"Ja, hier gibt es Liebe"
Drogen und Gewalt: In den 80er Jahren gelangte die kolumbianische Drogenstadt Medellín zu trauriger Berühmtheit. Das Viertel Comuna 13 aber wurde trotz oder gerade wegen seines zweifelhaften Rufes zum Geburtsort einer kolumbianischen Hip Hop-Bewegung.
"Der Hip Hop ist unser Schutzschild, hinter dem wir von einem Wohnviertel ins andere gehen können, selbst wenn das wegen der Banden tabu ist. Der Hip Hop ist sozusagen unser Visum, unser Pass, damit sie uns in Ruhe lassen."
Libertad para la vida: Über Freiheit für das Leben, die Gewalt in der Comuna 13, ihrem Wohnviertel und eine bessere Zukunft rappen Jeihhco und seine Freunde der Gruppe C 15, benannt nach einem amerikanischen Flugzeug für den spanischen Bürgerkrieg, das zu spät für den Einsatz geliefert wurde.
Wer Musik macht, wird in Ruhe gelassen
"Wenn wir erzählen, dass wir aus der Comuna 13 kommen, sagen alle gleich: 'Ihr seid für den Krieg gemacht wie der C15 Flieger.' Wenn wir schon C 15 Flieger sind, dann werden wir auch zu spät kommen für den Krieg! Und statt einen neuen Krieg anzuzetteln wollen wir helfen."
Mit dem, was sie am besten können: Hip Hop.
Mit dem, was sie am besten können: Hip Hop.
An drei Nachmittagen in der Woche erteilen Jeihhco und seine Freunde vierhundert Kindern zwei Stunden Unterricht. Die Kurse dauern ein halbes Jahr. Wer besteht, darf bei der Abschluss-Feier auf einem Platz oder einer Straße im Viertel seine Kenntnisse präsentieren. 14 Lehrer sind insgesamt im Einsatz, um das ganze Spektrum an Aktivitäten zu vermitteln.
"Hip Hop für DJ‘s, Rappen, aber auch Break Dance und Graffiti unterrichten wir. Außerdem haben wir hier in Casa Kolacho den Vorteil, dass wir Fotografie und audiovisuelle Produktion anbieten können. Insgesamt können die Kinder also sechs verschiedene Elemente und damit verstehen lernen, was Kunst bedeutet."
Die Kurse sind gratis für Kinder aus der Comuna 13, einem der großen Problemviertel Medellíns, auch die neuerdings angebotenen Workshops auf dem Land. Für die müssen Wohlhabende aus anderen Gegenden allerdings zwischen 250 und 500 € löhnen.
Legendäre Graffititour für Touristen
Mit diesem Geld und den Einnahmen aus dem Verkauf von CD’s und Fanartikeln der Band wird das Projekt finanziert. Weitere Einkünfte erzielen die Hip Hopper aus San Javier auch durch die mittlerweile schon legendär gewordene Graffititour für Touristen.
Dort, wo sich die Menschen früher hinter öden Mauern vor den Schüssen der Guerilla, Paramilitärs oder Polizei in Sicherheit gebracht hatten, sind die Wände grell bunt besprüht: In letzter Zeit vor allem mit Friedensmotiven. Graffiti, so Bandmitglied Juda, gilt längst nicht mehr als Vandalismus, sondern wird als Kunst betrachtet.
"Jedes Mal fragen die Sprayer neuerdings um Erlaubnis, entweder bei der Gemeinde oder dem Besitzer des Hauses. Dadurch ist Graffiti legal geworden. Und das Graffiti hat sich sehr weiterentwickelt. Viele verschiedene Techniken und Designs kommen zum Einsatz. Richtige Kompositionen entstehen. Das hat Graffiti hier salonfähig gemacht."
Mehr als 160 Graffitis tragen die Signatur von Casa Kolacho: Kolacho – so hieß ein früheres Bandmitglied, das vor einigen Jahren ermordet wurde. Jetzt trägt das Haus, in dem sich Jeihhco und seine Mitstreiter treffen, um zu produzieren und zu lehren, seinen Namen: Casa Kolacho.
"Der Hip Hop ist hier zu einer Bewegung, zu etwas Kulturellem geworden. Das schafft Lebensqualität für Jungs, wie wir es waren. Wir waren die Loser, keiner hätte einen Pfifferling auf uns gewettet, weil wir nicht auf die Uni gegangen sind. Wir waren die Typen ohne Zukunft. Und jetzt haben wir eine Zukunft, ein Lebensziel. Viele wollen uns nacheifern. Das ist wichtig und schön."
Lernen ist Dein Recht, Bildung befreit!
Lernen ist ein Recht – Bildung befreit Dein Schicksal: Auch in ihren Songs vermitteln die Rapper aus San Javier die Lehren, die sie aus ihrer eigenen Vergangenheit gezogen haben. Alle sind hier aufgewachsen, haben am eigenen Leib die Exzesse der Gewalt und die Hoffnungslosigkeit erlebt. Jetzt wollen sie eine andere Comuna 13, ein anderes, ein friedfertiges Kolumbien.
"Frieden, das ist mehr als nur das Abkommen mit der FARC Guerilla. Frieden müssen in diesem Land viele schließen: Die Fußballfans, die politischen Parteien, die Nachbarn, die nicht miteinander reden, die Betrunkenen, die sich streiten und umbringen. Diese Gewalt muss aufhören. Dafür setzen wir uns ein. Wir können nicht die bewaffneten Gruppierungen abschaffen, aber wir können helfen, wenigstens die sozialen Strukturen in unserem Viertel wiederherzustellen."
Ein musikalischer Mosaikstein im Bild eines friedlichen Kolumbiens? Jeihhco und seine Freunde kämpfen dafür, dass es viele werden, so viele, dass der Friede im Alltag spür- und hörbar wird.
Aqui si hay amor: Hier, ja hier gibt es Liebe.