Hilfsorganisationen schlagen Alarm

Flüchtlinge prostituieren sich im Berliner Tiergarten

Vier junge Männer sitzen auf einem Holzgestell.
Immer mehr junge Flüchtlinge in Berlin gehen auf den Strich, sagen Unterstützer. Oft sei das eine der wenigen Möglichkeiten, Geld zu verdienen. © picture alliance / dpa / Martin Schutt
Von Oliver Soos und Dena Kelishadi |
Im Berliner Tiergarten soll sich laut Menschenrechtsorganisationen eine Stricherszene entwickelt haben, auch mit Flüchtlingen. Sie verdienen mit der Prostitution Geld. Oft haben sie keine andere Wahl, sagen Unterstützerorganisationen.
Wir stehen an der Straße des 17. Juni, am Eingang des Parks. Ein junger Mann kommt auf uns zu. Er hat glasige Augen und ein jugendliches Gesicht. Wir nennen in Nawid, denn er soll nicht erkannt werden. Im schummrigen Licht der Straßenlaternen zeigt er uns seine Papiere: eine Grenzübertrittsbescheinigung nach Slowenien vom Januar 2016 und einen Ausweis eines Verkehrsverbunds in Sachsen-Anhalt, der zeigt, dass er gerade 18 ist. Seit gestern schläft er auf einer Bank im Tiergarten, erzählt Nawid auf Persisch.
"Ich war mit meinem Vater in einem Flüchtlingsheim in Quedlinburg. Wir haben uns zerstritten, meine Familie hat mich fallengelassen. Ich habe keine Wahl, ich muss im Park schlafen."
Seine Duldung ist rot durchgestrichen. Das bedeutet, er soll abgeschoben werden. Er würde sich aber nicht prostituieren, sagt Nawid.
"Ich habe gehört, dass hier junge Männer Sex haben. Mein Freund macht das auch und das bereitet mir große Sorgen."
Es ist dunkel geworden. Drei Autos halten am Straßenrand. Ein älterer Mann, korpulent, mit Glatze, steigt aus, trinkt eilig eine Dose Red Bull und läuft in den Park, direkt auf einen der jungen Geflüchteten zu. Er reicht ihm Zigaretten, dann laufen die beiden tiefer in den Park hinein.

"Was sollen wir als Alternative anbieten?"

Keiner der Flüchtlinge scheint minderjährig zu sein. Diana Henniges vom Verein "Moabit hilft" hat aber schon mehrfach 16- und 17-jährige Afghanen betreut, die sich an verschiedenen Orten in Berlin prostituiert haben. Es gibt auch Flüchtlinge, die bereits bei Freiern eingezogen sind. Kost und Logis gegen Sex.
Ralf Rötten ist Vorsitzender des Vereins "Hilfe für Jungs e.V.". Der Verein schickt Streetworker in den Tiergarten, um die Flüchtlinge über HIV aufzuklären und ihnen Unterstützung anzubieten. Doch sie aus dem Park herauszuholen, das funktioniert meist nicht so einfach, sagt Rötten.
"Sie dürfen keinen Deutschkurs zum großen Teil machen, die dürfen nicht zur Schule gehen, die dürfen nichts lernen im Moment, die dürfen erst recht keiner Arbeit nachgehen. Was sollen wir einem solchen jungen Mann als Alternative anbieten?"
Die wenigsten Flüchtlinge werden gezwungen, im Tiergarten anschaffen zu gehen, sagt Rötten. Aber der Park sei eine der wenigen Möglichkeiten, Geld zu verdienen. Von einer Berliner Unterkunft weiß er, dass sich die Flüchtlinge dort untereinander den Tiergarten empfehlen.
(abr)
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