Himmelskörper voller Energie

Moderation: Frank Meyer |
Asteroiden können der Erde auch nutzen: Eine US-Firma hat angekündigt, mittels Sonden auf ihnen Rohstoffe abbauen zu wollen. Der Forscher Hermann Böhnhardt meint, mit dem gewonnenen Material könne man zum Beispiel Weltraumstationen betreiben. Es sei jedoch nicht denkbar, die Rohstoffe auf die Erde zu bringen.
Frank Meyer: Heute Abend ziemlich genau um 20:24 Uhr wird es passieren: Der Asteroid 2014 DA14 wird in knappem Abstand an der Erde vorbeifliegen – zum Glück, denn wenn dieser Brocken auf der Erde einschlagen würde, dann hätte er eine ungeheure Zerstörungskraft, die 180-fache Sprengkraft der Hiroshima-Bombe. Solche Asteroiden sind aber nicht nur gefährlich, sondern womöglich auch nützlich: Das amerikanische Unternehmen "Deep Space Industries" hat vor zwei Tagen angekündigt, dass es Rohstoffe aus Asteroiden abbauen will in der Zukunft.

Wie soll das gehen und warum sollte sich das Risiko lohnen, solche Weltraumgeschosse anzubaggern? Das fragen wir Hermann Böhnhardt, er ist Experte für kleine Himmelskörper am Max-Planck-Institut für Systemforschung in Katlenburg-Lindau. Willkommen, Herr Böhnhardt!

Hermann Böhnhardt: Guten Tag!

Meyer: Herr Böhnhardt, bevor wir über den Rohstoffabbau von Asteroiden reden, zur Sicherheit noch mal die Frage: Ist es wirklich ganz, ganz sicher, dass uns dieser Asteroid heute Abend nicht treffen wird?

Böhnhardt: Das ist ganz sicher.

Meyer: Gut, dann sind wir beruhigt. Und noch eine weitere Frage: Heute Morgen ist in Russland, im Ural ja ein Meteoritenregen niedergegangen. Dabei soll es 400 Verletzte gegeben haben. Dieser Meteoritenregen hat aber wahrscheinlich gar nichts zu tun mit dem Asteroiden, oder?

Böhnhardt: Ich habe das jetzt selber erst in den Nachrichten gelesen. Ich vermute nicht. Es ist natürlich auffällig, dass es halt zur gleichen Zeit einen Einschlag hier auf der Erde gibt, wenn ein Objekt in naher Entfernung vorbeizieht, aber meine erste Vermutung wäre, dass es nicht zusammenhängt.

Meyer: Schauen wir zurück auf den Asteroiden: Wie oft kommen denn Geschosse von dieser Größenordnung – der soll ja so etwa 50 Meter Durchmesser haben –, wie oft kommen solche Geschosse so nah an unsere Erde heran?

Böhnhardt: So nahe durchaus selten, ich denke, da redet man von sicherlich Zeiträumen von einigen Jahren, wo das immer wieder mal passieren kann. Natürlich, wenn man Mondentfernungen und ein bisschen weiter in Betracht zieht, da ist dann schon häufiger solche Begegnungen, die also durchaus monatlich stattfinden.

Meyer: Und jetzt gibt es die Ankündigung eines amerikanischen Unternehmens, den Abbau von Rohstoffen aus Asteroiden zu planen. Warum könnte sich das denn lohnen, was haben Asteroiden, was wir auf der Erde nicht haben?

Böhnhardt: Eigentlich nichts, muss man sagen. Der Punkt, den dieses amerikanische Unternehmen macht, ist: Man würde die Rohstoffe abbauen, um sie sozusagen im Weltraum selbst zu nutzen. Das wäre von Vorteil in dem Punkt, dass man sie nicht von der Erdoberfläche in den Weltraum transportieren muss, das heißt also, man könnte sich dann so eine ziemlich teure Rakete wie die Ariane 5 oder eine Delta sparen und das auf günstigere Art und Weise machen. Man muss aber sehen: Es gibt sicherlich Investitionskosten, die vorher zu leisten sind, damit man dieses "mining in space" tun kann. Also wohlgemerkt: Diese Firma spricht nicht davon, die Rohstoffe auf die Erde zurückzubringen, sondern sie im Weltraum zu verwenden für Treibstoffnachladungen oder zur Herstellung von Gütern, die man ansonsten vom Boden aus ins Weltall transportieren muss.

