"Hier wird etwas Neues versucht"
Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, sieht das Humboldt-Forum im Berliner Schloss in der Tradition des Centre Pompidou. Die Ausstellung "Die Tropen - Ansichten von der Mitte der Weltkugel", die ab Freitag im Martin-Gropius-Bau gezeigt werde, sei der erste Schritt auf dem Weg zum Humboldt-Forum und alles andere als traditionell.
Liane von Billerbeck: Moos unter dem Gummibaum, ein Computer, der von Schlingpflanzen überwuchert ist, Natur also aus allen Fugen. So sieht ein Kunstprojekt aus, das Teil einer großen und wahrscheinlich großartigen Ausstellung ist, die von morgen an im Berliner Gropius-Bau zu besichtigen ist. "Die Tropen" heißt sie, "Ansichten von der Mitte der Weltkugel". Ein Blick auf die Tropen als Projektionsfläche von Sehnsüchten und Ängsten. Kunstwerke sind da zu sehen aus vorkolonialer Zeit, aus den Sammlungen des Ethnologischen Museums Berlin Dahlem gemeinsam mit zeitgenössischer Kunst.
Die Weltkunstsammlungen des Museums, die sollen ja von 2013 an zum Berliner Schlossplatz ziehen und Teil des Humboldt-Forums werden. Von der Mitte der Weltkugel also in die Mitte Berlins. Und was von dort in die Welt hinausstrahlen soll, das wollen wir jetzt von Hermann Parzinger wissen, dem Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Herzlich willkommen erst mal bei uns.
Hermann Parzinger: Guten Tag.
Von Billerbeck: "Die Tropen", das ist ja eine Gemeinschaftsarbeit vom Ethnologischen Museum Berlin, das zur Stiftung Preußischer Kulturbesitz gehört und dem Goethe-Institut. Wie kam es denn nun zu dieser Idee für diese Ausstellung?
Parzinger: Das ist in der Tat eine Ausstellung, die noch mein Vorgänger, Klaus-Dieter Lehmann, befördert hat. Und insofern finde ich es ganz schön, dass wir heute Abend mit ihm zusammen, im neuen Amt hat er es weiter begleitet, im alten Amt begonnen, im neuen eröffnet. Also, das ist auch eine Zukunftsstrategie von uns. Wir wollen mit dem Goethe-Institut, mit anderen auch, künftig global stärker mit unseren Kulturschätzen durch Ausstellungen und so weiter auch im Ausland präsent sein.
Ganz konkret zwischen dem Ethnologischen Museum und dem Goethe-Institut haben sich die Kontakte schon vor Jahren angebahnt. Es gab eine sehr erfolgreiche Ausstellung, "Kunst aus Afrika", die ebenfalls in Brasilien gezeigt wurde und, ja, daraus entstanden neue Ideen. Wir basteln auch jetzt schon wieder an weiteren Ideen und das finde ich wirklich sehr, sehr gut, dass die verschiedenen Einrichtungen, Museen und ein Kulturinstitut wie das Goethe-Institut hier gemeinsam Ideen entwickeln und aus Ideen ein Projekt und dann auch eine wirkliche Ausstellung werden lassen.
Von Billerbeck: Was ist nun das Besondere an dieser Tropenausstellung?
Parzinger: Nun, das Besondere der Tropenausstellung ist zum einen, dass es wirklich versucht, diesen Naturraum, der zunächst mal ist, begreifbar werden zu lassen, der sich um die ganze Weltkugel zieht, und, also es hat eine große geografische Dimension, die hier bearbeitet wird, und natürlich auch verständlich zu machen, was ist eigentlich die kulturelle, ja, von kultureller Identität kann man nicht sprechen, aber was ist im kulturellen Bereich charakteristisch für diesen Raum, die Kunst. Wie hat der Mensch auf diesen wirklich sehr extremen Raum als Naturraum auch reagiert, in der Vergangenheit, wie heute? Wo sind hier die Unterschiede? Wo sind die Parallelitäten? Megastädte gab es schon Angkor Wat oder Tenochtitlán, in Mexiko, Angkor Wat in Kambodscha, gab es schon vor Jahrtausenden, vor Jahrhunderten. Heute ist das auch wieder ein Problem, einfach diesen Raum unter verschiedenen Aspekten zu beleuchten und eben, wie gesagt, Objekte, die eher in die Vergangenheit gehören und die Gegenwart zu kontrastieren.
