Hinter jedem Rezept eine Geschichte

Von Miron Tenenberg |
So vielfältig sich das Judentum darstellt, so facettenreich ist auch das jüdische Essen. In ihrem Kochbuch "Das Buch der Jüdischen Küche" beschreibt Claudia Roden über 1200 Rezepte. 1996 erschien es in englischer Sprache: Jetzt wurde es ins Deutsche übersetzt, was gut gelungen ist.
Heute Abend beginnt der Schabbat. Nach jüdischer Überlieferung ist das der siebte und letzte Tag der Woche. Bis zum Samstagabend ist dann jegliche Arbeit verboten. Der Schabbat ist nämlich ein Ruhetag und, trotz seiner wöchentlichen Wiederholung, einer der höchsten Feiertage im jüdischen Jahr. Und Feiertage werden bei Juden traditionell mit viel Essen begangen.

"Nach biblischem Gebot sollte der Sabbat ein Tag der Freude und Schönheit sein, an dem das bestmögliche Essen genossen wird. Diese Vorschrift findet sich auch als rabbinisches Dekret im Talmud."

So beschreibt es Claudia Roden in ihrem Kochbuch "Das Buch der Jüdischen Küche - Eine Odyssee von Samarkand nach New York".

"Beinahe alle Gerichte im vorliegenden Buch, die Fisch oder Huhn enthalten, waren spezielle Freitagsspeisen und die meisten kalten Speisen Samstagsgerichte. Die jegliche Arbeit verbietenden Sabbatgesetze, die auch das Anzünden von Feuer und das Kochen zwischen Sonnenuntergang am Freitag und Samstagabend untersagen, bedingten die Entwicklung zahlreicher Eintöpfe, die am Freitagnachmittag zubereitet wurden, um über Nacht zu garen.

Diese komplexen Gerichte umfassen in einem einzigen Topf eine Vielzahl an Speisen, die als unterschiedliche Gänge serviert werden können, vom Suppen- und Fleischgang zu Beilagen, mitunter sogar bis zu Aufläufen. Zusätzlich findet sich auch eine große Vielfalt kalter Gerichte für den Samstag."

Rezeptverzeichnis mit seinen über 1200 Einträgen
Nach über 16 Jahren Recherche hat Claudia Roden dieses gewichtige Werk zusammengestellt, welches auch als "Bibel der Jüdische Küche" bekannt ist. Es würde ihr sicher keiner verübeln, hätte sie tatsächlich diesen Titel gewählt, so umfangreich stellt sich das Buch dar. 1996 erschien es erstmals in englischer Sprache und wurde jetzt erst von Margot Fischer ins Deutsche übersetzt, was überaus gut gelungen ist.

Da das Buch in Wien verlegt wird, gibt es als herzige Beigabe noch ein Österreichisch-Deutsch-Glossar von der Übersetzerin dazu, die ihrem österreichischen Dialekt treu geblieben ist. Dort werden Begriffe wie Faschiertes, Karfiol und Melanzani erklärt - alles was nicht ins Hauptglossar neben Blini, Haskala und Schochet passte.

Dennoch, das Rezeptverzeichnis mit seinen über 1200 Einträgen, die einen Großteil der weltweiten jüdischen Küche widerspiegeln sollen, bleibt das Herzstück des Buches. Claudia Roden gibt zu, dass ihr die Auswahl sichtlich schwergefallen sei und sie alleine aufgrund der schieren Masse mehrmals das Projekt vorzeitig abbrechen wollte.

"Letztendlich aber entschied ich, mich mehr auf Gemeinden in wichtigen jüdischen Zentren zu konzentrieren, deren Küche am weitesten verbreitet ist und vor allem ein gewisses Renommee genießt. Einige der Küchen sind legendär, wie jene der marokkanischen und syrischen Juden, andere überraschten mich, etwa jene der indischen Gemeinden."

Die Autorin unterteilt das Buch in zwei große Abschnitte: den aschkenasischen und den sephardischen Kochstil.

"Die gesamte aschkenasische Welt hat ein gemeinsames Standardmenü für den Sabbat, welches auf das Mittelalter zurückgeht. Im mittelalterlichen Deutschland aß man Challa, Salzhering, gefüllten Süßwasserfisch, Nudelsuppe, danach Fleischpastetchen, gekochtes Pökelfleisch oder gebratene Gans, gefüllten Hals und Nudelauflauf. Heute sind die Fleischpastetchen verschwunden und die Gans wurde durch Huhn ersetzt.

Es gibt auch andere Alternativen: süßsaurer Fisch, Fisch in einer Soße aus Ei und Zitrone und Fisch mit Walnüssen, Schmorfleisch, Karottenzimmes oder Zimmes aus Pflaumen und Kartoffeln, Kartoffelsalat, gedünstete Pastinaken und Kartoffelauflauf."

Doch neben den vielen Rezepten, welche die Lesenden schnell in ihren Bann ziehen, hat die Autorin das Kochbuch auch literarisch herausragend ausgestaltet. Immer wieder geht Claudia Roden ausführlich auf die Geschichte der Speisen, die unterschiedlichen Herkunftsregionen und verschiedene Bräuche ein. Letztendlich hat die Autorin mit diesem Buch ein Werk geschaffen, das die unterschiedlichen Prägungen des Judentums samt der Speisegewohnheiten erläutert.

Wer das eigene Wissen über das Judentum grundlegend aufbessern möchte, kann das also mit einem Kochbuch tun - wer hätte das gedacht!

Claudia Roden: "Das Buch der Jüdischen Küche: Eine Odyssee von Samarkand nach New York"
Erschienen im Mandelbaum Verlag
527 Seiten, 54,00 Euro
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