Meyer: Und damit könnte man dann Raumstationen zum Beispiel versorgen, etwa mit Wasser, wenn man Wasser auf Asteroiden findet?

Böhnhardt: Das wäre eine Möglichkeit, oder man erzeugt aus dem Wasser auch Treibstoff selbst für Flüge zum Mars zum Beispiel, oder auch, um also halt Materialien da zu erzeugen. Wenn man Iridium findet auf diesen oder Metalle – das sind seltene Dinge, die kann man, wenn Fabrikanlagen im Weltraum existieren, halt gleich umsetzen.

Meyer: Wenn Sie von Metallen sprechen: Was für Metalle könnte man auf diesen Asteroiden finden?

Böhnhardt: Ich denke, man könnte die gleichen Metalle finden wie auf der Erde auch. Es ist einfach so, dass unser Planetensystem aus dem gleichen Material gemacht wurde, im Grunde genommen egal ob Erde oder so ein Asteroid. Also Sie finden da das Gleiche.

Meyer: Aber im Prinzip müssen wir uns den so vorstellen – das ist ja im Prinzip ein Gesteinsbrocken wie so ein Alpengipfel, der eben durchs Weltall fliegt, dieser Asteroid?

Böhnhardt: Im Falle dieses Asteroidens, der heute Nacht vorbeifliegt an der Erde, wissen wir es nicht exakt, wie seine Zusammensetzung ist, noch nicht mal annähernd. Es gibt eine ganz grobe Einstufung, die ich aber persönlich also nicht als chemisch aussagekräftig betrachte. Andererseits gibt es andere Objekte, vergleichbare Asteroiden, wo man das durchaus kann. In einem Fall kann man da Silikate, also sandähnliches Material von der Zusammensetzung her finden, aber auch Metall, richtige Metalle wie Eisen, Nickel.

Meyer: Um jetzt Rohstoffe von so einem Asteroiden abzubauen, was auch immer es ist, müsste man ja erst mal an den herankommen, mit dem Schritt halten. Das muss doch unglaublich schwierig sein, denn diese Objekte bewegen sich ja mit enormen Geschwindigkeiten durchs Weltall. Könnte man die überhaupt einholen mit den Raketen, die wir so haben?

Böhnhardt: Sicherlich einige davon, nicht unbedingt alle. Es ist schon angesprochen auch in dieser Pressemitteilung von der Firma, dass also dieser Asteroid vielleicht aus jetziger Sicht zumindest nicht besonders günstig ist, weil er eine relativ hohe Bahnneigung zur Erdbahn hat, und das macht in der Regel immer Probleme mit Raketen, solche "out-of-plane"-Objekte, sagt man da, anzufliegen. Aber es gibt genügend andere, die also da wesentlich günstiger sind. Der Vorteil ist, dass diese Asteroiden sehr klein sind und sozusagen keine eigene Gravitation haben oder nur sehr geringe, und damit der Landevorgang und auch der Startvorgang sehr kostengünstig ist oder sehr treibstoffgünstig. Das ist eben der Hauptunterschied zur Erde. Bei der Erde braucht man eine große Ariane-Rakete, auf dem Asteroiden, wenn Sie da stehen und einen kleinen Hopser machen, sind Sie sofort im Weltall.

Meyer: Ja, aber dann ist doch auch schwierig, da zu landen, wenn der mich nicht festhält. Ich müsste mich praktisch festkrallen an dem Asteroiden.

