Himmlische Chöre

Von Heike Schwarzer |
Jan Heinke hat keine Stimme. Er ist eine Stimme.
"Was seltenes, was besonderes"

sagt Daniel von der Dresdner Band "Annamateur und ihre Gitarristen", mit denen sich Heinke wieder mal zu einer neuen Band formiert zu Annamateur und ihren anderen Wunderkindern.

"Das Jan-Heinke-Instrument - das gibt’s sonst keinmal auf der Welt. "

Jan Heinke - die dichten braunen Haare fast zu brav gestutzt, mit tiefen Furchen vom Lachen und Leben, Heinke ist ganz und gar Musik, eine Art Ganzkörperinstrument,

"Es bläht sich grade auf. "

Ein Resonanzraum von 1,80 Meter, der keine Körpermasse braucht, sondern sich Kehle, Bauch und Neugier nimmt, auf dass es aus ihm brummt und tönt und vibriert - in ganz besonderer Weise:

"Jan Rebrov, nenne ich ihn immer. "

Sagt Sängerin AnnaMateur: auch so eine Stimme, eine Röhre, der noch Großes bevorsteht, weil sie Witz hat und Virtuosität und ihre Wunderkinder: Musiker wie Jan Heinke.

"Irgendwann habe ich mal gemerkt, dass der komische Geräusche macht. "

Wie eine Flöte, ein Mundschlagzeug oder wie ein mongolisches Stimmwunder.

"Und dann hat er zu mir gesagt, wenn du mal irgendwann eine Idee hast, was man mit Obertongesang machen kann, ohne in die esoterische Ecke gestellt zu werden, dann melde dich bei mir. "

Und so kam es, dass aus der Filmmusik von Dirty Dancing eigenwillig arrangierte und frisch gemixte Lieder wurden, die Heinke mit Didgeridoo, Oberton und Stimme pur aus der Schmuseecke brummte.

Jan Heinke: "Ich denke, ein spiritueller Hintergrund ist eine aufgesetzte Sache. "

Und dagegen wehrt sich Jan Heinke, indem er ohne missionarischen Eifer seine Obertöne in alle möglichen Genres verstreut.

"Weil es mir mehr darum geht, jenseits von ethnischen und religiösen Kontexten etwas musikalisches wirksames zu finden. "

Und das dürfen gern auch Discoklassiker oder Popmusik sein.

"Und das ist auch sehr ansteckend. Seit Jan sich in unseren Formationen rumtreibt, sitzen immer irgendwelche Gitarristen rum und machen hrrrr. Hrrrr. "

Es war das Cover einer alten Schallplatte, das Jan Heinke - vor über 15 Jahren - für tibetische Obertonmusik begeisterte.

"Ich konnte mir nicht erklären, wie aus einer menschlichen Stimme zwei Töne herauskommen können und habe deshalb begonnen, mich mit der Physik von Klängen zu befassen und bin dadurch auch auf die Möglichkeit gestoßen, Instrumente zu bauen. Das war zu DDR-Zeiten, ich habe heimlich Vorlesungen an der Uni besucht und habe sehr, sehr viel gelesen, über Materialeigenschaften, Klangformung, Orgelbau. "

Und er hat geübt, täglich, in einem alten Wasserspeicher oder im Auto oder wo immer es passte.
Das Interesse für besondere Klänge hat Heinke schon als Kind entwickelt, damals sang er noch im Kinderchor der Staatsoper, später begann er in Dresden zu studieren. Jazz-Saxophon - doch das Studium hat er geschmissen. Seitdem lebt der 37-Jährige als freischaffender Musiker, Instrumentenbauer und Komponist und findet in verschiedenartigsten Bands und Ensembles zwischen neuer, klassischer, Ethno-, experimenteller Jazz- und U-Musik immer einen ganz eigenen Weg.

Heinkes Stimme ist inzwischen auch ein i-Tüpfelchen im Repertoire der Neuen Elblandphilharmonie, für die Heinke, ganz aktuell, ein Stück für Orchester und Oberton komponierte.

Doch sein musikalisches Zuhause ist die riesige Glaskuppel der Yenidze. Früher eine Zigarettenfabrik im Stil einer Moschee, heute ein pittoresker Veranstaltungsort und idealer Platz für Heinkes Instrumentarium.

Stahlinstrumente, die völlig unterschiedlich funktionieren, aber trotzdem wie ein großes Ensemble aus Stahlskulpturen die Konzertbesucher zum Staunen bringen.

"Und wie funktioniert das... ja spannend! Dankeschön. "

Nach jedem Konzert zupfen sie an den Stahlseilen, klopfen auf die riesigen Blechsegel und wollen wissen, wo die Töne herkommen.

Heinke steckt sich eine Selbstgedrehte an und nimmt es - wie vieles in seinem Leben - mit Ruhe und Gelassenheit.

"Es sind Klänge, die üben eine unglaubliche Faszination auf mit aus. Ich nenne das auch himmlische Chöre. Ich liebe es auch mich allein in sie zu versenken, zu probieren, was geht. Sie haben hier ihren Platz gefunden, deshalb bin ich auch nicht gezwungen, sie immer hin und her zu schleppen. "

Geht auch gar nicht, zumindest was den fast drei Meter hohen Gong angeht, oder die Stahlharfe, die sich an 18 Meter langen Stahlsaiten quer durch die ganze Kuppel zieht.

"Ich bin darauf gekommen, als ich mal an langen gespannten Drähten gewohnheitsmäßig dran vorbeigegangen bin und mit der Hand drübergestrichen habe und gemerkt habe, die kommen ins Schwingen. Das war für mich der erste Anstoß zu einem Instrument, das überhaupt nicht vergleichbar ist mit herkömmlichen Musikinstrumenten. "

Einzigartiger Klang und skulpturaler Hingucker - das ist auch das Dresdner Stahlquartett, ein Kammermusikensemble, von Jan Heinke gegründet. Wenn er den tonnenschweren Stahlcelli feinste Töne aus dem bauchigen Blech heraus streicht, dann scheint für einen Moment die Zeit still zu stehen. Wie in Weimar zur Kulturhauptstadt.