Mit Walze und Wasserkraft
Weil der Strom immer teurer wird, installierte der Papiererzeuger Florian Kohler eine eigene ökologische Stromversorgung in seiner Firma. Umweltschutz ist für ihn so etwas wie ein Sport geworden.
Große und kleine Zahnräder drehen sich ratternd an dem altertümlichen Ungetüm, Förderbänder transportieren eine zellstofffarbene Masse durch schwere Walzen. Es riecht nach Schmieröl und nassem Papier.
"Jetzt läuft unsere alte Papiermaschin‘ – oder sagen wir mal: erfahrene, nenn ich sie immer. Spezielle Papiere kann man auch nur auf ihr fertigen, da sie so eine große Erfahrung hat."
Die Maschine stammt aus dem Jahr 1886 – und funktioniert noch immer tadellos, versichert Caroline Pastor von der Papierfabrik Gmund stolz.
Zwei Räume weiter dagegen: Hightech. Eine topmoderne, computerbetriebene Papiermaschine, die genauso häufig im Einsatz ist. Tradition und Moderne ergänzen sich in Gmund am Tegernsee. Und so steht ein altes Wählscheibentelefon in der Nähe des IT-Raumes. Im Labor testen die Mitarbeiter das Papier nicht nur mit Maschinen, sondern tauchen noch die Feder ins Tintenfass. Auch der Umweltschutz hat Tradition, sagt Geschäftsführer Florian Kohler.
"Mei Vater war scho jemand, der sehr viel Interesse fürs Wasser gehegt hat und da schon in den 60er Jahren, was damals eine Sensation war, den Anschluss an den Ringkanal gemacht hat. So dass wir schon seit 50 Jahren keinen Tropfen Abwasser in den Fluss geben. Und daraus wurde dann allmählich so ein Sport, den ich, sagen wir mal auf die Spitze getrieben hab, aber da stehe ich sicher auch in der Kontinuität meines Vaters."
Was das genau heißt? Da geht man am besten noch einmal mit Caroline Pastor in die Fabrikhalle. Ganz nach hinten, dorthin, wo der Lärm am größten ist:
"Das ist unser Turbinenraum. Wir haben drei Wasserkraftwerke mit denen wir selber Energie erzeugen. Und Wärmekopplung und Solar auf dem Dach."
Wasser, Zellstoff - und viel Strom
Knapp Dreiviertel des Stroms, den sie benötigen, erzeugen die Gmunder auf diese Weise selbst. Ein Spitzenwert, das Unternehmen gehört damit zu den Vorreitern in Deutschland, in Europa. Ein bisschen wurde die Idee auch aus der Not geboren. Denn um Papier herzustellen, braucht man außer Wasser und Zellstoff: Viel Strom. Und der wird dank der Energiewende in Deutschland immer teurer – die eigene Stromversorgung hilft also beim Sparen. Wobei Unternehmer Florian Kohler gleich einschränkt:
"Des hat auch kaufmännisch Vorteile, aber zu schön darf man sich des nicht rechnen, wir haben a neues Kraftwerk vor drei Jahren installiert, das sind also für unsere Verhältnisse Rieseninvestitionen. Also direkt billig ist es nicht und auch mit der selbst erzeugten Energie sind wir nicht konkurrenzfähig mit ausländischen Papierherstellern."
Konkurrenzfähig bleiben - das müsste eigentlich die große Schwierigkeit für alle deutschen Firmen sein, die viel Energie benötigen. Denn Energie ist in den meisten anderen Ländern viel billiger. Doch die großen energieintensiven Unternehmen sind von der EEG-Umlage befreit – Strom wird für sie also deutlich günstiger. Mittelständler Florian Kohler fällt dagegen nach deutschen Vorschriften nicht unter die Ausnahmeregelung. Er muss den Strom, den er nicht selbst produziert, teuer bezahlen – warum, das versteht er selbst nicht so ganz.
"Wir sind im internationalen Wettbewerb und wir sind auch energieintensiv und wir werden nicht befreit. Jetzt könnten wir uns drüber aufregen oder wir ergreifen eben Initiative."
Initiative – das bedeutet nicht nur, dass Kohler möglichst viel Strom selbst herstellt. Er hat sich auch eine Nische gesucht, produziert kein Alltagspapier, sondern exklusives Büttenpapier.
Stolz blättert er durch Papierbögen, die eher wie kleine Kunstwerke scheinen: Glitzernd, gemustert, mit Prägung. Das Konzept geht auf: Bei der Oscar-Verleihung stecken die Namen der Gewinner in schimmernden Umschlägen aus Kohlers Produktion. Sein Papier reist bis nach Amerika - seine Firma dagegen soll bleiben wo sie ist: Im bayerischen Gmund am Tegernsee.
"Wir wollen so lange wir können, hier produzieren. Das ist ein ganz ein klares Statement. Wir haben schon Kontakte auch ins Ausland bzw. auch zu anderen Papierfabriken und wir müssen uns natürlich auch mit dem Gedanken tragen irgendwann theoretisch das Papier woanders produzieren zu lassen. Das wollen wir aber vermeiden. Wir wollen hier bleiben."
"Irgendwann ist das nicht mehr lustig"
Aber wie lange geht das noch? Da ist sich Kohler nicht so sicher. Denn die Große Koalition plant, in Zukunft auch für selbst produzierten und verbrauchten Strom die EEG-Umlage zu verlangen. Ihre Angst: Zu viele Unternehmen flüchten sich in die Eigenproduktion, für die verbleibenden Unternehmen und die Verbraucher steigt die EEG-Umlage dadurch immer weiter. Denn je weniger zahlen, desto teurer wird es für den Rest. Und irgendwann kann sich niemand mehr Strom leisten. Ein anderes Argument: Mit dem Ertrag aus der Umlage sollen auch die Stromnetze ausgebaut werden - davon profitiert auch, wer selbst Strom produziert und verbraucht. Denn so gut wie jeder bezieht zusätzlich noch Strom vom Netz. Für die Büttenpapierfabrik in Gmund am Tegernsee könnten diese Pläne allerdings den Ruin bedeuten, sagt Kohler.
"Also die Kreativität der Politiker was die Strombesteuerung angeht ist wirklich beeindruckend, aber irgendwann ist es eben nicht mehr lustig. Also ich möchte innig davor warnen, solche Sachen zu machen, des was man selber macht noch zu besteuern, ist ja in sich eigentlich schon absurd."
Natürlich, auch er kann die Schwierigkeiten des Staates verstehen. Die Energiewende liegt ihm am Herzen - er zahlt, wie er sagt, sogar gerne mehr für Strom als die Nachbarn im Ausland. Bis zu einem gewissen Punkt. Denn irgendwann lohnt sich selbst die Nischenproduktion nicht mehr. Doch noch ist die Gesetzesänderung nicht da, Florian Kohler hofft auf eine Regelung mit Augenmaß. Eine, die seine Firma überleben lässt. Und inzwischen versucht er, sein Unternehmen noch umweltfreundlicher zu machen. Mehr Strom erzeugen - das geht fast nicht mehr, sagt er. Aber beim Energiesparen - da ist noch einiges drin:
"Ich wundere mich im positiven Sinne immer wieder. Weil wieder hamma da den neuesten Motor und da des neueste Getriebe eingebaut, aber unsere technische Leitung sagt immer: Irgendwas findma noch, wo ma noch was rauskitzeln und das freut uns und das freut natürlich auch die Umwelt."