Von Billerbeck: Ich hatte es schon gesagt, wir haben ja von den Tropen auch sehr viele Klischees im Kopf: Die sind feucht, die sind arm, da herrscht Hunger, da sind politische Krisen. Soll auch mit diesen Klischees gespielt werden und die vielleicht konterkariert werden?
Parzinger: Es wird mit diesen Klischees schon ein bisschen gespielt, es wird aber vor allem, das ist ja das große Thema, es wird eine Re-Ästhetisierung der Tropen versucht. Damit meinen die Kuratoren, dass eben die Tropen, die sonst nur im Zusammenhang mit politischen, mit ökonomischen, mit ökologischen Problemen eigentlich diskutiert werden, dass ihr künstlerischer, kultureller Wert einmal ganz klar herausgestellt wird. Und ich denke, das ist ein wirklich wichtiges Anliegen. Man kann diesen Raum, diesen hoch spannenden dynamischen Raum Tropen natürlich unter vielen, von vielen Punkten her betrachten, aber ich finde es einen ganz interessanten Ansatz.
Von Billerbeck: Wir sprechen mit Hermann Parzinger, dem Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, über "Die Tropen. Ansichten von der Mitte der Weltkugel", einer Ausstellung, die ab morgen im Berliner Gropius-Bau zu sehen ist. Herr Parzinger, Berlin, das war ja kein willkürlicher Ausstellungsort für diese Tropenausstellung. Man könnte es vielleicht auch eine Art Wegweiser nennen in Richtung Humboldt-Forum, das ja von 2010 an auf dem Schlossplatz errichtet werden soll. Und darin sollen ja auch die Sammlungen aus dem Ethnologischen Museum in Berlin-Dahlem ihren Platz finden. Was verbindet nun die Ausstellung im Gropius-Bau mit dem geplanten Humboldt-Forum in der Mitte Berlins?
Parzinger: Nun, uns war es zunächst mal ganz wichtig, diese Ausstellung in Berlin zu zeigen aus verschiedenen Gründen. Ein Grund ist, Berlin ist einer der Orte weltweit, an dem immer schon Kunst aus den Tropen und kulturelle Erzeugnisse aus den Tropen wirklich nachhaltig gesammelt wurden und damit das Museum für, das Ethnologische Museum, Museum für Asiatische Kunst haben mit die reichsten Sammlungen aus diesem Raum überhaupt weltweit. Darüber hinaus war es uns natürlich auch wichtig, wie Sie sagen, auf dem Weg zum Humboldt-Forum, diese Ausstellung, dieses Projekt einzutakten.
Das heißt, hier wird etwas Neues versucht, hier wird unter ganz anderen als bisher Ansätzen versucht, diesen Raum begreifbar zu machen. Es ist nicht so eine traditionelle Ausstellung, es wird Verschiedenes versucht, alte Kunst mit neuer in einen Kontrast zu bringen, das Weltumspannende und all das, und das ist schon etwas, was wir im Humboldt-Forum ja auch machen wollen. Im Humboldt-Forum wird es einerseits natürlich die Bestände der Museen geben, die Sammlungsbestände in den permanenten Ausstellungen, die wir allerdings auch nicht dauerhaft für Generationen dort installieren wollen, sondern auch einen gewissen Wechsel, den wollen wir möglich machen.
Und darüber hinaus wird es ja Bereiche für Sonderausstellungen geben, Bereiche auch für die Gegenüberstellung alte Kunst und auch zeitgenössische Kunst. Es sind Bereiche für zeitgenössische Kunst vorgesehen. Und insofern, wie man damit umgehen kann, wie man das Thema angehen kann, unter diesem Aspekt ist es wirklich ein ganz, ganz wichtiger Versuch. Wir werden sicher, bis wir 2013 das Humboldt-Forum beziehen, noch Etliches ausprobieren. Ich glaube, das ist auch wichtig, dass man Dinge ausprobiert, auch unsere Sicht auf die Kunst, unsere Art der Kunstbetrachtung, wie man Kunst darstellen sollte, wird sich im Laufe der Jahre auch verändern. Und das ist auch ganz wichtig für das Humboldt-Forum, dass das immer ein Ort bleibt, wo wir diesen Entwicklungen auch folgen können, wo wir nicht, ich wiederhole noch einmal, jetzt etwas installieren, was dann für 40 Jahre steht. Da sind wir uns aber einig, dass man das machen muss, dass diese Dynamik wirklich auch das Humboldt-Forum mit Leben erfüllt.
