Meister der Monster und Fabelwesen
Er ist der Maler der Monster und Dämonen, der Heiligen und Huren: Vor 500 Jahren starb der niederländische Renaissancemaler Hieronymus Bosch. Zu diesem Anlass eröffnet am Samstag in seiner Heimatstadt 's-Hertogenbosch die bislang größte Übersichtsausstellung des Künstlers.
Nackte Männer treiben durch ein Meer aus Feuer und Glut. Sie werden am Spieß geröstet, über Messerklingen gezogen oder von Monstern mit Krötenköpfen verschlungen. So stellte sich der niederländische Renaissancemaler Hieronymus Bosch die Hölle vor. Schon vor mehr als 500 Jahren versetzte er mit apokalyptischen Darstellungen sein Publikum in Angst und Schrecken. Die Nachwirkungen seiner alptraumhaften Weltuntergangsszenarien aber reichen bis heute, sagt Charles de Mooij, Direktor des Noordbrabants (Nordbrábants) Museums in 's-Hertogenbosch:
"Hieronymus Bosch schafft eine neue Welt. Er kann auf eine sehr realistische Weise malen, er gebraucht Teile des Realismus, um neue Formen zu entwickeln. Und diese neuen Formen lassen eine Originalität sehen und eine Inspiration, eine Kreativität, die heutzutage noch sehr interessant ist. Und man sieht sehr viele Künstler des 20. und 21. Jahrhunderts, die sich immer noch inspirieren lassen durch Hieronymus Bosch."
Maler der klassischen Moderne wie Joan Miró, Max Ernst und Salvador Dali, aber auch Gegenwartskünstler wie der Belgier Jan Fabre sind von Bosch beeinflusst. Doch es sind nicht nur die Fantasiewelten zwischen Himmel und Hölle, die in Farbe gebannten Ängste und Sehnsüchte, die Boschs Bilder ausmachen. Der Mensch, der auf seinem Lebensweg immer wieder vor moralischen Prüfungen steht, der zwischen Gut und Böse wählen muss – das ist ein zentrales Thema, das sich durchs Werk von Hieronymus Bosch zieht.
Bosch porträtiert einen gewöhnlichen Mann
Wie er in seinen Gemälden auf den Menschen blickt, ist neu für seine Zeit. Im "Landstreicher", entstanden um 1500 bis 1510, porträtiert Bosch keinen Heiligen, sondern einen gewöhnlichen Mann mit zerrissener Hose, einen Lebenspilger. Im "Garten der Lüste" bietet sich ein Bild wie bei einer Massenorgie: Männer und Frauen baden nackt und eng umschlungen vor futuristischer Kulisse, naschen von Kirschen und Erdbeeren, so groß wie Wassermelonen. Im Triptychon "Der Heuwagen", in der Hieronymus Bosch die Habsucht des Menschen sichtbar macht, zeigt sich Bosch als Maler der Reformationszeit. Er geht auch mit dem Klerus kritisch ins Gericht.
"Bosch ist ein richtiger Katholik, er hat alles Vertrauen in Maria. Aber es gab viele Leute in der Kirche, die nicht gut waren. Zum Beispiel hier in 's-Hertogenbosch gab es ein Kloster von Klarissen. Und auf das Triptychon vom Heuwagen hat er auch die Klarissen gemalt. Und die Klarissen versuchen auch einen Teil des Heus zu kriegen. Wir wissen, dass in der Zeit von Hieronymus Bosch die Klarissen wollten keine Steuern zahlen. Und die Bürger von 's-Hertogenbosch waren sehr, sehr verstört bei den Klarissen."
Nicht nur viele Bilder bleiben der Nachwelt rätselhaft. Auch über Hieronymus Bosch selbst ist nicht viel bekannt. Er wurde um 1450 als Sohn der damals angesehenen Malerfamilie van Aken geboren, sein Vater besaß in 's-Hertogenbosch ein Haus am Marktplatz. Wo sein Grab ist, ob er Kinder hatte - das alles weiß man jedoch nicht. Nur eines ist sicher: Vor 500 Jahren, am 9. August 1516, läuteten die Glocken der Sint-Jans-Kathedrale zu seiner Trauerfeier.
Einige Rätsel um Bosch wurden gelöst
Heute befindet sich in 's-Hertogenbosch kein einziges Bosch-Werk mehr. Anlässlich des 500. Todestages sind in Boschs Heimatstadt erstmals 17 Gemälde und 19 Zeichnungen zu sehen – der Großteil seines überlieferten Werks. Dass Museen aus aller Welt wie der Prado in Madrid, der Pariser Louvre oder die Alte Pinakothek in München Bilder ausgeliehen haben, lag an einem verlockenden Angebot: Die Exponate wurden einem Forschungs- und Restaurierugsprogramm unterzogen. Dabei kam auch Röntgen- und Infrarottechnik zum Einsatz, erklärt Jos Koldeweij, Professor für Kunstgeschichte und Vorsitzender der Forschungsgruppe:
"Wir haben auch einen IT-Spezialisten in unserem Team, der spezielle Methoden entwickelt hat, um alle Ergebnisse aus Röntgen- und Infrarotuntersuchungen auszuwerten und zusammenzuführen. Wir haben außerdem Bilder mit dem Mikroskop gemacht und die Aufnahmen in unsere Analysen eingebracht. So ist eine Dokumentation mit umfassenden Daten entstanden, auf die wir uns stützen können."
Die Forscher konnten einige Rätsel um die Bilder von Hieronymus Bosch lösen. So schrieben sie ein beinahe vergessenes Gemälde dem Meister zu. "Die Versuchung des heiligen Antonius" hing jahrelang im Depot eines Museums in Kansas-City in den USA. Die Wissenschaftler fanden auch heraus, wie Bosch seine Bilder mehrfach veränderte.
"Die wichtigsten Ergebnisse sind für mich und das ganze Team, dass wir der kreativen Arbeitsweise von Hieronymus Bosch näher gekommen sind. Wir verstehen jetzt besser, wie er seine Bilder aufgebaut hat. Er begann mit einer Zeichnung, trug erst später die Farbe auf. Währenddessen änderte er die Komposition aber immer und immer wieder, bis er an einen Punkt kam, an dem er sagen konnte: Ich bin am Ziel, das Bild ist fertig, ich kann es meinem Publikum zeigen!"
Hieronymus Bosch, Meister der Fabelwesen und Monster. Noch heute zieht er die Menschen in seinen Bann wie vor 500 Jahren. Was die Faszination ausmacht, ist für Museumsdirektor de Mooij leicht zu erklären:
"Hieronymus Bosch ist ein Künstler, der uns immer neue Fragen gibt. In unserer Zeit wir wollen alles begreifen. Und das ist nicht möglich beim Œuvre von Hieronymus Bosch. Und ja, das ist interessant, das zieht uns an!"
Recherchen für diesen Beitrag wurden unter anderem durch eine Reisekostenbeteiligung vom Niederländischen Büro für Tourismus ermöglicht.