Obdachlose im Winter

Ein Notprogramm für mehr Wärme

Ein Obdachloser sitzt auf einer Bank im Schatten der Bäume im Lustgarten auf der Museumsinsel in Berlin.
Weggescheucht: Obdachlose kommen auch in den meisten Notunterkünften nur für die Nacht unter. Wichtig aber sei auch für sie, zur Ruhe zu kommen - eben indem sie bleiben dürfen. © IMAGO / Emmanuele Contini
Jörn Sturm im Gespräch mit Gesa Ufer · 31.10.2022
Obdachlose müssen ihren Schlafplatz am Morgen meist räumen. Sie finden daher kaum einmal Ruhe. Das Hamburger Straßenmagazin "Hinz & Kunzt" fordert ein Umdenken. Kultureinrichtungen könnten mit offenen Türen helfen.
Für die vielen Obdachlosen in Deutschland steht in den kommenden Monaten wieder die besonders harte Zeit im Jahr bevor. Auch wer eine Wohnung hat, aber nur wenig Geld, muss in diesem Winter wegen der hohen Heizkosten unter Umständen frieren.
Die Partei „Die Linke“ hat in Berlin daher vorgeschlagen, Sporthallen im Winter in Wärmeinseln für Bedürftige zu verwandeln. Auch aus der Kultur hört man Vorschläge, die teuer beheizten Theater und Museen als Wärmeorte für alle zu öffnen. Die Clubs haben bereits in den letzten Coronawintern ihre Türen für Menschen in Not geöffnet.

Zuflucht immer nur bis zum Morgen

Der Geschäftsführer und politische Sprecher des Hamburger Straßenmagazins „Hinz und Kunzt“, Jörn Sturm, begrüßt jede Initiative, die Obdachlosen das Leben etwas erleichtert:
"Wenn Obdachlose willkommen sind, dann ist das toll. Obdachlose suchen ja auch sonst Orte, wo sie sich wärmen können. Das sind einmal die entsprechenden Einrichtungen, aber sie gehen auch in Bücherhallen“, sagt er. „Insofern ist das jetzt gar nicht so neu, dass Obdachlose in Kultureinrichtungen gehen.“
Sturm sieht aber ein wesentliches Problem bei den allermeisten Angeboten, jedenfalls in Hamburg: dass die Obdachlosen ihren Zufluchtsort – sei es ein Kaufhauseingang oder ähnliches – am Morgen wieder verlassen müssen. „Sie werden entweder aus den Eingängen weggescheucht oder sie müssen aus dem Winternotprogramm ausziehen.“

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„Hinz & Kunzt“ fordert, das zu ändern. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Menschen, die einen Schutzraum haben, eine Heimat, und sei sie auch nur temporär, ganz anders zur Ruhe kommen können, als wenn man jede Nacht beziehungsweise an jedem Morgen wieder raus muss“, sagt Jörn Sturm.
Er bezieht sich auf die vergangenen Coronawinter: Da habe “Hinz & Kunzt“ im Winter zusammen mit Spendern aus Hamburg ein eigenes Winternotprogramm auf die Beine gestellt und dabei mit Hotels kooperiert, die keine Gäste aufnehmen konnten.

Zeit für Gedanken über den Tag hinaus

Jeder könne sich wohl bei den aktuellen Rahmenbedingungen für Obdachlose vorstellen, dass man keine Zeit mehr habe, sich über mittel- und langfristige Fragen Gedanken zu machen, wenn das gegenwärtige Leben einen so großen Organisationaufwand mit sich bringe wie bei Wohnungslosigkeit.
„Ein Schutzraum, ein Bett, wo ich bleiben kann, wo ich mir selber einteilen kann, wann ich aufstehe und wann ich wieder zurückkomme – das schafft Ruhe und damit die Möglichkeit, sich auch mit dem eigenen Leben und der eigenen Perspektive zu befassen“, sagt Sturm.
Sturm hebt hervor, dass man dann auch weniger Tagesaufenthaltsstätten brauche, weil die Obdachlosen dann in ihren Zimmern bleiben könnten. „Aber für die Hamburger Sozialbehörde ist das keine Perspektive. Leider.“
(mfu)
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