Von Billerbeck: Was auf jeden Fall feststeht, jedenfalls wird es nicht mehr diskutiert, das ist die Hülle des Humboldt-Forums. Es soll ja auf dem Gelände des alten Berliner Stadtschlosses entstehen. Das sieht von drei Seiten preußisch-wilhelminisch aus, von einer Seite nicht. Über das Innere ist bisher bekannt, dass da die Landesbibliothek einziehen soll, die Humboldt-Sammlungen der Universität und die Kunstwerke aus dem Ethnologischen Museum. Aber wie soll dieses Humboldt-Forum da in die Welt hinausstrahlen? Weil das ist ja glaube ich die Idee, die dahinter ist, wenn es denn eine gibt.
Parzinger: Nein, klar. Also, wie die Architektur aussehen soll, die Grundvoraussetzungen sind ja durch zwei Bundestagsbeschlüsse festgelegt mit den drei Barockfassaden außen, dem Schlüterhof. Ebenfalls ist festgelegt, dass das inhaltliche Konzept eben auf die außereuropäischen Kulturen ausgerichtet sein muss und eben mit diesen drei Playern, mit diesen drei Akteuren, die Sie nannten. Und, ich denke, es ist ganz, ganz wichtig, ich habe auch kürzlich in einem Artikel geschrieben, es ist irgendwo so etwas wie das Centre Pompidou des 21. Jahrhunderts, mit einem gewissen Schwerpunkt natürlich, der nach Außereuropa blickt.
Wir haben hier die Wissenschaftsbereiche mit der Humboldt-Universität, aber auch mit unseren Bereichen, unsere Museen, die beteiligt sind, Ethnologisches und Museum für Asiatische Kunst sind natürlich auch Forschungsstätten. Wir haben die Bibliothek und wir haben den Museumsbereich. Und darüber hinaus, und es wird ganz wichtig sein, diese drei Bereiche modern zu präsentieren, und da spielen auch neueste Medien eine Rolle, die man da mit einbinden muss, sowohl bei der Bibliothek als auch bei der Präsentation unserer Kunstwerke, die jetzt noch in Dahlem zu sehen sind, und dann aber auch die Verknüpfung.
Und dabei spielt auch die Architektur natürlich eine Rolle. Wir warten mit Spannung auf die Entscheidung im Architektenwettbewerb, denn es muss, soll ja die Agora geben im Erdgeschoss, von der aus das Ganze erschlossen wird. Das ist ganz, ganz entscheidend, um das in einen Wirkungszusammenhang zu bringen. Und diese Agora, dort soll viel stattfinden. Wir wollen kein reines Museum, keine reine Bibliothek. Es wird Bereiche geben, die das vertreten. Und dann wird es die Agora geben, in dem eben viele Veranstaltungen, ganz ähnlich wie jetzt mit der Tropenausstellung, es wird begleitet von einem umfassenden Rahmenprogramm mit gesellschaftspolitischen Diskussionen, mit Fotopräsentationen, mit einer langen Nacht des Films über die Tropen, mit Musikdarstellern, mit Performances. Das gehört dazu. Und das wollen wir auf jeden Fall mit einbringen. Und bei dieser Art von Präsentationen oder Diskussionen gesellschaftspolitischer wirklich die ganze Menschheit erfassender Themen, da hat auch Europa seinen Platz, da muss auch Europa zur Sprache kommen. Und insofern glaube ich, wird das eine ganz spannende Sache werden.
Von Billerbeck: Volker Hassemer, der Vorstandsvorsitzende der Stiftung Zukunft Berlin, der hat ja hier im Deutschlandradio auch davon gesprochen, dass das Humboldt-Forum so etwas Großartiges werden soll wie das Centre Pompidou damals. Sie haben auch eben wieder Centre Pompidou gesagt. Trotzdem sieht es ja von außen so aus wie es eben aussieht. Das heißt, das Innere muss nach außen strahlen. Meinen Sie, das schaffen Sie, so wie Sie es eben geschildert haben, dass es so was wird, das in der Welt eine Marke wird, wie eben das Centre Pompidou?
