Hilberath: Priesterberuf von Zölibat entkoppeln
Eine Kopplung des Priesterberufes an den Zölibat sei angesichts des Priestermangels und der jüngst aufgedeckten Missbrauchsfälle am katholischen Canisius-Kolleg in Berlin in den 70er- und 80er-Jahren problematisch, sagt der Tübinger Theologieprofessor Bernd-Jochen Hilberath.
Herbert A. Gornik: Verbunden sind wir jetzt mit dem Professor für dogmatische Theologie und Dogmengeschichte in Tübingen, er ist zugleich Direktor des Instituts für Ökumenische Theologie. Professor Dr. Bernd Jochen Hilberath, als Sie gehört haben, von dem Missbrauch dieser, wie es ein Kollege nannte, Pater der Schande, was waren da ihre Reaktionen?
Bernd Jochen Hilberath: Ich bin immer wieder geschockt, wenn ich so etwas höre, und zwar in erster Linie nicht, weil ich denke, muss das auch noch sein in unserer Kirche und Pater der Schande und so weiter. Sondern wegen der Opfer, der Kinder, der Jungen, die dann oft vergessen werden bei dieser berechtigten Entrüstung über die Kirche. Und dass das nach vielen Jahren herauskommt und was das für Leid unterwegs beinhalten kann. Das ist etwas, was mich in erster Linie und am meisten beschäftigt.
Gornik: Stehen diese Missbrauchsfälle auch für eine verordnete Leibfeindlichkeit, für eine Tradition, eine Unkultur des Verschweigens?
Hilberath: Da würde ich sagen, gibt es vielleicht noch Endmoränen dieser Einstellung. Ich denke, dass Menschen mit einer bestimmten Neigung, in bestimmten Situationen besonders gefährdet sind. Und nun könnte man sagen, dass Priester, dass Ordensleute, die mit Kindern, mit Jugendlichen zu tun haben, in einer besonders gefährdeten Situation sind, wenn sie diese Neigungen haben. Auf der anderen Seite könnte man ja mit Recht fördern (Anm. d. Red.: Schwer verständlich im Hörprotokoll), dass diejenigen, zumindest die Ordensleute, die freiwillig diese Lebensform leben, vielleicht im Unterschied zu einem Priester, der den Zölibat einfach nur in Kauf nimmt, dass die auch Motivation haben, damit umzugehen. Aber offenbar zeigt sich immer wieder, wie groß dann doch die Gefährdung ist, wenn Menschen solche Neigungen haben.
Gornik: Ist es ein Problem der Gefährdung oder ist es auch ein Problem der mangelnden Auswahl dieser Priester, die dann mit solchen Aufgaben betraut werden? In Zeiten des Priestermangels, übertrieben gesagt, muss man jeden nehmen, der kommt.
Hilberath: Da gibt es dann eine große Gefahr, also wenn wir tatsächlich sagen, die Ordensleute übernehmen, ja freiwillig, diese Ehelosigkeit um des Himmelreichs Willen und mir hat ein Abt mal gesagt, die sollen die Priester, die Pfarrer in den Gemeinden heiraten lassen und uns diesen evangelischen Rat, wie es in der Kirche heißt, überlassen. In der Tat ist es eine Gefahr, ich denke schon, dass die Verantwortlichen kritisch auswählen, aber die Frage ist auch, für welche jungen, oder auch meinetwegen älteren Männer, ist dieser Beruf, so wie er im Moment gelebt werden muss, noch attraktiv? Ich bin ganz entschieden der Meinung, dass die Situation der Seelsorge so ist, dass die katholische Kirche sich nicht länger erlauben kann, nur die Männer, die den Zölibat auf sich nehmen wollen, zu Priestern zu ordinieren, zu weihen. Wir brauchen viel mehr Priester und ich glaube, es gibt auch Menschen, die diese Berufung dazu haben. Und diese automatische Kopplung an den Zölibat ist problematisch bei Priestermangel und er ist angesichts dieser Fälle, die wir haben, zusätzlich problematisch, weil doch vielleicht eine gewisse Attraktivität für Menschen, die homosexuell sind, dieser Beruf hat. Dass man denkt, da kann man vielleicht eher mit seiner Sexualität zurecht kommen. Also ich denke, zusammengefasst, in unseren Zeiten ist es eine hohe Verantwortung für die Verantwortlichen, nur die Leute zu bestimmten Ämtern zuzulassen, die einen gereiften Umgang mit ihrer Sexualität haben. Und da ist auch die Frage, ob die Verantwortlichen das weiterhin zulassen sollen. Die geben dir ja manchmal den Rat, okay, wenn Sie dieses Charisma der Ehelosigkeit nicht haben, aber vielleicht können Sie dann doch dieses Opfer bringen, weil Sie ja Priester werden wollen. Das Opfer ist zu hoch, vor allem dann, wenn andere dadurch zu Opfern gemacht werden.
Gornik: Wir kann man, noch einmal gefragt, diese Menschen, die diese Veranlagung haben, die nicht dagegen angehen können, aussortieren? Müsste man psychosoziale therapeutische Assessment-Center in der katholischen Kirche haben?
Hilberath: Ich weiß, gerade auch von Äbten, aber auch von denen, die für die Priesterausbildung verantwortlich sind, dass sehr häufig, gerade schon in der Anfangsphase, auch Gespräche mit Psychologen, mit Psychologinnen geführt werden oder die Bewerber meinetwegen, die Kandidaten für ein Kloster, diese Gespräche machen. Und ich weiß von einem Abt, dass er mir gesagt hat, in den letzten zehn Jahren hatte ich acht Bewerber und sieben habe ich aufgrund dieser Gespräche wieder weggeschickt. Die würden unsere Gemeinschaft zu sehr belasten. Das heißt, es geschieht schon Einiges, aber vielleicht geschieht zu wenig.
