Hildegard - die Schreibmaschine Gottes
Hildegard-Medizin, Hildegard-Gesänge, Hildegard-Rezepte. Hildegard von Bingen ist in der Öko- und Wellness-Kultur fast zum Markenzeichen geworden. Dass die Nonne aus Bingen auch eine bedeutende Theologin war, wird dabei oft vergessen.
Ein Männerchor zu Ehren einer bedeutenden Frau: Die Schola des Domchores unter der Leitung von Domkapellmeister Carsten Stork eröffnet in der Ostkrypta der Mainzer Kathedrale die Ausstellung über Hildegard von Bingen. Die Sänger haben sich hinter dem Altar aufgestellt, in dessen Innerem Gebeine der Heiligen Hildegard als Reliquie aufbewahrt werden. Winfried Wilhelmy, der Direktor des Bischöflichen Dom –und Diözesanmuseums in Mainz erläutert bei der Vernissage, warum er den Reliquien-Altar, den sogenannten "Schrein der Heiligen", ins Zentrum seiner neuen Hildegard-Ausstellung gestellt hat:
"Das Ganze ausgerichtet auf den Schrein der Mainzer Heiligen, der 1960 von Juwelier Weiland Senior gearbeitet wurde und wo neben anderen Heiligen eben auch eine Reliquie der Heiligen Hildegard vertreten ist. Das heißt, dieser Schrein ist das Zentrum dieser Ausstellung, denn es geht um ihr visionäres Werk und durch diese Reliquie ist ja Hildegard hier im Raum präsent."
Präsent ist sie aber vor allem durch die Abbildungen auf den großflächigen Leuchttafeln, die die Ausstellung bestimmen. Auf ihnen sind Illustrationen aus dem 12. Jahrhundert illuminiert. Die geradezu comicartigen Bilder veranschaulichen Textstellen aus drei theologischen Spätschriften der Hildegard von Bingen. Ein um 1165 entstandenes Schlüsselbild zeigt Hildegard mit einer schwarzen Schrifttafel und einem Stift in der Hand in einem Raum, von dessen Decke Feuerzungen bis zu ihrem Kopf reichen Die Bildaussage ist klar: Hildegard empfängt von oben Botschaften, die sie auf der noch leeren Tafel zu notieren hat. Sie wird damit quasi zu einer Schreibmaschine Gottes. Die Worte, die ihr eingegeben werden, klingen so:
"Du hinfälliger Mensch, Du Asche. Du Fäulnis von Fäulnis! Sage und schreibe nieder, was Du siehst und hörst! Doch weil Du furchtsam bist zum Reden, in Deiner Einfalt die Offenbarung nicht auslegen kannst und zu ungelehrt bist zum schreiben, rede und schreibe darüber nicht in Menschenart, sondern so, wie Du es in himmlischen Wirklichkeiten in den Wundertaten Gottes siehst und hörst. Schreibe es nicht nach eigenem Gutdünken oder dem eines anderen Menschen, sondern nach dem Wille dessen, der alles weiß, alles sieht und alles in der Verborgenheit seiner Geheimnisse anordnet."
Dass Hildegard erstmal krank wurde, als sie auf diese Weise zur willenlosen Schreibmaschine Gottes gemacht wird, mag aus heutiger Sicht kaum verwunderlich sein. Dennoch entschließt sie sich im hohen Alter, diese sogenannten "Visionen" aufzuschreiben. Der Mainzer
Kardinal Lehmann bezeichnete bei der Ausstellungseröffnung diese theologischen Spätschriften Hildegards als die Schlüsseltexte der Kirchenlehrerin - und nicht ihre naturkundlichen Texte, die auch über den Kreis der Gläubigen hinaus Interesse finden:
"Es gab es immer ein Auf und Ab in der Verehrung der Hildegard durch die vielen Jahrhunderte. Hochzeiten, aber auch Zeiten der Vergesslichkeit. Und es gab auch Phasen, wo Dinge, die nur entfernt mit ihr zu tun hatten, in die Mitte rückten, statt umgekehrt. Aber sie hat auch etwas zu tun mit der Medizin, der Fischzucht, dem Ackerbau, den Edelsteinen und so fort. Das sind Ausstrahlungen, aber von der Mitte her".