Parzinger: Nun, das Centre Pompidou wirkt natürlich durch die Architektur schon.
Von Billerbeck: Eben, eben.
Parzinger: Es wirkt wie eine irgendwie bei einem gigantischen Hubschrauber abgeworfene Maschine, die man da auf diesem freien Platz installiert hat. Aber der Gedanke, und deshalb zitieren glaube ich auch außer mir viele immer das Centre Pompidou, der Verknüpfung unterschiedlicher Bereiche und wir haben dort ja auch so was wie eine Agora mit verschiedenen Multifunktionsräumen für Veranstaltungen verschiedener Bereiche. Das ist ja die Idee, die auch dort zugrunde liegt. Und das müssen wir auf jeden Fall erreichen.
Und wir müssen erreichen, dass der Besucher, ich stelle mir das so vor, wenn er dann durch das Portal das Schloss hineingeht, dass er dann wirklich vor einer großartigen modernen Architektur steht, die ihn dann hineinzieht auch, die ihm relativ schnell auch klarmacht, ihn informiert, wo sind die verschiedenen Bereiche, die hier zusammenwirken, die ihn sofort fasziniert für das, was wir dort machen wollen, für das, was dort ausgestellt werden soll. Er soll ja in diesem Eingangsbereich, in der Agora, wirklich die außereuropäischen Kulturen gleich einmal in einer gewissen Vielfalt auch kennenlernen. Und ich kann nur sagen, wir mit unseren Partnern von der Zentral- und Landesbibliothek und der Humboldt-Universität, wir haben regelmäßig Gesprächsrunden, in der wir auch die Schnittmengen zwischen unseren Akteuren definieren wollen und weiterentwickeln wollen. Wir werden unsere ganze Kraft da hineinsetzen, dass das erfolgreich wird.
Von Billerbeck: Zwei Männer sind ja irgendwie dafür zuständig, also, oder drei, jedenfalls wenn man die Landesbibliothek noch dazu nimmt. Nämlich der Generaldirektor der Berliner Museen und Sie als Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Jetzt gab es immer wieder Stimmen, die extra für das Humboldt-Forum einen Intendanten fordern oder so etwas wie einen Intendanten. Was halten Sie davon und gibt es da vielleicht schon eine Person?
Parzinger: Nein, Personen gibt es nicht und das war auch ein Gedanke, ich weiß nicht, wer das zuerst gesagt hat, aber ich habe das von Anfang an gesagt. Wenn das Humboldt-Forum dann einmal steht, dann braucht man einen Intendanten. Und zwar nicht für das Humboldt-Forum als Ganzes. Es gibt Bereiche, die fallen in die Verantwortung der einzelnen Akteure, die Humboldt-Universität, Zentral- und Landesbibliothek und die staatlichen Museen zu Berlin, die zur Stiftung Preußischer Kulturbesitz gehören. Aber dann gibt es Bereiche, in denen diese drei Akteure zusammengeführt werden müssen, in denen auch andere Dinge stattfinden sollen, in denen Dinge stattfinden sollen, die mit anderen Partner auch, dem Goethe-Institut, dem Auswärtigen Amt, NGO, je nachdem, was man dort, welche Themen man dort behandeln will, welche Art von Veranstaltungen, und für dieses Programm wird es auf jeden Fall einen Intendanten brauchen. Und natürlich werden wir auf dem Prozess, ich sagte, unsere Konzepte sind weitgehend ausgearbeitet jetzt für den Bereich, den die Stiftung Preußischer Kulturbesitz verantwortet.
Bis Ende des Jahres wissen wir, wie die Architektur aussehen wird, davon gehe ich einmal aus, und dann wird das zusammenwachsen im Laufe des nächsten Jahres. Und ich könnte mir schon auch vorstellen, dass man irgendwann sagt, wir brauchen jetzt vielleicht mal jemand, der sozusagen diese Verbindungsbereiche mit seinen Erfahrungen, mit seinen Ideen noch uns weiterentwickeln hilft. Aber es ist jetzt zu früh, einen Intendanten zu installieren, aber wir brauchen einen dann, wenn es soweit wird.
