene Nachfolgeregelung. Wagner wurde zu Wotan, der die Macht nicht abgeben wollte. Mehr als ein Jahrzehnt war dieser Streit auf dem Grünen Hügel Dauerthema in den Feuilletons, alle Jahre wieder vor Beginn der Festspiele. Man mokierte sich über den dickköpfigen Franken, der seinen Stuhl partout nicht räumen wollte, als sei er Fafner, der stur auf dem Rheingold hockte.
Als Gudrun, seine zweite Frau, die in den letzten Jahren immer mehr die Fäden in der Hand hielt, 2007 plötzlich starb, da akzeptierte auch Wolfgang Wagner, dass seine Zeit abgelaufen war, und er machte den Platz frei, nicht ohne für seine eigene Nachfolge zu sorgen. Bei der letzten Vorstellung der Festspiele 2008 am 28. August wurde Wolfgang Wagner nach einer "Parsifal"-Aufführung verabschiedet. Kurze Zeit später wurden seine beiden Töchter Eva, aus der ersten Ehe, und Katharina, aus der zweiten, zu den neuen Chefinnen auf dem Grünen Hügel gewählt. Zwar haben Frauen Tradition in Bayreuth, aber zum ersten Mal sind es nicht Witwen, die die Geschicke der Festspiele bestimmen.
"Ich glaube, dass man, wenn man sich dessen bewusst ist, dass wegen des Altersunterschieds wir auch teilweise anders denken, aber das Entscheidende ist, künstlerisch denken wir gleich. Das ist, glaube ich, die Grundvoraussetzung, und ich glaube, wir ergänzen uns insofern herrlich, weil in diesem Beruf hat man es mit sehr vielen unterschiedlichen Leuten zu tun, und ich glaube, das ist genau das, was uns persönlich starkmacht, dass wir sozusagen auch eine große Bandbreite abdecken, können, weil wir eben auch sehr unterschiedlich sind, aber dann im Kerngeschäft einig." (Katharina Wagner)
Der ganze Ring in sieben Stunden
Katharina Wagner bei Wikipedia
"Wisst ihr wie das wird, heißt es ja schon am Ende der ‚Götterdämmerung'. Das werden wir sehen demnächst. Einmal glaube ich, braucht es einfach einige Zeit, bis sich die neue Festspielleitung nach dieser unglaublichen Ära Wolfgang Wagner wirklich neu positionieren kann. Das ist deswegen auch schwierig, weil es so viele Herausforderungen gibt, der sich diese neue Leitung gegenüber sieht, was mir sowieso schleierhaft ist, wie man das alles schaffen kann. Die ersten Akzente sind schon gesetzt, man merkt deutlich, es ist eine Öffnung da, es werden Versuche unternommen, neue Wege zu gehen, ob es um das Public Viewing geht, ob das die Kinderoper ist. Wo man immer drüber streiten kann, ist das richtig macht das Sinn. Aber es ist ja gut, dass gestritten wird und man merkt, glaube ich, auch schon in den letzten Jahren deutlich, dass es eine neue Qualität im musikalischen Bereich gibt. Es war nicht immer Gold, was nach Rheingold ausgesehen hat. Da tut sich etwas, aber das dauert, und ich glaube, da tut man gut daran mit etwas Gelassenheit und ruhiger Hand abzuwarten und zu gucken, was in den nächsten Jahren passiert."(Sven Friedrich vom Wagner-Museum in Bayreuth)