Im Text, den Karl Kardinal Lehmann zum Ausstellungskatalog beisteuert, äußert er Befremden darüber, dass in den letzten Jahrzehnten Esoterik oder so wörtlich "bestimmte Spielarten des Feminismus" oder auch manche der Partei der Grünen Hildegard zu instrumentalisieren versucht hätten – weil Hildegard angeblich eine Vorliebe für die Farbe grün hatte, so Lehmann in seinem Katalogtext. Dass die katholische Kirche seit den 70er-Jahren entdeckt hat, dass auch Frauen Theologie betreiben können, freut den Mainzer Kardinal:
"Wir haben bis zum Jahr 1970 dreißig Kirchenlehrer – alles Männer. Und ab 1970 haben dann Papst Johannes XXIII., Paul VI. und nun Benedikt XVI. vier Frauen in den Rang von Kirchenlehrerinnen erhoben. Teresa von Avila, Katharina von Siena und Therese von Lisieux und nun Hildegard von Bingen. Ich denke, das ist auch in der Kirche unentdeckt geblieben, was das eigentlich auch heißt für die Stellung der Frau in der Kirche."
"Ich bin die Mutter Clementia aus Eibingen, die 39. Nachfolgerin der Hl. Hildegard."
Hildegard hatte 1165 ein leerstehendes Augustinerkloster im Rheingau-Ort Eibingen erworben als Tochterkloster ihres Binger Haupthauses. Dort durften dann auch nichtadlige Frauen ins Kloster eintreten. Hildegard-Nachfolgerin Mutter Clementia ist studierte Kirchenmusikerin und seit dem Jahr 2000 Äbtissin in Eibingen. Dort arbeiten die Benediktinerinnen auch weiterhin wissenschaftlich zum unfangreichen Werk Hildegards.
Am 7. Oktober allerdings muss die 39. Nachfolgerin der Hl. Hildegard in Rom etwas tun, was ihr schwerfallen dürfte: Ein langes, reiches Leben in drei Minuten schildern. Diese Zeit hat man ihr beim Papst eingeräumt, um die komplexe Figur Hildegard vorzustellen:
"Ich soll, man hat mich drum gebeten, an dem 7. Oktober, dem Heiligen Vater und auch der Welt die Heilige Hildegard vorstellen. Wenn jemand zur Kirchenlehrerin benannt wird, muss sie eben auch kurz beschrieben werden. Diese Aufgabe hat man mir zugewiesen. Drei Minuten!"
"Das Ganze ausgerichtet auf den Schrein der Mainzer Heiligen, der 1960 von Juwelier Weiland Senior gearbeitet wurde und wo neben anderen Heiligen eben auch eine Reliquie der Heiligen Hildegard vertreten ist. Das heißt, dieser Schrein ist das Zentrum dieser Ausstellung, denn es geht um ihr visionäres Werk und durch diese Reliquie ist ja Hildegard hier im Raum präsent."
Präsent ist sie aber vor allem durch die Abbildungen auf den großflächigen Leuchttafeln, die die Ausstellung bestimmen. Auf ihnen sind Illustrationen aus dem 12. Jahrhundert illuminiert. Die geradezu comicartigen Bilder veranschaulichen Textstellen aus drei theologischen Spätschriften der Hildegard von Bingen. Ein um 1165 entstandenes Schlüsselbild zeigt Hildegard mit einer schwarzen Schrifttafel und einem Stift in der Hand in einem Raum, von dessen Decke Feuerzungen bis zu ihrem Kopf reichen Die Bildaussage ist klar: Hildegard empfängt von oben Botschaften, die sie auf der noch leeren Tafel zu notieren hat. Sie wird damit quasi zu einer Schreibmaschine Gottes. Die Worte, die ihr eingegeben werden, klingen so:
"Du hinfälliger Mensch, Du Asche. Du Fäulnis von Fäulnis! Sage und schreibe nieder, was Du siehst und hörst! Doch weil Du furchtsam bist zum Reden, in Deiner Einfalt die Offenbarung nicht auslegen kannst und zu ungelehrt bist zum schreiben, rede und schreibe darüber nicht in Menschenart, sondern so, wie Du es in himmlischen Wirklichkeiten in den Wundertaten Gottes siehst und hörst. Schreibe es nicht nach eigenem Gutdünken oder dem eines anderen Menschen, sondern nach dem Wille dessen, der alles weiß, alles sieht und alles in der Verborgenheit seiner Geheimnisse anordnet."