Von Billerbeck: Hermann Parzinger war mein Gast, der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die gemeinsam mit dem Goethe-Institut die Tropenausstellung organisiert hat, "Ansichten von der Mitte der Weltkugel", die von morgen an bis zum 5. Januar im Berliner Martin-Gropius-Bau zu sehen sein wird. Danke für Ihren Besuch.
Parzinger: Bitte.
Die Weltkunstsammlungen des Museums, die sollen ja von 2013 an zum Berliner Schlossplatz ziehen und Teil des Humboldt-Forums werden. Von der Mitte der Weltkugel also in die Mitte Berlins. Und was von dort in die Welt hinausstrahlen soll, das wollen wir jetzt von Hermann Parzinger wissen, dem Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Herzlich willkommen erst mal bei uns.
Hermann Parzinger: Guten Tag.
Von Billerbeck: "Die Tropen", das ist ja eine Gemeinschaftsarbeit vom Ethnologischen Museum Berlin, das zur Stiftung Preußischer Kulturbesitz gehört und dem Goethe-Institut. Wie kam es denn nun zu dieser Idee für diese Ausstellung?
Parzinger: Das ist in der Tat eine Ausstellung, die noch mein Vorgänger, Klaus-Dieter Lehmann, befördert hat. Und insofern finde ich es ganz schön, dass wir heute Abend mit ihm zusammen, im neuen Amt hat er es weiter begleitet, im alten Amt begonnen, im neuen eröffnet. Also, das ist auch eine Zukunftsstrategie von uns. Wir wollen mit dem Goethe-Institut, mit anderen auch, künftig global stärker mit unseren Kulturschätzen durch Ausstellungen und so weiter auch im Ausland präsent sein.
Ganz konkret zwischen dem Ethnologischen Museum und dem Goethe-Institut haben sich die Kontakte schon vor Jahren angebahnt. Es gab eine sehr erfolgreiche Ausstellung, "Kunst aus Afrika", die ebenfalls in Brasilien gezeigt wurde und, ja, daraus entstanden neue Ideen. Wir basteln auch jetzt schon wieder an weiteren Ideen und das finde ich wirklich sehr, sehr gut, dass die verschiedenen Einrichtungen, Museen und ein Kulturinstitut wie das Goethe-Institut hier gemeinsam Ideen entwickeln und aus Ideen ein Projekt und dann auch eine wirkliche Ausstellung werden lassen.
Von Billerbeck: Was ist nun das Besondere an dieser Tropenausstellung?
Parzinger: Nun, das Besondere der Tropenausstellung ist zum einen, dass es wirklich versucht, diesen Naturraum, der zunächst mal ist, begreifbar werden zu lassen, der sich um die ganze Weltkugel zieht, und, also es hat eine große geografische Dimension, die hier bearbeitet wird, und natürlich auch verständlich zu machen, was ist eigentlich die kulturelle, ja, von kultureller Identität kann man nicht sprechen, aber was ist im kulturellen Bereich charakteristisch für diesen Raum, die Kunst. Wie hat der Mensch auf diesen wirklich sehr extremen Raum als Naturraum auch reagiert, in der Vergangenheit, wie heute? Wo sind hier die Unterschiede? Wo sind die Parallelitäten? Megastädte gab es schon Angkor Wat oder Tenochtitlán, in Mexiko, Angkor Wat in Kambodscha, gab es schon vor Jahrtausenden, vor Jahrhunderten. Heute ist das auch wieder ein Problem, einfach diesen Raum unter verschiedenen Aspekten zu beleuchten und eben, wie gesagt, Objekte, die eher in die Vergangenheit gehören und die Gegenwart zu kontrastieren.
Von Billerbeck: Ich hatte es schon gesagt, wir haben ja von den Tropen auch sehr viele Klischees im Kopf: Die sind feucht, die sind arm, da herrscht Hunger, da sind politische Krisen. Soll auch mit diesen Klischees gespielt werden und die vielleicht konterkariert werden?