Gornik: Und in Zeiten mangelnder Attraktivität der Klöster ist eine so starke, selbstbewusste Haltung, wie Sie sie gerade beschrieben haben, sicherlich sehr, sehr schwierig. Professor Bernd Jochen Hilberath war das, herzlichen Dank!
Bernd Jochen Hilberath: Ich bin immer wieder geschockt, wenn ich so etwas höre, und zwar in erster Linie nicht, weil ich denke, muss das auch noch sein in unserer Kirche und Pater der Schande und so weiter. Sondern wegen der Opfer, der Kinder, der Jungen, die dann oft vergessen werden bei dieser berechtigten Entrüstung über die Kirche. Und dass das nach vielen Jahren herauskommt und was das für Leid unterwegs beinhalten kann. Das ist etwas, was mich in erster Linie und am meisten beschäftigt.
Gornik: Stehen diese Missbrauchsfälle auch für eine verordnete Leibfeindlichkeit, für eine Tradition, eine Unkultur des Verschweigens?
Hilberath: Da würde ich sagen, gibt es vielleicht noch Endmoränen dieser Einstellung. Ich denke, dass Menschen mit einer bestimmten Neigung, in bestimmten Situationen besonders gefährdet sind. Und nun könnte man sagen, dass Priester, dass Ordensleute, die mit Kindern, mit Jugendlichen zu tun haben, in einer besonders gefährdeten Situation sind, wenn sie diese Neigungen haben. Auf der anderen Seite könnte man ja mit Recht fördern (Anm. d. Red.: Schwer verständlich im Hörprotokoll), dass diejenigen, zumindest die Ordensleute, die freiwillig diese Lebensform leben, vielleicht im Unterschied zu einem Priester, der den Zölibat einfach nur in Kauf nimmt, dass die auch Motivation haben, damit umzugehen. Aber offenbar zeigt sich immer wieder, wie groß dann doch die Gefährdung ist, wenn Menschen solche Neigungen haben.
Gornik: Ist es ein Problem der Gefährdung oder ist es auch ein Problem der mangelnden Auswahl dieser Priester, die dann mit solchen Aufgaben betraut werden? In Zeiten des Priestermangels, übertrieben gesagt, muss man jeden nehmen, der kommt.
Hilberath: Da gibt es dann eine große Gefahr, also wenn wir tatsächlich sagen, die Ordensleute übernehmen, ja freiwillig, diese Ehelosigkeit um des Himmelreichs Willen und mir hat ein Abt mal gesagt, die sollen die Priester, die Pfarrer in den Gemeinden heiraten lassen und uns diesen evangelischen Rat, wie es in der Kirche heißt, überlassen. In der Tat ist es eine Gefahr, ich denke schon, dass die Verantwortlichen kritisch auswählen, aber die Frage ist auch, für welche jungen, oder auch meinetwegen älteren Männer, ist dieser Beruf, so wie er im Moment gelebt werden muss, noch attraktiv? Ich bin ganz entschieden der Meinung, dass die Situation der Seelsorge so ist, dass die katholische Kirche sich nicht länger erlauben kann, nur die Männer, die den Zölibat auf sich nehmen wollen, zu Priestern zu ordinieren, zu weihen. Wir brauchen viel mehr Priester und ich glaube, es gibt auch Menschen, die diese Berufung dazu haben. Und diese automatische Kopplung an den Zölibat ist problematisch bei Priestermangel und er ist angesichts dieser Fälle, die wir haben, zusätzlich problematisch, weil doch vielleicht eine gewisse Attraktivität für Menschen, die homosexuell sind, dieser Beruf hat. Dass man denkt, da kann man vielleicht eher mit seiner Sexualität zurecht kommen. Also ich denke, zusammengefasst, in unseren Zeiten ist es eine hohe Verantwortung für die Verantwortlichen, nur die Leute zu bestimmten Ämtern zuzulassen, die einen gereiften Umgang mit ihrer Sexualität haben. Und da ist auch die Frage, ob die Verantwortlichen das weiterhin zulassen sollen. Die geben dir ja manchmal den Rat, okay, wenn Sie dieses Charisma der Ehelosigkeit nicht haben, aber vielleicht können Sie dann doch dieses Opfer bringen, weil Sie ja Priester werden wollen. Das Opfer ist zu hoch, vor allem dann, wenn andere dadurch zu Opfern gemacht werden.
Gornik: Wir kann man, noch einmal gefragt, diese Menschen, die diese Veranlagung haben, die nicht dagegen angehen können, aussortieren? Müsste man psychosoziale therapeutische Assessment-Center in der katholischen Kirche haben?
Hilberath: Ich weiß, gerade auch von Äbten, aber auch von denen, die für die Priesterausbildung verantwortlich sind, dass sehr häufig, gerade schon in der Anfangsphase, auch Gespräche mit Psychologen, mit Psychologinnen geführt werden oder die Bewerber meinetwegen, die Kandidaten für ein Kloster, diese Gespräche machen. Und ich weiß von einem Abt, dass er mir gesagt hat, in den letzten zehn Jahren hatte ich acht Bewerber und sieben habe ich aufgrund dieser Gespräche wieder weggeschickt. Die würden unsere Gemeinschaft zu sehr belasten. Das heißt, es geschieht schon Einiges, aber vielleicht geschieht zu wenig.
Gornik: Und in Zeiten mangelnder Attraktivität der Klöster ist eine so starke, selbstbewusste Haltung, wie Sie sie gerade beschrieben haben, sicherlich sehr, sehr schwierig. Professor Bernd Jochen Hilberath war das, herzlichen Dank!