Dass Hildegard erstmal krank wurde, als sie auf diese Weise zur willenlosen Schreibmaschine Gottes gemacht wird, mag aus heutiger Sicht kaum verwunderlich sein. Dennoch entschließt sie sich im hohen Alter, diese sogenannten "Visionen" aufzuschreiben. Der Mainzer
Kardinal Lehmann bezeichnete bei der Ausstellungseröffnung diese theologischen Spätschriften Hildegards als die Schlüsseltexte der Kirchenlehrerin - und nicht ihre naturkundlichen Texte, die auch über den Kreis der Gläubigen hinaus Interesse finden:
"Es gab es immer ein Auf und Ab in der Verehrung der Hildegard durch die vielen Jahrhunderte. Hochzeiten, aber auch Zeiten der Vergesslichkeit. Und es gab auch Phasen, wo Dinge, die nur entfernt mit ihr zu tun hatten, in die Mitte rückten, statt umgekehrt. Aber sie hat auch etwas zu tun mit der Medizin, der Fischzucht, dem Ackerbau, den Edelsteinen und so fort. Das sind Ausstrahlungen, aber von der Mitte her".
Im Text, den Karl Kardinal Lehmann zum Ausstellungskatalog beisteuert, äußert er Befremden darüber, dass in den letzten Jahrzehnten Esoterik oder so wörtlich "bestimmte Spielarten des Feminismus" oder auch manche der Partei der Grünen Hildegard zu instrumentalisieren versucht hätten – weil Hildegard angeblich eine Vorliebe für die Farbe grün hatte, so Lehmann in seinem Katalogtext. Dass die katholische Kirche seit den 70er-Jahren entdeckt hat, dass auch Frauen Theologie betreiben können, freut den Mainzer Kardinal:
"Wir haben bis zum Jahr 1970 dreißig Kirchenlehrer – alles Männer. Und ab 1970 haben dann Papst Johannes XXIII., Paul VI. und nun Benedikt XVI. vier Frauen in den Rang von Kirchenlehrerinnen erhoben. Teresa von Avila, Katharina von Siena und Therese von Lisieux und nun Hildegard von Bingen. Ich denke, das ist auch in der Kirche unentdeckt geblieben, was das eigentlich auch heißt für die Stellung der Frau in der Kirche."
"Ich bin die Mutter Clementia aus Eibingen, die 39. Nachfolgerin der Hl. Hildegard."
Hildegard hatte 1165 ein leerstehendes Augustinerkloster im Rheingau-Ort Eibingen erworben als Tochterkloster ihres Binger Haupthauses. Dort durften dann auch nichtadlige Frauen ins Kloster eintreten. Hildegard-Nachfolgerin Mutter Clementia ist studierte Kirchenmusikerin und seit dem Jahr 2000 Äbtissin in Eibingen. Dort arbeiten die Benediktinerinnen auch weiterhin wissenschaftlich zum unfangreichen Werk Hildegards.
Am 7. Oktober allerdings muss die 39. Nachfolgerin der Hl. Hildegard in Rom etwas tun, was ihr schwerfallen dürfte: Ein langes, reiches Leben in drei Minuten schildern. Diese Zeit hat man ihr beim Papst eingeräumt, um die komplexe Figur Hildegard vorzustellen:
"Ich soll, man hat mich drum gebeten, an dem 7. Oktober, dem Heiligen Vater und auch der Welt die Heilige Hildegard vorstellen. Wenn jemand zur Kirchenlehrerin benannt wird, muss sie eben auch kurz beschrieben werden. Diese Aufgabe hat man mir zugewiesen. Drei Minuten!"