Parzinger: Es wird mit diesen Klischees schon ein bisschen gespielt, es wird aber vor allem, das ist ja das große Thema, es wird eine Re-Ästhetisierung der Tropen versucht. Damit meinen die Kuratoren, dass eben die Tropen, die sonst nur im Zusammenhang mit politischen, mit ökonomischen, mit ökologischen Problemen eigentlich diskutiert werden, dass ihr künstlerischer, kultureller Wert einmal ganz klar herausgestellt wird. Und ich denke, das ist ein wirklich wichtiges Anliegen. Man kann diesen Raum, diesen hoch spannenden dynamischen Raum Tropen natürlich unter vielen, von vielen Punkten her betrachten, aber ich finde es einen ganz interessanten Ansatz.
Von Billerbeck: Wir sprechen mit Hermann Parzinger, dem Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, über "Die Tropen. Ansichten von der Mitte der Weltkugel", einer Ausstellung, die ab morgen im Berliner Gropius-Bau zu sehen ist. Herr Parzinger, Berlin, das war ja kein willkürlicher Ausstellungsort für diese Tropenausstellung. Man könnte es vielleicht auch eine Art Wegweiser nennen in Richtung Humboldt-Forum, das ja von 2010 an auf dem Schlossplatz errichtet werden soll. Und darin sollen ja auch die Sammlungen aus dem Ethnologischen Museum in Berlin-Dahlem ihren Platz finden. Was verbindet nun die Ausstellung im Gropius-Bau mit dem geplanten Humboldt-Forum in der Mitte Berlins?
Parzinger: Nun, uns war es zunächst mal ganz wichtig, diese Ausstellung in Berlin zu zeigen aus verschiedenen Gründen. Ein Grund ist, Berlin ist einer der Orte weltweit, an dem immer schon Kunst aus den Tropen und kulturelle Erzeugnisse aus den Tropen wirklich nachhaltig gesammelt wurden und damit das Museum für, das Ethnologische Museum, Museum für Asiatische Kunst haben mit die reichsten Sammlungen aus diesem Raum überhaupt weltweit. Darüber hinaus war es uns natürlich auch wichtig, wie Sie sagen, auf dem Weg zum Humboldt-Forum, diese Ausstellung, dieses Projekt einzutakten.
Das heißt, hier wird etwas Neues versucht, hier wird unter ganz anderen als bisher Ansätzen versucht, diesen Raum begreifbar zu machen. Es ist nicht so eine traditionelle Ausstellung, es wird Verschiedenes versucht, alte Kunst mit neuer in einen Kontrast zu bringen, das Weltumspannende und all das, und das ist schon etwas, was wir im Humboldt-Forum ja auch machen wollen. Im Humboldt-Forum wird es einerseits natürlich die Bestände der Museen geben, die Sammlungsbestände in den permanenten Ausstellungen, die wir allerdings auch nicht dauerhaft für Generationen dort installieren wollen, sondern auch einen gewissen Wechsel, den wollen wir möglich machen.
Und darüber hinaus wird es ja Bereiche für Sonderausstellungen geben, Bereiche auch für die Gegenüberstellung alte Kunst und auch zeitgenössische Kunst. Es sind Bereiche für zeitgenössische Kunst vorgesehen. Und insofern, wie man damit umgehen kann, wie man das Thema angehen kann, unter diesem Aspekt ist es wirklich ein ganz, ganz wichtiger Versuch. Wir werden sicher, bis wir 2013 das Humboldt-Forum beziehen, noch Etliches ausprobieren. Ich glaube, das ist auch wichtig, dass man Dinge ausprobiert, auch unsere Sicht auf die Kunst, unsere Art der Kunstbetrachtung, wie man Kunst darstellen sollte, wird sich im Laufe der Jahre auch verändern. Und das ist auch ganz wichtig für das Humboldt-Forum, dass das immer ein Ort bleibt, wo wir diesen Entwicklungen auch folgen können, wo wir nicht, ich wiederhole noch einmal, jetzt etwas installieren, was dann für 40 Jahre steht. Da sind wir uns aber einig, dass man das machen muss, dass diese Dynamik wirklich auch das Humboldt-Forum mit Leben erfüllt.
