Hip-Hop-Berichterstattung

Rap-Klatschpresse auf Youtube schlägt Szenemedien

Szene aus einem Video auf dem Youtube-Kanal "Deutsch-Rap-News"
Szene aus einem Video auf dem Youtube-Kanal "Deutsch-Rap-News" © Youtube
Von Azadê Peşmen · 29.08.2018
Auf Youtube hat sich ein neues Genre etabliert: Rap-Boulevard-Berichterstattung. Die Macher interviewen Rapper zu ihren neuen Alben - mit Millionenpublikum. Szenemedien haben das Nachsehen. Kritisch-journalistisch sind die Videos allerdings nicht.
Die Printkrise hat längst den Hip-Hop-Journalismus erreicht: Interview-Formate wie "Was los" und "TV Straßensound" laufen auf Youtube, die Macher interviewen Rapper zu ihren neuen Alben, fragen nach potenziellen Features und stellen stellvertretend Fragen der Fans, die sie vorher über Facebook eingeholt haben. All das hat mittlerweile mehr Reichweite als Szenemedien wie das Magazin Juice.

Aufrufe im ein- bis zweistelligen Millionenbereich

"Ich denke nicht mehr, dass die ganz junge Deutschrap-Generation noch sagt, geil die Juice muss ich kaufen, das ist tatsächlich für die Leute, die älter werden mit Rap glaube ich", sagt Lisa Ludwig, Chefredakteurin von Vice-Broadly und Kulturredakteurin von Vice. Sie hat sich in das Youtube-Universum begeben, das heute für Deutschrap das relevante Medium schlechthin ist, die Aufrufe liegen im ein-bis zweistelligem Millionenbereich.
Der Ton auf den Youtube- Kanälen wie "Deutsch-Rap News" oder "Alpha Kenan" ist sehr persönlich und kumpelhaft, die Ansprechhaltung dementsprechend auf Augenhöhe, die Videotitel bewusst komprimiert und boulevardesk, Großschreibung und Ausrufezeichen inklusive. Während ein Sprecher aus dem Off relativ monoton die aktuellen Streitigkeiten zwischen Rappern – etwa den Konflikt zwischen Bushido und Manuellsen – bis ins kleinste Detail ausführlich erklärt, werden im Hintergrund Screenshots von Youtube-Kommentaren und Instagram eingeblendet.

"Eine ganz komische Sprache"

Soziale Netzwerke sind die einzigen Informationsquellen, der Tonfall bleibt nachrichtlich, zumindest bemühen sich die Sprecher sehr, dem News-Sprech nahe zu kommen - und verwenden dabei doch eine ganz eigene Sprache, meint Lisa Ludwig:
"Ich würde mich drüber freuen, wenn sich Sprachwissenschaftler damit auseinander setzen. Das ist so eine ganz komische Sprache, die so eine Mischung aus Jugendsprache ist, aber auch so, wie sich Jugendliche vorstellen, dass Erwachsene sich artikulieren, wenn sie professionell im Medienbereich unterwegs sind. Das ist tatsächlich nochmal ganz interessant."

Keine kritischen Fragen - aus Angst

Kritische, journalistische Medien sind diese zwei- bis zehnminütigen Videos nicht. Das war und ist die Berichterstattung über Hip-Hop aber selten. Kritische Nachfragen bleiben – aus Angst keine Interviews mehr zu bekommen – aus. Die Künstler können es sich leisten: Sie haben die Reichweite über ihren Instagram-Account. Noch mehr Aufmerksamkeit bekommen sie über die boulevardesken Youtube-Formate wie "Deutsch-Rap-News" oder "Alpha Kenan".
"Es ist exakt das, was Deutschrap gerade auch verdient hat, dass sich auf die Art und Weise damit auseinandergesetzt wird - herzlichen Glückwunsch. Ihr wolltet nicht mehr, dass man mit euch über eure Sachen kritisch redet. Da wurde immer gesagt: Wir klatschen euch, wir reden nicht mehr, ich bedrohe euch, ich stehe bei dir vor der Haustür, wenn du noch mal so eine Review schreibst."
Ob sich diese Formate halten, wird sich zeigen. Denn es gibt sie ja noch, die Künstler, die gerne kritisch zu ihrer Arbeit befragt werden. Im direkten Gespräch und nicht über das Zitieren von Instagram-Stories.
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