Hinter den Mauern

Von Anke Leweke |
Als junge Frau mit starkem Freiheitsdrang wird Suzanne ins Kloster geschickt, wo ihre Mitschwestern sie schikanieren und demütigen. Ihr Kampf gegen Macht und Repressalien macht die Verfilmung des Romans von Denis Diderot zu einem zeitlosen Drama.
Eines der ersten Bilder nimmt das Thema dieses Film vorweg. Schauplatz ist eine Kirche, eine junge Nonne wird in einer streng ritualisierten Zeremonie in das klösterliche Dasein eingeführt. Die Kamera zeigt diese Szene aus der Vogelperspektive, das Mädchen muss sich niederknien und lange Zeit in gebeugter Haltung verweilen, während ein großes Tuch mit Kreuz über sie geworfen wird. Ein Individuum wird in diesem Moment von einem System regelrecht verschluckt.

Der Name der jungen Frau ist Suzanne Simonin, immer wieder sehen wir sie mit Feder an einem Schreibtisch. Sie erzählt in Briefen ihre Lebens- und Leidensgeschichte: Gegen ihren Willen wurde sie von den Eltern in ein Kloster gebracht. Sie soll Ordensschwester werden, da für eine standesgemäße Heirat die nötigen finanziellen Mittel fehlen. Obwohl sie von einer gütigen und verständnisvollen Oberin in den klösterlichen Alltag eingeführt wird, bleibt ihr Freiheitsdrang bestehen. Als die Oberin stirbt, sieht sich Suzanne mit den Repressalien, Demütigungen und Schikanen der neuen Äbtissin und ihrer Mitschwestern konfrontiert. Für lange Zeit wird Suzanne Bigotterie und religiösen Fanatismus am eigenen Leib erfahren.

Zeitloses Drama
Denis Diderots Roman wurde bereits mehrmals verfilmt. Jacques Rivette drehte 1966 mit Anna Karina und Liselotte Pulver eine gewagte und kirchenkritische Adaption, die zeitweise von der französischen Zensur verboten wurde. Guillaume Nicloux konzentriert sich jetzt auf das Schicksal einer jungen Frau und auf ihren Kampf gegen ein unerbittliches System, das den Einzelnen unterdrückt. Die distanzierte Kamera, das kalte Licht und die ruhige Montage lassen den Film immer mehr wie eine Versuchsanordnung über Machtstrukturen erscheinen. Zusehends löst sich "Die Nonne" aus den konkreten Umständen, aus ihrer Epoche und wird zum zeitlosen Drama.

Frankreich 2013; Regie: Guillaume Nicloux; Darsteller: Pauline Etienne, Isabelle Huppert, Marina Gedeck; 111 Minuten; FSK: ab 12 Jahren

Filmhomepage "Die Nonne"

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