Von Billerbeck: Was auf jeden Fall feststeht, jedenfalls wird es nicht mehr diskutiert, das ist die Hülle des Humboldt-Forums. Es soll ja auf dem Gelände des alten Berliner Stadtschlosses entstehen. Das sieht von drei Seiten preußisch-wilhelminisch aus, von einer Seite nicht. Über das Innere ist bisher bekannt, dass da die Landesbibliothek einziehen soll, die Humboldt-Sammlungen der Universität und die Kunstwerke aus dem Ethnologischen Museum. Aber wie soll dieses Humboldt-Forum da in die Welt hinausstrahlen? Weil das ist ja glaube ich die Idee, die dahinter ist, wenn es denn eine gibt.
Parzinger: Nein, klar. Also, wie die Architektur aussehen soll, die Grundvoraussetzungen sind ja durch zwei Bundestagsbeschlüsse festgelegt mit den drei Barockfassaden außen, dem Schlüterhof. Ebenfalls ist festgelegt, dass das inhaltliche Konzept eben auf die außereuropäischen Kulturen ausgerichtet sein muss und eben mit diesen drei Playern, mit diesen drei Akteuren, die Sie nannten. Und, ich denke, es ist ganz, ganz wichtig, ich habe auch kürzlich in einem Artikel geschrieben, es ist irgendwo so etwas wie das Centre Pompidou des 21. Jahrhunderts, mit einem gewissen Schwerpunkt natürlich, der nach Außereuropa blickt.
Wir haben hier die Wissenschaftsbereiche mit der Humboldt-Universität, aber auch mit unseren Bereichen, unsere Museen, die beteiligt sind, Ethnologisches und Museum für Asiatische Kunst sind natürlich auch Forschungsstätten. Wir haben die Bibliothek und wir haben den Museumsbereich. Und darüber hinaus, und es wird ganz wichtig sein, diese drei Bereiche modern zu präsentieren, und da spielen auch neueste Medien eine Rolle, die man da mit einbinden muss, sowohl bei der Bibliothek als auch bei der Präsentation unserer Kunstwerke, die jetzt noch in Dahlem zu sehen sind, und dann aber auch die Verknüpfung.
Und dabei spielt auch die Architektur natürlich eine Rolle. Wir warten mit Spannung auf die Entscheidung im Architektenwettbewerb, denn es muss, soll ja die Agora geben im Erdgeschoss, von der aus das Ganze erschlossen wird. Das ist ganz, ganz entscheidend, um das in einen Wirkungszusammenhang zu bringen. Und diese Agora, dort soll viel stattfinden. Wir wollen kein reines Museum, keine reine Bibliothek. Es wird Bereiche geben, die das vertreten. Und dann wird es die Agora geben, in dem eben viele Veranstaltungen, ganz ähnlich wie jetzt mit der Tropenausstellung, es wird begleitet von einem umfassenden Rahmenprogramm mit gesellschaftspolitischen Diskussionen, mit Fotopräsentationen, mit einer langen Nacht des Films über die Tropen, mit Musikdarstellern, mit Performances. Das gehört dazu. Und das wollen wir auf jeden Fall mit einbringen. Und bei dieser Art von Präsentationen oder Diskussionen gesellschaftspolitischer wirklich die ganze Menschheit erfassender Themen, da hat auch Europa seinen Platz, da muss auch Europa zur Sprache kommen. Und insofern glaube ich, wird das eine ganz spannende Sache werden.
Von Billerbeck: Volker Hassemer, der Vorstandsvorsitzende der Stiftung Zukunft Berlin, der hat ja hier im Deutschlandradio auch davon gesprochen, dass das Humboldt-Forum so etwas Großartiges werden soll wie das Centre Pompidou damals. Sie haben auch eben wieder Centre Pompidou gesagt. Trotzdem sieht es ja von außen so aus wie es eben aussieht. Das heißt, das Innere muss nach außen strahlen. Meinen Sie, das schaffen Sie, so wie Sie es eben geschildert haben, dass es so was wird, das in der Welt eine Marke wird, wie eben das Centre Pompidou?
Parzinger: Nun, das Centre Pompidou wirkt natürlich durch die Architektur schon.
Von Billerbeck: Eben, eben.