Böhnhardt: Das ist sicherlich ein Problem und das dürfte auch eine schwierigere technische Aufgabe sein. Wir machen das ja auch, jetzt bei einem Kometen versuchen wir, so eine Landung zu machen, und tatsächlich: Also die Landung selbst auf so einem Körper mit sehr geringer Schwerkraft, die ist schwierig, und auch das Festhalten dort, wenn Sie zum Beispiel bohren wollen, denn das Material wird nicht blank auf der Oberfläche herumliegen, sondern Sie müssen das recherchieren, wo es ist, und dann halt auch fördern. Und da treten Kräfte auf, und denen müssen Sie durch Verankerung entgegenwirken. Es ist schwierig.

Meyer: Deutschlandradio Kultur, wir sind im Gespräch mit Hermann Böhnhardt, er ist Experte für kleine Himmelskörper am Max-Planck-Institut für Systemforschung in Katlenburg-Lindau, und wir reden über den Rohstoffabbau auf Asteroiden, den eine amerikanische Firma angekündigt hat, und zwar nicht vor 2020, war die Ankündigung. Das klingt jetzt nach den ganzen Problemen, die Sie beschreiben, Herr Böhnhardt, aber auch noch sehr optimistisch, das wäre ja schon in sieben Jahren. Für wann rechnen Sie denn mit Möglichkeiten, tatsächlich Materialien von Asteroiden abzubauen?

Böhnhardt: Das ist für mich auch nicht leicht einzuschätzen. Ich beschäftige mich nicht unmittelbar mit dieser Materie, aber tatsächlich: 2020 erscheint mir sehr, sehr ehrgeizig zu sein. Ich würde da problemlos noch 30 Jahre draufrechnen, und es braucht den Willen, dass man es tun möchte oder das Bedürfnis danach, das muss ja auch noch vorhanden sein, denn da werden erhebliche Kosten mit verbunden sein mit dieser Aktion.

Meyer: Sie haben ja selbst schon erwähnt, dass Sie beteiligt sind an einer Mission, wo es auch um eine Landung auf so einem kleinen Himmelskörper geht. Das ist die Rosetta-Mission der Europäischen Raumfahrtbehörde, da wollen Sie eine Bohrprobe von Kometen holen. Wie verläuft diese Mission, welche Zeiträume muss man sich da vorstellen?

Böhnhardt: Ja, Rosetta wurde in den 90er-Jahren aus der Taufe gehoben, gebaut und im Jahre 2004 gestartet, ist immer noch unterwegs, im Augenblick in einer Schlafphase, also ohne Kontakt zur Erde oder beziehungsweise die Erde hat keinen Kontakt zur Sonde, das ist aber so gewollt, wird nächstes Jahr im Januar aufgeweckt aus dieser Schlafphase und dann beginnt der Anflug an den Kometen mit der Landung etwa im Herbst, Anfang November 2014 vorgesehen. Es ist eine passive Landung, das heißt, der Lander wird abgeworfen, hat keinen eigenen Antrieb und muss durch diese Trennung vom Mutter-Spacecraft, das dann nach wie vor im Orbit um den Kometen verweilt, muss also seinen Weg einfach durch diese Trennung erreichen und dann auf diesem ähnlich großen und ähnlich leichten Körper wie dieser Asteroid halt landen und verankert werden, damit man eine Probe bohren kann.

Meyer: Und da geht es wiederum nicht um Tonnen, sondern um einen kleinen Fingerhut voll wahrscheinlich.

Böhnhardt: Das ist richtig. Es geht um Gramm, also in der Größenordnung einer Fingerkuppe, die da gebohrt wird und wissenschaftlich vor Ort, also auf dem Kometen untersucht wird. Es wird auch nicht danach gestrebt, das Material also wieder wegzubewegen, sondern der Lander bleibt an der Oberfläche und wird dort mit Geräten dieses Material untersuchen.

Meyer: Rohstoffabbau auf Asteroiden – wir haben gelernt: Das liegt noch weit in der Zukunft, 2050 würde Hermann Böhnhardt prognostizieren, er ist Experte für kleine Himmelskörper am Max-Planck-Institut für Systemforschung in Katlenburg-Lindau. Herr Böhnhardt, vielen Dank für das Gespräch!

Böhnhardt: Gerne!

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.


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