Parzinger: Es wirkt wie eine irgendwie bei einem gigantischen Hubschrauber abgeworfene Maschine, die man da auf diesem freien Platz installiert hat. Aber der Gedanke, und deshalb zitieren glaube ich auch außer mir viele immer das Centre Pompidou, der Verknüpfung unterschiedlicher Bereiche und wir haben dort ja auch so was wie eine Agora mit verschiedenen Multifunktionsräumen für Veranstaltungen verschiedener Bereiche. Das ist ja die Idee, die auch dort zugrunde liegt. Und das müssen wir auf jeden Fall erreichen.
Und wir müssen erreichen, dass der Besucher, ich stelle mir das so vor, wenn er dann durch das Portal das Schloss hineingeht, dass er dann wirklich vor einer großartigen modernen Architektur steht, die ihn dann hineinzieht auch, die ihm relativ schnell auch klarmacht, ihn informiert, wo sind die verschiedenen Bereiche, die hier zusammenwirken, die ihn sofort fasziniert für das, was wir dort machen wollen, für das, was dort ausgestellt werden soll. Er soll ja in diesem Eingangsbereich, in der Agora, wirklich die außereuropäischen Kulturen gleich einmal in einer gewissen Vielfalt auch kennenlernen. Und ich kann nur sagen, wir mit unseren Partnern von der Zentral- und Landesbibliothek und der Humboldt-Universität, wir haben regelmäßig Gesprächsrunden, in der wir auch die Schnittmengen zwischen unseren Akteuren definieren wollen und weiterentwickeln wollen. Wir werden unsere ganze Kraft da hineinsetzen, dass das erfolgreich wird.
Von Billerbeck: Zwei Männer sind ja irgendwie dafür zuständig, also, oder drei, jedenfalls wenn man die Landesbibliothek noch dazu nimmt. Nämlich der Generaldirektor der Berliner Museen und Sie als Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Jetzt gab es immer wieder Stimmen, die extra für das Humboldt-Forum einen Intendanten fordern oder so etwas wie einen Intendanten. Was halten Sie davon und gibt es da vielleicht schon eine Person?
Parzinger: Nein, Personen gibt es nicht und das war auch ein Gedanke, ich weiß nicht, wer das zuerst gesagt hat, aber ich habe das von Anfang an gesagt. Wenn das Humboldt-Forum dann einmal steht, dann braucht man einen Intendanten. Und zwar nicht für das Humboldt-Forum als Ganzes. Es gibt Bereiche, die fallen in die Verantwortung der einzelnen Akteure, die Humboldt-Universität, Zentral- und Landesbibliothek und die staatlichen Museen zu Berlin, die zur Stiftung Preußischer Kulturbesitz gehören. Aber dann gibt es Bereiche, in denen diese drei Akteure zusammengeführt werden müssen, in denen auch andere Dinge stattfinden sollen, in denen Dinge stattfinden sollen, die mit anderen Partner auch, dem Goethe-Institut, dem Auswärtigen Amt, NGO, je nachdem, was man dort, welche Themen man dort behandeln will, welche Art von Veranstaltungen, und für dieses Programm wird es auf jeden Fall einen Intendanten brauchen. Und natürlich werden wir auf dem Prozess, ich sagte, unsere Konzepte sind weitgehend ausgearbeitet jetzt für den Bereich, den die Stiftung Preußischer Kulturbesitz verantwortet.
Bis Ende des Jahres wissen wir, wie die Architektur aussehen wird, davon gehe ich einmal aus, und dann wird das zusammenwachsen im Laufe des nächsten Jahres. Und ich könnte mir schon auch vorstellen, dass man irgendwann sagt, wir brauchen jetzt vielleicht mal jemand, der sozusagen diese Verbindungsbereiche mit seinen Erfahrungen, mit seinen Ideen noch uns weiterentwickeln hilft. Aber es ist jetzt zu früh, einen Intendanten zu installieren, aber wir brauchen einen dann, wenn es soweit wird.
Von Billerbeck: Hermann Parzinger war mein Gast, der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die gemeinsam mit dem Goethe-Institut die Tropenausstellung organisiert hat, "Ansichten von der Mitte der Weltkugel", die von morgen an bis zum 5. Januar im Berliner Martin-Gropius-Bau zu sehen sein wird. Danke für Ihren Besuch.
Parzinger: Bitte.